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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 8.1891

DOI Artikel:
Beck, Paul A.: Zwei katholische Stimmen über den Ulmer Dom: zum Jahrtag des Ulmer Münsterjubiläums von 1890
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https://doi.org/10.11588/diglit.20200#0052

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schwelt r,

P' schaffen unternahm. Hier blühte ein reges Knnst-
tzA Af ^a^ren Mittelalter, ausgezeichnete Baumeister uud
fchncher ?r>Soirroi-

wareu hier daheim, würdige Meister der Malerei
sailc, ^ oberdeutschen Schule, endlich erhielt sich der Meister-

4eü "Tö^Wneter Zunft hier am allerläugsten bis in unsere
* r 1111^1 111,Pich

>Ne T^v ^ktzte Meistersäuger starb, wenn ich mich nicht
P/Ast Jahre 1838, uud das kostbare Vermächtnis der
bsche!, 0" federn, Kränzen, allerlei Kleinodien fiel der städ-

schöne,^» anheim. öffentlichen Werteil ans jener

^unstzeit sind in der Stadt nicht gar viel zu sehen.
c>iß deiu ^ ^ reiner, frischer Schönheit, das ist der Brunnen

1-t82. Marktplatz vor dem Rathaus von Jörg Syrlin von

Olank ^ ^ wie gewachsen, wie ein Gewinde ans zarten
»»d A/Blättern, ulit geschmackvollen Figuren verziert
dvn An jener kalten Allegoriensncht, welche spätere Meister
ge^» Italienern eingeschleppt haben, und die oft gelehrt
um so ärmer an unmittelbarem Leben auösehen.
»schj. Meßmer noch die llrsache, warum die Knnstthätigkeit
ü»f Produkte hervorgebracht, ans die Konzentrierung
" un^henres Werk, ans das riesige, ehrwürdige, in

'»itte

stht

>l der Stadt sich erhebende Münstergebäu zurückgeführt,

fort A, ans dasselbe ein. Es ist — so fährt Meßmer

Tchif^ einem Hanptturm über dein Eingang und fünf
»vch ^^n^elegt; an zwei anderen Türmen am Chor ist fast
^arbeitet. Seine Länge ist 432', seine Breite
^ncm A HbA des Mittelschiffes 141h die der Seitenschiffe
erlich. .^-Este, die des Chors 90'! Der Turm sollte 520'
die ^ aber nur bis 234' gediehen, die moderne Kappe,

abgerechnet. Es ist weilans das größte unter
»eb^ 'j ^beten Gotteshäusern in Deutschland. Geht man
ühen 'A hinten um deir Ban, so macht er nicht den köst-
^üsel c>"^'uck der früher beschriebenen deutschen Dome (zu
stach/n^'burg i. Br., Straßburg, Speier, Mainz, Köln,
schien A'' Meßmer damals gleichfalls mit seinem
llilZ m/A'^'blicke besichtigt). Die Seitenschiffe sind großen-

l»>s

nicht

aus dem edlen Material des Sandsteins, sondern

^Ni>cheich'?^ten Ziegeln gebaut (wie die Frauenkirche zu

Al .A Wände sind ganz einfach ohne den Schmuck
s.^beboa/" , ""d es fehleil die herrlichen
!M si„ch die vier Portale air der Nord- und Süd-

^ rnl^ AAlt einfach und die Skulpturen daran sind kind-

--u.) culsacy nnv die (
At; ch.s ^ Luders aber ist es, wenn man vor die Fassade
^'aßhmO ^'bt an Elegairz und Großartigkeit kaum dem
An Münster etwas nach. Sie besteht ans drei
H^ere weit bis jetzt der Turnt vollendet ist. Das

chr^/Nthält

Ach lve'tv"" einmal eine herrliche Vorhalle von drei Bogen,
Ae ArchiAA"u sl>m gedoppelten Hanptportal eintritt. Herr-
Pchge und meisterhafte Skulptnrwerke in großer
MierHAAu diesen Eingang; rechts und links sollten zwei
A'bMAAstue in die Seitenschiffe führen, eitles ist leider

zweite Stockwerk umfaßt nur ein riesengroßes
c,A ^ittelill-mA^/ swrrlicher Arbeit, den Tlirm dllrchbricht und
E'n angxA st beleuchtet. Das dritte Stockwerk, dem Turm

