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derlassuug in Ulm, die ums Jahr 1219 erfolgte, bauten die
Frauziskauer-Barfüßer ein Kloster gegenüber dem Löweuthor
und nicht lange hernach eine große stattliche Kirche, die nach
der Erbauung des Münsters den Namen „das Kirchle" er-
hielt. Im Spitzbogenstil erbaut und innen mit Wandgemälden
geschmückt, blieb sie bis zum Jahre 1531 Klosterkirche. Im
Jahre 1554 wurde sie deu ihrem Glauben treugebliebeneu
Katholiken der Stadt znm gottesdienstlichen Gebrauche einge-
räumt, ihneu jedoch im Jahre 1569 auf Audriugeu des Pfarrers
und Superintendenten Rabus wieder entzogen. Im Jahre 1603
hat man die ziemlich vergangene Kirche soweit hergerichtet,
daß mau protestantischen Gottesdienst darin halten konnte.
Namentlich hielten die Predigtamtskandidaten ihre Probe- und
Uebungspredigteu darin ab. Vergeblich forderte der Abt von
Reichenau nach dem Nestitntionsedikt von 1629 das Kirchle vom
Magistrat der Stadt für die Katholiken Ulms zurück. Als Ulm
unter bayerischer Herrschaft stand, wurde im Jahre 1808 das
„Kirchle" ausgeräumt, um es zu einem Mauthauö mit Wage
herzurichteu. Bei diesem Anlaß wurden drei metallene Särge
gefunden, einer von Zinn und zwei von Kupfer. Der zin-
nerne enthielt die Leiche eines Freiherrn zu Teuffenbach, in
den kupfernen Särgen lagen die Leichen des schwedischen Obersts
Marx von Rehlingen und des gewesenen Rittmeisters Kourad
von Rehlingen. Mit deu Leichen wurde so schmählich um-
gegaugeu, daß der Schluß eines damals verbreiteten Lieds
lautet:
Kommt, Freunde, kommt, bei Irokesen
Jst's besser, als am Donaustraud.
Mail treibt das inhumanste Wesen
In dem humanen Bayerland.
Spätere Versuche der Katholiken Ulms das Kirchle als
Hilfskirche für die zu klein gewordene katholische Stadtpsarr-
kirche zu erhalten, schlugen fehl. Im Jahre 1877 wurde es
abgebrochen, um für das Münster einen großen, freien Platz
zu schaffen.
Wir kommen nun zu der Prediger- oder Domiuikaner-
kirche. Auch die Dominikaner oder Predigerbrüder bauten bald
nach ihrem Einzug in die Stadt, der 1281 erfolgte, eine ge-
räumige Klosterkirche an der Stelle, wo jetzt die Dreifaltig-
keitskirche steht. Von ihrem hohen Alter zeugt heute noch
ein Steindenkmal vom Jahre 1298, das sich hinter dem Chor-
altar befindet und sich auf den Ulmer „Kraft" bezieht, welcher
der Stifter des Klosters und der Kirche gewesen ist. Die
Kirche blieb Klosterkirche bis zum Abzug der Predigerbrüder
im Jahre 1531. Damit hörte sie auf, dem katholischen
Gottesdienst zu dienen. Im Jahre 1547 aber ließ Kaiser-
Karl V. während seiner Anwesenheit in Ulm in der Domini-
kanerkirche durch Augustiuerchorherren katholischen Gottesdienst
halten. Im Jahre 1371 erneuert und umgebaut, war sie
nach zwei Jahrhunderten den Chor ausgenommen so baufällig ge-
worden, daß sie abgebrochen werden mußte. Als im Jahre
1617 das Reformationsjubiläum in Ulm festlich begangen
wurde, beschloß die Stadt zum Andenken an dasselbe eine
neue Kirche, die Dreifaltigkeitskirche, zu bauen. Der Grund
wurde noch im gleichen Jahre gelegt. Der Baumeister war
Martin Buchmüller, welcher Familie mehrere Ulmer Bau-
meister augehören. Der Bau der Kirche wurde 1621 vollendet
und dieselbe am 17. September 1621 eingeweiht. In neuester
Zeit ist sie einer geschmackvollen Restaurierung unterzogen
worden.
Der herrlichste Schmuck, die schönste Zier Ulms aber
war und ist sein Liebfrauenmünster. Die großartigsten Kirchen,
welche deutsche Frommheit, deutscher Kunstfleiß und deutsche
Ausdauer gebaut hat, stehen an deu zwei größten und schönsten
Strömen im Deutschen Reich, am Rhein und an der Donan.
