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Frimmel, Theodor von [Hrsg.]
Blätter für Gemäldekunde — 6.1910/​1911

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Heft 10
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Aus der Literatur
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Wiener Kunstbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.57689#0188

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Seife 172 °o<= ?••<==>©oc=> Bläffer für (Semäldekunde. ••«=?©«<=>a»c=> Bd. VI.

Ausgabe von Goethe’s Sämtlichen Werken".) ITlünchen,
toeorg müllen) 8°. (1910.)
Über die Porträte Goethes iSt vieles geichrieben
worden. Gin zuSammenfaBendes Werk über diele merk«
würdigen Kunstwerke liegt vor in Bermann Rollefts
bekannter Arbeit aus dem Jahr 1883 ein weiteres
in der wertvollen Zusammenstellung Friedrich Zarnckes
von 1888. llachträge verfchiedener Art, u. a. auch die
von Paul üausig zur Verfügung gehellten, wurden
neben den ßauptwerken benützt, um das neue kritifche
Verzeichnis auszuarb'eiten. Das Werk bringt 167 Bild«
niSSe auf eben Io vielen Uafeln, denen der katalog«
artige Cext und zwei Überfichtsverzeichniffe auf
ICO Druckfeiten beigeheftet ift. Der Band ift mit un-
leugbarem Gefchick gemacht und typographisch tauber
hergeStellt.
s
wieneR KunsTBRiere.
I.
(Die Jungen im ßagenbund. — Der Galerieverein.)
Wien, Anfangs März 1911.
Die Ausheilung in den Räumen des Wiener
ßagenbundes, wo einige junge Stürmer zu
Gaff find, ift nahezu Symptomatisch für den Zuftand
der heutigen Kunlt. Diele Schauftellung dient als
Zeichen einer weitverbreiteten Bewegung. Hur einige
Beilpiele find ausgehellf, aber viele (wenngleich nicht
alle) jungen IHaler Schaffen heute f o, wie man es
aus den wenigen Beispielen entnehmen kann. Diefes
Jo** geht aus von wirklichen Talenten, aber von Sol«
chen, die das wüfte Dreinhauen mit Pinie! und Spachtel
für ein malen halten, die jugendliches Feuer ver«
wechfeln mit wirklichem Können, die endlich um jeden
Preis Auffehen erregen möchten, man Spekuliert:
Das akademifch Durchgebildete, durch emfiges Stu«
dium vor der Dafür Erarbeitete hat bei Talenten
zweiten und dritten Ranges Stets den Beigefchmack
des gequälten, mühfam Errungenen. Dur Skizzen
find zumeift frei und flüffig, zwanglos gemalt. Raffen
wiralfo, Io meinen Sie, den akademifchen Beigefchmack
ganz bei Seife und geben wir uns als Skizziften. So
wird die Probe auf das Talent weniger peinlich.
Demen wir wenig oder gar nichts. Die Kunft ift nun
allerdings ungeheuer weitherzig, und befonders bei
Beachtung alter Erfahrungen, wird die KunStwiSSen«
Schalt vorsichtig in allem Vorherfagen. Sie wird auch
zugeffehen, dafj all’ die flüchtig Skizzierten Dinge,
die lefjt im Hagenbund und anderswo auch zur Schau
gestellt find, Anfätje aufweifen, aus denen
gewifj etwas Gutes werden kann. Aber
das, was vorläufig an den Wänden hängt, ift noch
nicht von jener Qualität, die man im 20. Jahrhundert
von Gemälden zu fordern berechtigt ift. Jede neue
Auffaffung wäre ja willkommen, jeder technische Fort-
schritt erwünfcht. Aber was Soll das zum Beispiel mit
den „Drei Grazien** von Anton Kolig ? Von der An«
tike angefangen bis zum modernen H. Prell, der