V aimxs/V
^.^chier. bildet zwei schmälere, aber ungeheuer hohe

n ^wei ;a)inalere, aver ullgeyelier yoye
gebracht TH bwseu ist eine Galerie voll blühender Pracht
l^chtsen'i-> sollte das Achteck daraus emporspritlgeil uud
An da ^boamide mit der Krenzesrose das Werk krönen,
chöltea .AAchle die Liebe und die Kraft. Von den
i, Mn AAtnisten, deit geschmackvollen Verflechtungen der
? ^i„xr eili^n ^inen Stab- und Blätterwerk kann man
An^ ^ ökn Skizziernng ohnehin nicht rede». Dieser Ban
Kr ür ^ begoilneti unter dem Bürgermeister
aßt (welcher an einer Säule abgebildet ist, wie er

den Ban der Mutter Gottes übergiebt!) von Meister Heinrich;
100 Jahre darauf waren die Schisse vollendet, der Turm
wurde ungefähr 1500 von Burkhard Eugelberger aufgeführt.
Treten wir nun ein wenig ins Innere. Die Höhe und
Großheit ist ergreifend, vom Chore schimmern noch die alten
Farbenfenster, die Schiffe haben sie leider nicht mehr. Bei
näherer Betrachtung kann indes der Ban einen Vergleich mit
den Müllstern zu Freibnrg, Straßbnrg und Köln nicht ans-
halten. Das Gesetz der germanischen Baukunst ist nicht mit
jener Reinheit empfunden und dnrchgeführt. Erstens nämlich
fehlt das Qnerschiff, es ist kein Kreuz. Dann sieht man viel
massenhafte Wand und die Fenster sind schmal. Dieses selbe
Vergessen spürt man an den Säulen der Seitenschiffe; es sind
keine Säulenbündel, sondern einfache, runde, sehr schlanke
Säulen. Dagegen ist der Dom an Ueberbleibseln altdeutscher
Ausschmückung reicher, als die meisten seiner Brüder. Der
Hanptschmnck ist ein Sakramenthans voll 96' Höhe voll Adam
Kraft, dem Nürnberger Meister (was bekanntlich nicht richtig sein
soll, sondern (nach Häßler) von dem ziemlich apokryphen „Meister
von Weingarteil") um 1469 mehr gedichtet als ans Stein ge-
hallen. Welch ein Reichtum, welche Schönheit und Leichtigkeit!
Der ebenso schöne Taufstein, die Kanzeldecke, die Chorstühle von
Hans Syrlin stehen ihm würdig zur Seite. Der Choraltar
enthält schönes Schnitzwerk und Malereien voll Martin
Schaffner. An den Pfeilern springen Piedestal und Dächer
für Statuen von dem feinsten Geschmack und voll phantastischen
Reichtums hervor — außerdem sind ein paar wohlerhaltene
Kapellen eingebaut. Null geht Meßmer zu Reflexionen über,
bei welchen eine berechtigte Entrüstung über die dem Innern
des Münsters bei der Bilderstürmerei widerfahrene Schändung
aus ihm heransspricht — war doch der Greuel der Ver-
wüstung in die heiligen Halleil des hehren Gotteshauses ge-
drungen, iil das kurz zuvor noch die kirchliche Kunst mit all
ihrer Pracht und Herrlichkeit ihren Einzug gehalten hatte!
Man muß wieder —- so klagt er — das leidige Lied über
Verwüstung anstimmen. Was soll das Sakramenthalls ohne
Sakrament? der Hochaltar ohne Opfer? die Piedestale ohne
Standbilder der Heiligen? Denn diese sind zertrümmert! Außer
den vielen Wappenschildern ist ohnehin alles öde, tote Mauer,
die Schiffe haben keinen andern Schmuck, als rohe Sitzbänke
kreuz und quer, vor- und rückwärts gekehrt, ein Haufen, der
sämtlich iil den Ofen gehörte. Ein geistreicher Priester ans
Oesterreich — war's nicht Meßmer selbst? — soll einmal
ans die Kanzel gestiegen sein und, von einigen Protestailten
höhnisch anfgefordert, ihnen eine Predigt zu halten, herunter-
gernfen haben: „Mein Halls ist ein Bethans, ihr aber habt
es ll. s. w." Das war am Platze. Mail restauriert auch
hier, aber man kann nur wieder sageil: das stellt nur wieder
die katholische Liebe und Zartheit zum Hause Gottes her!
Als echter Sohn der Alpen ließ es sich Meßmer nicht neh-
men, zum Turm ganz hinanfzusteigen. Das Besteigen des-
selben ist nach seiner Anschauung schon aus dem Grunde ein
Hochgenuß, weil er eine entzückende Aussicht weit und breit
darbietet. Man erblickt im Südosteil lind Westeil die Tiroler
und Schweizer Alpen, im Osten sieht mail bis über Dillingen,
ringsum die hügelbelebte Fläche mit der schönen grünen Donau
und unter sich die ernste alte Stadt mit ihrem Kranze neuer
furchtbarer Festungswerke. Wenn man das alles so betrachtet hat,
weilt man, unten wieder angekommen, noch besonders gerne an
den Sknlptnrwerken des Hanptportalö, die in hohem Grade ori-
ginell und naiv sind. Den alten hllsitisch-demokratischen, seit Wat-
Tyler, dem ersten Sozialdemokraten, voll dessen Anhängern und
Nachtretern von Zeit zu Zeit immer wieder aufgestellten Spruch:
 
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