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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1922

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Behrens, Peter: Stil?
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https://doi.org/10.11588/diglit.17995#0013

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DIE FORM/MONATSSCHRIFT FÜR GESTALTENDE ARBEIT
dann sehen wir, daß gerade die junge Kunst gewaltige Probleme stellt, teilnehmen will am Geschehen
der Welt. Schon vor dem Kriege, als noch niemand an Revolution und Zusammensturz dachte, hatte
sich in der bildenden Kunst jener geschmackliche Umschwung vollzogen, der uns heute als ein pro-
phetisches Vorahnen der kommenden Zeit erscheinen muß. Nun erkennen wir es deutlicher: der Inhalt
der jungen Kunst ist nichts anderes als Sehnen nach einer anderen, neuen Harmonie, nach struktiver
Gesetzmäßigkeit. Ihr Wesen ist symbolisch. Sie gibt Abkürzungen, vielsagende Deutungen von dem,
was ein Gegenstand allgemein, nicht etwa in besonderer Beleuchtung oder Umständen ist. Sie gibt
Zeichen, die Formen erklären und Begriffe hinzufügen. Diese Kunst ist darum nicht malerisch, sondern
formalistisch und also eine Begriffskunst. Aber ihre Formen sind nicht Formen der Konvention, sondern
des Bewußtseins einer großen Zusammengehörigkeit von allem Sein mit dem Weltganzen. Dennoch
aber findet diese Idee nach außen hin keine Gestalt als Verwirklichung des Begriffs vom Gesamtkünst-
lerischen. Das Ziel eines einheitlichen Geistes, der alle Kunstgattungen gleichmäßig beseelte und zusam-
menführte, ist unserer Zeit heute noch fremd.
Auch dies ist keine Angelegenheit der Ästhetik, sondern des sittlichen Erkennens.
Auch die Architektur gehört zur bildenden Kunst. Man hat es freilich fast vergessen. Sie ist unter
den Künsten das Fundament, auf dem die Entfaltung der anderen Künste zu voller Auswirkung gelangen
sollte. Aber in ihrem Durchschnitt ist auch sie typischer Ausdruck unserer materialistischen Zivilisation.
Sie findet den Ausdruck im Monumentalen und Dekorativen. Diese Gesinnung ist Monumentalität,
materielle Größe, Proportion der Quantitäten, nicht Verdichtung der Qualität. Monumentalkunst, ästhe-
tischer Imperialismus. Beim jungen architektonischen Geist unserer Zeit aber handelt es sich bei den
Formen nicht mehr um solches, sondern nur darum, durch Rhythmus, Spiel der Linienführung und
des Flächen Wechsels, also auf abstraktem Wege Raumideen zu versinnbildlichen, den Raum aktiv wer-
den zu lassen. Solcher Auffassung vom Bauen sollte es zuerst gelingen, den Sinn der Arbeitsgemeinschaft
wieder zu erfassen in der Erkenntnis, daß Architektur Organisation ist. Auch ein Bauentwurf ist schöpfe-
risch individuell, aber seine Ausführung ist etwas anderes, an die Mitwirkung vieler Kräfte gebunden.
Ändert sich nur eine Einzelheit im Maß — was die Durchführung des Baus bedingen kann — so ändert
sich damit der ganze Entwurf. Eine schlechte Schule, die eine noch so elegante Skizze mechanisch zum
Bauwerk vergrößern will. Wenn überhaupt eine Kunst Werk arbeit ist, so ist es die Architektur, die auf
die Baustelle und den Zimmerplatz gehört.
Die Idee des Gesamtkünstlerischen muß von der Architektur ausgehen. Der Begriff ist nicht zu ver-
stehen als ein Zusammenfügen verschiedener Kunstarten, wie es vielleicht in einer Ausstellung geschieht,
nicht als Dekoration, die die Künste zusammenzwingt. Es ist ein Auseinander-Herauswirken, ein gegen-
seitiges Sich-Benötigen und Sich-Unterstützen. Solche Worte mögen nach nichts Neuem klingen, sie
meinen aber etwas vom Grunde Anfängliches, indem sie unter Bauen echt handwerkliche Hingabe und
Sich-Versenk en ins Material verstehen und aus diesem heraus den Ausdruck des Gewachsenen geben
wollen. Dann wird aller ornamentale Zierat nicht nur unnötig, sondern sogar störend sein. Es sind
Gegensätze: aus scharf charakterisiertem Material Formen organisch wachsen zu lassen und Deko-
rieren. Es sind Gegensätze der Gesinnung. Und fast möchte man alle Ornamentik, die nicht symbolische
Bedeutung hat, sei es struktive, oder andere höheren Begriffs, als unmoralisch empfinden. So wollen wir
gern auf diese Leichtheit talentvollen Könnens verzichten, dafür aber, wo es nötig und gut erscheint, die
Schwere und den Ernst der freien Künste, Malerei und Plastik, beanspruchen. Denn auch diese sind, wie
wir vorhin sahen, nichts anderes als Bauen, auch Handwerk im besten Sinne. So wird es uns von selbst
gelingen, die Kunstgattungen in ihren Formbeziehungen in enge Wechselwirkung treten zu lassen. Sie

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