Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 28.1911

DOI Artikel:
Roessler, A.: Emanuel Margold Architekt Wien
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7380#0067

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Architekt Emanuel Margold.

auf das Gefühl des Sinnes, durch den sie wahr-
genommen werden können, als bedeutender
Ausdruck erfassen lassen.

In Zeiten künstlerisch nicht ganz hochstehen-
der Kulturen hat man das Ornament gezwungen,
etwas anderes darzustellen als sich selbst; man
bildete aus tierischen und pflanzlichen und mi-
neralischen, also der Natur entnommenen, na-
turalistischen Formen Ornamente. Das Orna-
ment bedeutete in solchen Zeiten, in denen die
künstlerische Schaffenskraft entweder zu jung-
schwach war, um Schöpfungen nach autoch-
thonen Kunstgesetzen hervorzubringen, oder
in denen der Stil bis zu einem Grad der Ent-
wicklungsreife gediehen war, wo er anfing, un-
organische Wucherungen anzusetzen, immer
noch etwas anderes als eine rein künstlerische
Form; es stellte dar und vor, mitunter barg
sich hinter einer Form, wie hinter einer Maske,
eine andere Form. Eine zum Ornament stili-
sierte Naturform wird aber nun nie, mag sie
technisch noch so tüchtig gearbeitet sein, den
Eindruck eines kunst - organisch entstandenen
Dinges, einer auf sich selbst beruhenden Kunst-
notwendigkeit zu bewirken im Stande sein,
sondern vermöge des assoziativen Charak-
ters immer an das Ding erinnern, von dem es
sich in der Hauptsache die Form borgte, und
das in seinemursprünglichenDasein ohne irgend-
welche Beziehung zu dem Zwecke stand, dem
es jetzt stilisiert als „Schmuck" dienen soll.

Margold ist sich dessen bewußt und darum
stilisiert er nicht Naturformen zu Ornamenten.
Er macht nicht aus einer Blume einen Flächen-
dekor, sondern er zeichnet einen Flächendekor,
der möglicherweise an eine Blume erinnert.
Aber seine Blumen wuchsen auf keiner Wiese,
sondern sind der linienrhythmische Ausdruck
einer spezifischen Flächenphantasie. Sie glau-
ben das nicht und weisen auf eines seiner Pan-
neaux, auf einen seiner Teppiche, auf eine sei-
ner Tapisserien, und sagen ironisch lächelnd:
Aber bitte, schaun Sie doch nur: das sind doch
stilisierte Blumen, Blätter, Zweige, Grasrispen!
— Sie täuschen sich. Das sind keine Blumen,
keine Blätter, keine Zweige, keine Grasrispen;
das sind Ornamente, graphisch fixierte Schwin-
gungen, Form gewordener Rhythmus ist das.
Mag sein, daß manchmal die eine und andere
Form an Naturformen erinnert, ihrem Wesen
und Entstehungsprozesse nach sind es jedoch
abstrakte Ornamente. Vielleicht dachte der
Künstler, während er an dem Entwürfe für einen
Teppich arbeitete, an eine übersonnte Wiesen-
matte, über die er einmal mit besonderem
Wohlgefühl hinschritt, und setzte sein Erinnern

E. J. MARGOLD. PANNEAU-ENTWURF

53
 
Annotationen