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Beck, Paul [Editor]; Hofele, Engelbert [Editor]; Diözese Rottenburg [Editor]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 8.1891

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Holl, Joseph: Weißenhorn im Bauernkrieg von 1525: historische Skizze
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https://doi.org/10.11588/diglit.20200#0083

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78

Am 18. Februar versammelteil sich etliche Bauern uud
Hintersassen, so zu dem Gotteshaus Noggenburg zugehörig
waren, hier zu Weißeuhoru in einem Wirtshaus. Sie hatten
eine Besprechung, thaten jedoch, als ob sie mit einander
trinken wollten. Da machten sie den Anfang ihres Unglücks.
Ein Hansen suchte bei dem andern Rat. Die nicht mit ihnen
sein wollten, denen wollten sie die Gemeinde verbieten, Pfähle
vor die Häuser schlagen und sie verbrennen. Wer in ihre
Bruderschaft wollte, der mußte zwei Kreuzer Einschreib-
gebühr geben.
Zuerst war ihre Klage und ihr Unternehmen gegen ihre
Herren und Obrigkeiten gerichtet; sie klagten, daß sie mit
Diensten, mit der Gült und Leibeigenschaft beschwert seien.
Davon fielen sie ganz und gar ab, und es kam in sie der
Geist (ich meine des Teufels Geist). Sie wollten das Evan-
gelium und Wort Gottes anfrichten; da es lang unter der
Bank gelegen, wollten sie es hervorziehen.
An vielen Orten gingen die Bauern zu ihren Pfarrern.
Sie sagten, es sei Meinung und Befehl ihrer Obern, daß sie
das Gotteswort lauter und klar im Geist ohne alles mensch-
liche Zuthun predigten, lauter und klar nach dem Text; die
nicht mit ihnen heben und legen wollten, sollten von ihren
Pfarreien und Pfründen ziehen. Sie wollten auch an vielen
Orten die Kelche ans den Kirchen nehmen; ja sie thaten es
und rüsteten sich mit dem Geld. Wo die Kirchen Geld hatten,
nahmen sie es. Wo sie in den Dörfern Gemeindegnt hatten,
versetzten sie es und nahmen Geld darauf.
Auch wählten sie unter ihren Hansen Hanptlente und
Räte und artikulierten, wie sie ihr Regiment halten wollten.
Ihre Räte schickten sie nach Ulm vor die Räte des
schwäbischen Bundes, um ihr Vorhaben vorznhalten. Die
bündischen Räte zogen die Sache hinaus solange sie konnten
und mochten. Mittlerweile rüsteten sie sich zur Gegenwehr.
Dies war auch notwendig, denn die Bauern waren sehr
stark an allen Orten versammelt. Fürsten, Grafen, Prälaten,
der gemeine Adel verhandelten mit ihren Unterthanen, sie
waren bereit, ihnen Brief und Siegel zu geben, daß sie ihnen
freiwillig Nachlassen wollten, was die andern Bauern beim
schwäbischen Bund zuwege brächten, wenn sie still sitzen und
daheim bleiben wollten. Etliche Bauern um uns nahmen es
an, fielen aber schnell wieder ab; sie wollten kurzweg eigene
Herren sein. — Darauf zogen die Edellente, die nicht guten,
festen Sitz hatten, weg in ihr Gewahrsam, desgleichen die
Prälaten ans den Klöstern und die Priester jeder an sein
Gewahrsam. Unter den Bauern waren „feine Bnberlach"
(abgefeimte Buben). Sie versammelten sich oft in ihren
Lagern. Wann sie etliche Tage beisammen waren, lösten sie
einander ab und mußten wieder andere kommen.
Es waren auch etliche hier (in Weißenhorn) und nicht die
wenigsten, die ein Wohlgefallen ob den Bauern hatten und
oft zu ihnen in ihr Lager ritten und gingen.
In diesem Bericht schildert der Weißenhorner Chronist
sehr anschaulich, wie sich die Dinge im ersten Vierteljahr etwa
bis gegen Ende März von Stufe zu Stufe entwickelten.
Erst waren es möglichst geheim gehaltene Konventikel,
wo die Rädelsführer ihre Pläne thnnlichst zahm entwickelten
und das Feuer ansachten; dadurch entstanden einzelne Bauern-
bruderschasten, die unter einander in Verbindung standen.
Durch Drohung und Gewalt wurden die Schwankenden
herbeigezogen. Die Organisation entwickelt sich durch eigene
Führer und Räte. Zur Förderung der Vereinszwecke braucht
man Geld, bei dessen Beschaffung man die bestehende Rechts-
ordnung nicht achtet, da man sie eben dadurch stürzen will.