Zwei begrüßt die Donau in ihrem Lauf, das Münster in
Ulm und den Dom in Regensburg, der Rhein aber deu Dom
in Köln. Ein Turm überragt alle, wenn er ausgebaut ist,
selbst die Niesentürme des Kölner Doms, der Turm des
Ulmer Münsters, der eine Höhe von 475 Fuß erreichen soll.
Unbekannt ist der Name des Meisters, welcher deu groß-
artigen Plan entworfen. Die Gläubigkeit der Zeit gab den
Geist für solch kühne Entwürfe, das blühende Knnstleben der
Stadt förderte sie und ihr großer Wohlstand gab die Mittel
zur Ausführung. Um einen Bauplatz für das Münster zu
gewinnen, mußten einige Privathäuser, darunter eine Badstube,
erworben und niedergerissen werden. Auch mußten die Fran-
ziskaueriuneu des dritten Ordens ihren Garten und ihr Kloster,
ebenso die Barfüßer einen Teil ihres Gartens hergeben. Znm
Fundament hatte man eine 50 Fuß tiefe Grube gegraben.
Am Dienstag den 30. Jnli 1377 wurde der Grundstein ge-
legt. Der regierende Bürgermeister Ludwig Kraft stieg nach
Beendigung des kirchlichen Aktes in die Grnbe und legte 100
Goldgulden, etwa 2000 Mark auf deu Stein. Seinem Bei-
spiele folgten die andern Geschlechter der Stadt, der alte
Bürgermeister Johannes Echinger, genannt Habvast, der Städte-
hauptmanu Konrad Besserer, die Mitglieder des Rates und
andere Vornehme und Edle mit namhaften Beiträgen, so daß
man mit dieser Beisteuer allein schon deu Bau eine Zeit lang
fortsetzen konnte. Von da an kamen immer neue Stiftungen,
Schenkungen, Vermächtnisse, Beiträge in Geld und Naturalien
zusammen. Diese Almosen alle hörten in 117 Jahren, so
lange der Bau dauerte, nicht ans. Viel Geld zum Bau floß
von dem Ablaß, den Bonisaz IX. am 1. Januar 1400 gewährt
hatte. Er verlieh ihn mit allen Vorteilen, wie er deu Pilgern
nach Einsiedelu am Feste Kreuzerhöhung zu teil wurde, allen
denen, welche jährlich am Feste des hl. Johannes des Täufers
und den drei daranf folgenden Tagen im Münster in Ulm die
hl. Sakramente empfangen und seinem Ausbau und seiner Erhal-
tung beisteuern würden. Keine geringe Einnahme warfen die
Schenkungen von Kleidungsstücken, Mänteln, Wämsern, Hosen,
Kappen, Hüten, von Tuch, Leinwand, Bettgewand, Betten,
Möbeln und allerlei Hansrat ab, selbst die Aermsten wollten
mit ihrer kleinen Spende nicht Zurückbleiben.
(Fortsetzung folgt.)
Miszellen.
Wie m a n i m M o r g e n l a n d e über dieStatistik ie. denk t.
Ein Reisender, der in eine syrische Stadt kam nnd mit ausgezeichneten
Empfehlungen versehen, um einige statistische nnd geschichtliche Mit-
teilungen ersuchte, erhielt, wie man der „Täglichen Rundschau"
schreibt, folgenden Bescheid: „Mein erhabener Freund, Freund meines
Lebens, was du von mir wissen willst, ist sowohl schwierig als unnütz.
Obwohl ich mein Leben lang an diesem Orte gewohnt, so habe ich doch
weder die Häuser noch die Bewohner gezahlt. Was der eine ans seine
Schultern ladet oder der andere in sein Schiss verpackt, geht mich
nichts an. Vor allem aber, was die früheren^Verhältnisse dieser
Stadt betrifft, so weiß nur der Himmel, wie viel Schmutz nnd Unrat
die Ungläubigen gegessen haben mögen, ehe das Schwert des JslamS kam
nnd die Welt reinigte. Es wäre für uns überflüssig, darnach zu
fragen. O, mein Herz, mein Freund, o, mein Lamm, forsche^ also doch
nicht nach Dingen, die dich nichts kümmern! Du konnnst zu uns,
und wir heißen dich willkommen. Geh' hin nnd zieh' im Frieden!" —
Schöne Aussichten das für Forscher und Statistiker!! -cü.