doch nicht zu den akademifch Faden zählt, haben
Sich alle Künftler an den Sinn des Damens: Gha«
ritinnen, Grazien gehalten, der an und für fich be«
dingt, dafj Gehalten von gefunden, wohl gewachfenen
Formen gewählt werden, die in menfchlichem Sinn
anmutig erfcheinen und keine IDifjbildungen find.
Dabei blieb noch immer dem nationalen und indivi-
duellen Gefchmack ein weiter Spielraum gegönnt,
man vergleiche die Darftellungen aus der Renaif«
fance bei Raffael, Baldaffare, Peruzzi, Piccolo Fio«
rentino mit der Gruppe des Botticelli auf dem „Früh-
ling**, man ziehe Vafari’s, Gorreggio’s Auffüllungen
heran, gehe auf die Formen eines Rubens ein, Stelle
die Grazien eines Dafoire, Boucher, Carle Vanloo,
liiotard daneben; man beachte die eigenartigen Auf«
faffungen eines Johs.Reynolds, eines Ghodowiecki, dann
wieder die lebenfprühenden Figuren der drei Grazien
von Domenico Pellegrini, die drei kühler gestimmten
Grazien von Regnault, ferner die plaftifchen Gruppen
eines Falconet, Thorvaldsen, Ganova — nirgends
wird man die Sucht vorfinden, durch Skizzenhaftigkeit
zu verblüffen, oder die Grazien durch fonderbar ge«
formte Dlädchengeftalten, oder gar durch zerbrochene
Reisfchienen, oder dergleichen im Symbol wiederzu«
geben, wie es bei Kolig diesmal, ohne Zweifel in
einiger Zerstreutheit und unverkennbarer Effekt«
hafcherei gefchehen ift. Der Katalog nennt diefe Gra-
zien einen „Verfuch für Wandmalerei**. Daf? dieler
Verfuch nicht geglückt ift, wird aber den Künftler ge«
wifj nicht entmutigen. Er SaFjt doch auf anderen Ver«
fuchen gelegentlich die Formen des menfchlichen Kör«
pers, den Bewegungsausdruck feiner Figuren fo gut
auf, dafj ich ich on in Bälde reifere Werke
von demfelben Künftler erwarte. Ein
anderer Dialer hat einen gräulichen „IDann mit der
Schlange“ von Schauderhafter Zeichnung und Dlodel«
lierung ausgestellt. Das Formengedächtnis ift da noch
nicht genügend geübt, um folche Aufgaben zu be«
wältigen. Kenntniffe auf dem Gebiet der menschlichen
Anatomie Scheinen da noch gänzlich zu Sehlen. An«
dere plappern wieder die Fehler nach, die einem
Gezanne zum Beispiel verwehren, vollwertig neben
den Guten der Dlanetgruppe zu erscheinen. Was an
den Werken Grecos oder Goyas Schlecht geraten ift,
wird mit Eifer nachgeahmt und der Kleine Ploriz
wird zum Ideal. Vor dem vielen künStlerifch guten
aber, das die Vergangenheit uns zurückgelaSSen hat,
werden die Augen gefchloSSen. Blanches von den aus-
gestellten Versuchen Streift fchon ans Einfältige. Aber
nahezu überall blifof auch wieder Etwas auf, das
Hoffnung einllöfjt Wiegele zum Beifpiel nähert Sich
Schon dem immerhin begehrenswerten Ziel, Etwas auch
Sertigmalen zu können. Ohne im mindesten auf ver-
alteten Bahnen zu wandeln, verlteht er es auch, gute
Akte zu zeichnen. ISepp hat eine eigenartige, Sicher
in manchen Fällen künStlerifch bedeutende Stilisierung
gefunden. Bei einem ausgestellten R’Sehen Fächer, der in
etwas roher Weife mit guter Fleckenwirkung bemalt
iit, möchte ich daran erinnern, daFj in dieSem Fall
die bequeme Ausfluchl nicht gilt, die dem Betrachter
vorSchreibf; Entferne dich So weit vom Kunttwerk, bis
Sich die künStlerifche Wirkung einStellt. Denn für den
 
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