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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1922

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Riezler, Walter: Natur und Maschine
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https://doi.org/10.11588/diglit.17995#0070

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DIE FORM / MONATSSCHRIFT FÜR GESTALTENDE ARBEIT
Und wie von der „vororganischen“ zur organischen Form Brücken führen, so
ist auch die „nachorganische“ Welt an die organische gebunden: nicht zufällig und
äußerlich, sondern sinnvoll und höchst wesentlich ist die Formverwandtschaft eines
Unterseebootes mit einem Fisch, eines Flugzeugs mit einem Vogel. Indem die glei-
chen Naturkräfte von dem lebendigen Wesen und von der Maschine zu überwin-
den sind, entstehen naturnotwendig die gleichen Formen.
Freilich ist damit das Problem der technischen Form noch nicht vollkommen ge-
löst. Denn weder bei der Maschine selbst noch bei den durch sie geschaffenen Ge-
genständen ist ja der Ausdruck der Kraft das einzige für die Form wichtige Moment.
Maschine und maschinelles Produkt sind „Gegenstände“, für deren Formung noch
ganz andere Gesichtspunkte maßgebend sind. Für diese Frage bieten die Aufsätze
und Bilder dieses Heftes einen reichen Stoff. Im allgemeinen ist dazu zu sagen, daß
in dieser Welt der reinen Zweckgebundenheit kein Formwille herrschen darf, der
sich an der zweckfreien Welt der Kunst gebildet hat, daß aber auch hier der reine
Zweck nur da unmittelbar zur Form führen kann, wo es sich, wie etwa beim Unter-
seeboot, um den Ausdruck von Kräften, die Überwindung von Widerständen, und
nichts anderes handelt. In allen anderen Fällen, also vor allem bei der „ruhenden“
Form, bleibt die Möglichkeit der Auswahl. Von den Gesichtspunkten, nach denen
diese Auswahl zu geschehen hat, wird an anderer Stelle geredet.
Unsere Betrachtung betont stärker, als es sonst zu geschehen pflegt, die Zusammen-
hänge dieser Welt der Technik mit allen übrigen Formungen. Wir sind uns jedoch
wohl bewußt, daß es nicht angeht, nun die Grenzen zu verwischen, die dieses Reich
von dem der Kunst trennen. Denn all das, was das eigentliche Wesen der Kunst aus-
macht, also die lebendige Beziehung zur Seele des Menschen, die Spiegelung des
Weltalls in der Einzelpersönlichkeit, die Hinneigung zur Gottheit, hat in dieser
Sphäre nichts zu suchen. Aber trotzdem: die Einheit der Welt ist auch an diesem
Punkte nicht gestört,—braucht nicht gestört zu sein, wenn nur der Mensch die Auf-
gabe klar erkannt und die Kraft zur Formung nicht verloren hat.
Walter Riezler

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