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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 6.1889

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Beck, Paul A.: Eine württembergische Staatsschrift vom Jahre 1815 in Sachen der Reichslande Elsaß-Lothringen, [1]: Festgabe zum 25jährigen Regierungsjubiläum Sr. Majestät des Königs Karl von Württemberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.20202#0052

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einem Schlüssel, den man um keinen Preis der Welt aus der
Hand, am allerwenigsten seinem seiudlichen Nachbarn, einem
sormidabelu Feind, der eine „ewige Ambition und Jalousie,
gegen das römische Gleich" unterhält, geben dürfe. tünnz
wirtnngslos verhallten indes die Leibnitzschen Warnrufe nickt,
soscrne die Nennioiisidee schon während des spanischen Erb-
solgetrieges nack den großen Wafsenersolgen der kaiserlichen
und ibrer Verbündeten, weleb' letztere sogar eine Feit lang
die Abtretung aller netteren Eroberungen Frankreichs ernstlick
iits Aätge gefaßt hatten, anftanchw. Im Jahre 1700 wäre
Ludwig XIV., als er recht im Gedränge und sein Kriegs
rühm sehr im Erbleichen war, erbötig getvesen, die Räumung
von Straßbnrg für einen zweimonailicben Waffenstillstand zu
Friedensnnterha>>dli>ngen znzngestehen. Das Jahr daratls tvar
Vtldtvig sogar bereit, nickt nur Straßbnrg, sondern auch die
im westsäliscken Frieden erlangten zehn Reichsstädte znrück-
zngeben. Allein — trotz all' dieser verlockenden Propositionen
und der ernstlicken warmen Verwendung des Prinzen
Engen von Savoven für die Rückgabe der alten Grenzlande
an das Reich kam es nicht dazu; die damalige Zeit tvar eben
»ock nickt eines großen dentscken Neicksgedankens und National-
gefühls fähig; auch fehlte es in Deutschland selbst vielfach am
ricbtigen Verständnis für die Bedeutung eines Platzes wie
Straßbnrg; Oesterreich, als der deutschen Vormacht, tvar es
in erster Linie um Spanien, dann tim Italien 1» thnn; das
übrige that die Mißgunst der andern Mächte, um die Idee
wieder zu Pall zu bringen. So darf man es den Glsäßern,
bei welchen sieb ohnehin damals bereits die politische Anhäng-
lichkeit an Deutschland ziemlich verwischt hatte, nickt gar so
übel anrechnen, wenn dieselben dem im spanischen Snccessions-
kriege ansgekommenen LLiedervcreinignngsgedanken gegenüber
sich äußerst kühl verhielten, vom Reicbe nichts mehr wissen
wollten, nicht die geringste Svmpathie für die siegreichen, mehr
als einmal ibre Marken betretenden Heere des Prinzen
Gttgen und ebensowenig irgend eine Neigung znm Abfalle
von der französischen Sache an den Vag legten. Im Gegen-
teile klagten die kaiserlichen Feldherrn über das überaus feind-
selige Verballen Clraßbnrgs gegen die Reickstrnppen. Der
Ulreckier und noch mehr der Baden Rastaller Friede, bei dessen
Vorverhandlungen sieb Prinz Sn gen noch mit Mühe neuer
französischer Ansprüche ans die früher in gallischem Besitze
gewesenen Plätze Lauda», Breisach und Philippsbnrg zu er-
wehre» hatte, machte dann all' diesen früher so günstig ge-
wesenen Ehanceii ans lange binein gründlich ein Ende. Fortan
kam der elsäßiscbe Besitz Frankreichs bei den zahlreichen terri-
torialen Veränderungen, welche das IN Jahrhundert in einer
langen Reihe von Verwicklungen mit sich brachte, nicht mehr
ernstlich in Frage und galt das Redditionsprojekt für abgethan.
Vielmehr gewann Frankreich eine neue Festigung, Vermehrung
lind Abrundung seiner elsäßischen Position durch die im Jahre
1766 bezw. 1766 erfolgte Verzichtleistnng des Hauses Loth-
ringen ans sein altes Slammland, welches freilich schon nach
allen Seiten von Frankreich eingeengt und — wie sich nicht
verkennen laßt — bereits längst vorher stark verwelscht, aber
doch immerhin noch ein fremdes Gebiet tvar; lind die bis-
herige 'langjährige Antagonie Frankreichs gegen Oesterreich
wandelte sich, wenn auch nur ans kurze Zeit, in Freundschaft
um. Schott »ach wenigen Jahren, anno 1746, drang ein
Lothringer, der Herzog Varl, im österreichischen Erb-
folgekrieg über den Rhein vor, und der „H n s a r e nm e nz e l"
unternahm mit dem „P andnrentrenck" und Nadasdy im
August desselben Jahres einen kühnen Fug bis tief nach
Lothringen hinein, wobei diese Führer der vor den wilden