Erst verhandelt man, obwohl keine Seite der andern
trauen und das Wort halten will; dann kommt es zu Gewalt'
thätigkeiten. Erst will man die soziale Lage des gemeine»
Mannes verbessern, dann kommt die Vermengung mit der
Religion; sie muß die Phrasen und Schlagwörter leihen, w>-"
mit man die Massen hetzt und fanatisiert.
Fügen wir, ehe wir weiter gehen, dem Berichte einige
Bemerkungen bei.
1) Daß der arme Mann gegen den Neichen, der U»^(
than gegen die Obrigkeit Unzufriedenheit hegt und äußerk
das ist zu allen Zeiten vorgekommen und wird, solange ^
Welt steht, nie ganz anfhören. Im Mittelalter, w>H,^
Bauern ihre frühen: Freiheiten an geistliche und weG"

Herrschaften mehr und mehr verloren, durch schädlichen

Wild'

stand, Fronen, Abgaben, Leibeigenschaft, Rechtsnnst
schwer gedrückt wurden, kamen Aufstände häufig vor.
hieß solche aufständische Vereinigungen „Bundschuh"

cherhelt

Dies
kam daher, weil die Ritter und Freien vorherrschend Stifts
trugen, die gemeinen unfreien Leute aber Schuhe, die ^
Knöchel an aufwärts gitterartig mit Riemen gebunden wlN^
Nicht selten steckten die Aufständischen so einen Bundschuh ^
eine Stange und trugen ihn als Feldzeichen. So ein Dlss
schuh oder Bauernaufstand war 1493 im Elsaß, der in ll ^
Artikeln Abschaffung des kaiserlichen Landgerichts, der
und Umgelder, Aufhebung der Beicht, Vertreibung der
und Fixierung der Stenern forderte. Um 1505 treffe»^
einen Bundschuh im Speierischen, 1513 im Breisgan, ^ ^
Württemberg den Aufstand des armen Konrad n. s. w- -GE ^
unterscheidet sich der Aufstand von 1525 durch denZftG^
Umfang und die Vermengung mit der Religion. Dm ft ^
diese .früher den Einignngspnnkt zur Ausgleichung " ,i
wurde sie nun in den leidenschaftlichen Streit hineingeZ v
und als Kriegswafse mißbraucht. <.j„i
2) Die erste Versammlung in Baltringen, OA. Laus /
soll am 29. Januar von 20 Bauern gehalten worden ft"
Dort war der Schmiedmeister Ulrich Schund a»b
während er in Snlmingen bei Biberach geboren winde, ft
gewöhnlich Schmid von Snlmingen genannt. Er utzchu' r,
der Gegend von Ulm, Biberach, Memmingen teils als Etz'
teils als Redner und Kanzler der Ballern. In Dal l
hielt er anfangs nahezu täglich Versammlungen und »ei^^
dann andere. Ob er auch auf den Versammlungen z»
tissen und Weißenhorn war, ist nicht erwähnt. Dis ^ie
Februar war die Bewegung schon im vollen Gang-
Losung war von Anfang an: „Von Diensten, Gült »»
eigenschaft sich frei zu machen und das Evangelium ^
anfznrichten". Unter „Evangelium" verstand w»" ,
erster Linie eben diese Befreiung und den Titel .het'
tignng; wohl keiner der Bauern dachte dabei an die a >
liche Nechtfertignngslehre Luthers. ... ZP'
3) lieber die-Versammlniig vom 18. Februar gw» ^ ge-
nuin keine bestimmten Namen an, wo und von iw»
halten wurde. Diese Lücke füllt Banberger in u»d
Riedhos" ans, indem er sie beim „wilden Manift ft^ Ai
Ebner und den Schmid von Snlmingen da sein läßt n. '' 'Ahich
der Chronist besonders Noggenbnrger Unterthanen Z)
ist nicht zu zweifeln, daß Jörg Ebner, genannt .^-g
dabei war. Denn dieser war dort Führer. Zn
gehörte damals schon Biberach, Meßhofen, Jngstetten, ,
beide Wiesenbach, Breitenthal, Christertshofen n. l- oft
diesen herrschte, wie es scheint, größere Unznftm ft ^ dO
unter den Fnggerischen Unterthanen lind anderen --ch ^ ve>»
Gegend. Draußen batte man schon lange SUei
 
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