Stuttgart, Bnchdrnckerei der Aktiengesellschaft „Deutsches Volksblatt
derlassuug in Ulm, die ums Jahr 1219 erfolgte, bauten die
Frauziskauer-Barfüßer ein Kloster gegenüber dem Löweuthor
und nicht lange hernach eine große stattliche Kirche, die nach
der Erbauung des Münsters den Namen „das Kirchle" er-
hielt. Im Spitzbogenstil erbaut und innen mit Wandgemälden
geschmückt, blieb sie bis zum Jahre 1531 Klosterkirche. Im
Jahre 1554 wurde sie deu ihrem Glauben treugebliebeneu
Katholiken der Stadt znm gottesdienstlichen Gebrauche einge-
räumt, ihneu jedoch im Jahre 1569 auf Audriugeu des Pfarrers
und Superintendenten Rabus wieder entzogen. Im Jahre 1603
hat man die ziemlich vergangene Kirche soweit hergerichtet,
daß mau protestantischen Gottesdienst darin halten konnte.
Namentlich hielten die Predigtamtskandidaten ihre Probe- und
Uebungspredigteu darin ab. Vergeblich forderte der Abt von
Reichenau nach dem Nestitntionsedikt von 1629 das Kirchle vom
Magistrat der Stadt für die Katholiken Ulms zurück. Als Ulm
unter bayerischer Herrschaft stand, wurde im Jahre 1808 das
„Kirchle" ausgeräumt, um es zu einem Mauthauö mit Wage
herzurichteu. Bei diesem Anlaß wurden drei metallene Särge
gefunden, einer von Zinn und zwei von Kupfer. Der zin-
nerne enthielt die Leiche eines Freiherrn zu Teuffenbach, in
den kupfernen Särgen lagen die Leichen des schwedischen Obersts
Marx von Rehlingen und des gewesenen Rittmeisters Kourad
von Rehlingen. Mit deu Leichen wurde so schmählich um-
gegaugeu, daß der Schluß eines damals verbreiteten Lieds
lautet:
Kommt, Freunde, kommt, bei Irokesen
Jst's besser, als am Donaustraud.
Mail treibt das inhumanste Wesen
In dem humanen Bayerland.
Spätere Versuche der Katholiken Ulms das Kirchle als
Hilfskirche für die zu klein gewordene katholische Stadtpsarr-
kirche zu erhalten, schlugen fehl. Im Jahre 1877 wurde es
abgebrochen, um für das Münster einen großen, freien Platz
zu schaffen.
Wir kommen nun zu der Prediger- oder Domiuikaner-
kirche. Auch die Dominikaner oder Predigerbrüder bauten bald
nach ihrem Einzug in die Stadt, der 1281 erfolgte, eine ge-
räumige Klosterkirche an der Stelle, wo jetzt die Dreifaltig-
keitskirche steht. Von ihrem hohen Alter zeugt heute noch
ein Steindenkmal vom Jahre 1298, das sich hinter dem Chor-
altar befindet und sich auf den Ulmer „Kraft" bezieht, welcher
der Stifter des Klosters und der Kirche gewesen ist. Die
Kirche blieb Klosterkirche bis zum Abzug der Predigerbrüder
im Jahre 1531. Damit hörte sie auf, dem katholischen
Gottesdienst zu dienen. Im Jahre 1547 aber ließ Kaiser-
Karl V. während seiner Anwesenheit in Ulm in der Domini-
kanerkirche durch Augustiuerchorherren katholischen Gottesdienst
halten. Im Jahre 1371 erneuert und umgebaut, war sie
nach zwei Jahrhunderten den Chor ausgenommen so baufällig ge-
worden, daß sie abgebrochen werden mußte. Als im Jahre
1617 das Reformationsjubiläum in Ulm festlich begangen
wurde, beschloß die Stadt zum Andenken an dasselbe eine
neue Kirche, die Dreifaltigkeitskirche, zu bauen. Der Grund
wurde noch im gleichen Jahre gelegt. Der Baumeister war
Martin Buchmüller, welcher Familie mehrere Ulmer Bau-
meister augehören. Der Bau der Kirche wurde 1621 vollendet
und dieselbe am 17. September 1621 eingeweiht. In neuester
Zeit ist sie einer geschmackvollen Restaurierung unterzogen
worden.
Der herrlichste Schmuck, die schönste Zier Ulms aber
war und ist sein Liebfrauenmünster. Die großartigsten Kirchen,
welche deutsche Frommheit, deutscher Kunstfleiß und deutsche
Ausdauer gebaut hat, stehen an deu zwei größten und schönsten
Strömen im Deutschen Reich, am Rhein und an der Donan.