Scharen angsterfüllten Bevölkerung von Elsaß-Lothringen und
Burgund in Proklamationen und Manifesten die Befreiung
von dem „unerträglichen, französischen Joche" ankündigten
und an ihre deutsche Abstammung und Geschichte appellierten.
Allein — dies zog nicht mehr; der damalige Zustand Deutsch-
lands, die Fehde zwischen dem Gegenkaiser Karl (Albert) VII. und
Maria Theresia, der Blind eines Teiles der deutschen Fürsten
mit Frankreich waren gewiß nicht dazu angethan, den Elsaß-
Lothringern eine günstige Meinung von den damaligen Ver-
hältnissen ihres Mutterlandes beiznbringen und die ohnehin
unter denselben schon ganz erloschenen Sympathien für das
Deutsche Reich wieder anznfachen. Bezeichnenderweise wurde
kurz nach dem österreichischen Einfall der voll seinem Kran-
kenlager sich erhebende König Ludwig XV. bei einem Besuche
Straßbnrgs daselbst mit grenzenlosem Jubel empfangen und
wie ein Halbgott gefeiert. Der Einfall Friedrichs des Großen
in Böhmen im Sommer 1744 nötigte die Oesterreicher znm
schleunigen Rückzug ans dem Elsaß. Im ganzen Erbfolgc-
krieg wurde von Oesterreich kein weiterer Versuch mehr ge-
macht, den Besitz Elsaß-Lothringens den Franzosen streitig zu
machen; Menzel selbst, der eine patriotische Ader hatte, fand
bald darauf im Juni 1744 seinen Tod am Rhein. Dem
großen Friedrich war es zwar nickt entgangen, daß die
Grenze Frankreichs nach Deutschland „wie der offeile Nachen
eines Löwen sei, der zwei Reihen drohender und furchtbarer
Fähne zeige und Miene mache, alles verschlingen zu wollen",
allein — noch war die Zeit, den Löwen znrnckzntreiben, nicht
gekommen und hatte er seine Kraft und Macht vorerst gegen
eine andere Seite zu wenden, um hiedurch dereinst die Ver-
änderung der politischen Karte Europas vorznbereite». Eben-
sowenig tvar iil der Revolutionszeit irgend etwas von deut-
schen Sympathien im Elsaß und noch weniger in Lothringen
zu verspüren. Ein großer Teil der Bevölkerung wurde von
der netten freiheitlichen Bewegung, welche sie freilich anfangs
mehr voll der idealistischen Seite anffaßte, mächtig ergriffen;
und machte dieselbe unter leidenschaftlicher Beteiligung zugleich
an dem Kampfe gegen die einrückenden Heere nach mehrfachen
Wandlungen getreulich mit; ist doch gerade in Straßbnrg das
„hohe Lied" der Revolution, die Marseillaise von Ronget
de l'Isle gedichtet, komponiert und auch znm erstenmale vor-
getragen worden. Gemäßigt blieben zwar die Elsäßer, radikale
Ausnahmen abgerechnet, so lange es ging, immer etwas; man
gründete i. I. 1790 den „großen rheinischen Völkerbund",
tanzte und hüpfte mit blan-weiß-roten Schärpen und den
„Incroyable" ans das Haupt gestülpt um den Bnndesaltar,
pflanzte deutsche Eichen und schwärmte, für eilte „freie fränkische
'Nation", gründete Volksgesellschaften, sogar Knabenklnbs, und
stichle dem Schreckenssystem so lange als möglich ans dem
Wege zu gehen. Weil sie mit der rapiden revolutionären
Entwicklung nicht Schritt zu hatten vermochten, hielten die
Franzosen, welche schon lange nicht ohne Mißtrauen auf die
deutsche Grenzstadt geblickt, sie nicht nur hinter ihren weit
vorgeschrittenen Freiheilsideen politisch znrückgebtieben, sondern
sie mußten anch jeden Augenblick gewärtig sein, eben weil sie
Elsäßer waren, als Verräter angeklagt und des Einverständ-
nisses mit dein Feind beschuldigt zu werden. Daran war in-
des nicht eine Spur; bloß der Erzbischof von Straß-
bnrg, der bekannte Cardinal Prinz Nohan, welcher sich
alsbald bei Ausbruch des Freiheitsstnrmes geflüchtet, stickte
beim Deutschen Reiche, dessen Glied er noch seih!), um
Hilfe gegen die Vergewaltigung, insbesondere gegen die Ein-
ziehnng der geistlichen Güter und wider die Priestervereidnng
nach, wozn der „Monitenr" von 1789 die auffallende Be-
 
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