Zwei begrüßt die Donau in ihrem Lauf, das Münster in
Ulm und den Dom in Regensburg, der Rhein aber deu Dom
in Köln. Ein Turm überragt alle, wenn er ausgebaut ist,
selbst die Niesentürme des Kölner Doms, der Turm des
Ulmer Münsters, der eine Höhe von 475 Fuß erreichen soll.
Unbekannt ist der Name des Meisters, welcher deu groß-
artigen Plan entworfen. Die Gläubigkeit der Zeit gab den
Geist für solch kühne Entwürfe, das blühende Knnstleben der
Stadt förderte sie und ihr großer Wohlstand gab die Mittel
zur Ausführung. Um einen Bauplatz für das Münster zu
gewinnen, mußten einige Privathäuser, darunter eine Badstube,
erworben und niedergerissen werden. Auch mußten die Fran-
ziskaueriuneu des dritten Ordens ihren Garten und ihr Kloster,
ebenso die Barfüßer einen Teil ihres Gartens hergeben. Znm
Fundament hatte man eine 50 Fuß tiefe Grube gegraben.
Am Dienstag den 30. Jnli 1377 wurde der Grundstein ge-
legt. Der regierende Bürgermeister Ludwig Kraft stieg nach
Beendigung des kirchlichen Aktes in die Grnbe und legte 100
Goldgulden, etwa 2000 Mark auf deu Stein. Seinem Bei-
spiele folgten die andern Geschlechter der Stadt, der alte
Bürgermeister Johannes Echinger, genannt Habvast, der Städte-
hauptmanu Konrad Besserer, die Mitglieder des Rates und
andere Vornehme und Edle mit namhaften Beiträgen, so daß
man mit dieser Beisteuer allein schon deu Bau eine Zeit lang
fortsetzen konnte. Von da an kamen immer neue Stiftungen,
Schenkungen, Vermächtnisse, Beiträge in Geld und Naturalien
zusammen. Diese Almosen alle hörten in 117 Jahren, so
lange der Bau dauerte, nicht ans. Viel Geld zum Bau floß
von dem Ablaß, den Bonisaz IX. am 1. Januar 1400 gewährt
hatte. Er verlieh ihn mit allen Vorteilen, wie er deu Pilgern
nach Einsiedelu am Feste Kreuzerhöhung zu teil wurde, allen
denen, welche jährlich am Feste des hl. Johannes des Täufers
und den drei daranf folgenden Tagen im Münster in Ulm die
hl. Sakramente empfangen und seinem Ausbau und seiner Erhal-
tung beisteuern würden. Keine geringe Einnahme warfen die
Schenkungen von Kleidungsstücken, Mänteln, Wämsern, Hosen,
Kappen, Hüten, von Tuch, Leinwand, Bettgewand, Betten,
Möbeln und allerlei Hansrat ab, selbst die Aermsten wollten
mit ihrer kleinen Spende nicht Zurückbleiben.
(Fortsetzung folgt.)
Miszellen.
Wie m a n i m M o r g e n l a n d e über dieStatistik ie. denk t.
Ein Reisender, der in eine syrische Stadt kam nnd mit ausgezeichneten
Empfehlungen versehen, um einige statistische nnd geschichtliche Mit-
teilungen ersuchte, erhielt, wie man der „Täglichen Rundschau"
schreibt, folgenden Bescheid: „Mein erhabener Freund, Freund meines
Lebens, was du von mir wissen willst, ist sowohl schwierig als unnütz.
Obwohl ich mein Leben lang an diesem Orte gewohnt, so habe ich doch
weder die Häuser noch die Bewohner gezahlt. Was der eine ans seine
Schultern ladet oder der andere in sein Schiss verpackt, geht mich
nichts an. Vor allem aber, was die früheren^Verhältnisse dieser
Stadt betrifft, so weiß nur der Himmel, wie viel Schmutz nnd Unrat
die Ungläubigen gegessen haben mögen, ehe das Schwert des JslamS kam
nnd die Welt reinigte. Es wäre für uns überflüssig, darnach zu
fragen. O, mein Herz, mein Freund, o, mein Lamm, forsche^ also doch
nicht nach Dingen, die dich nichts kümmern! Du konnnst zu uns,
und wir heißen dich willkommen. Geh' hin nnd zieh' im Frieden!" —
Schöne Aussichten das für Forscher und Statistiker!! -cü.
Stuttgart, Bnchdrnckerei der Aktiengesellschaft „Deutsches Volksblatt