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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1922

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Mitteilungen des Reichskunstwarts
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https://doi.org/10.11588/diglit.17995#0122

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MITTEILUNGEN DE S REICHSKUNSTWARTS

Druckschrift, aus Bild und Schrift. Es handelt sich hier
um eine geschmackliche Einheit, aus der man nicht ein-
zelne Teile herausgreifen kann; für jeden Entwurf bildet
die Schrift einen wesentlichen Teil des Ganzen. Die Lö-
sung der Stempelfrage verlangte daher zugleich eine Klä-
rung der Schriftfrage.
Es gilt daher vor allem die Verwirrung zu beseitigen,
die dadurch entstanden ist, daß man die Antiqua als latei-
nische und die Fraktur als deutsche Schrift bezeichnet und
so die Meinung erweckt hat, als bedeute die Ablehnung
der Antiqua eine national zu würdigende Tat, während
ihre Verwendung ein Ärgernis darstelle. Aus diesem Grun-
de ist als eine der Vorarbeiten zum Reichssiegel die ge-
samte Frage neu geprüft worden, und zwar wurden Fragen
an eine Reihe erfahrener Künstler, Gelehrten und Schrift-
gießer gerichtet. Die Antworten bedeuten ein einheitliches
Bekenntnis gegen das Aufgeben einer der beiden Schriften,
die unter allen Umständen erhalten bleiben müssen. Aus-
drücklich wird dabei für die radiale Anordnung in Stem-
peln, Münzen und dergl. die Antiqua vorgezogen als die

zur Kreisbildung geeignete Prägeschrift gegenüber der
Fraktur. Auch verlangen praktische Erwägungen, vor allem
die Vervielfältigung der Stempel, die Verwendung der
Antiqua.
Die Dienstsiegel sind durch den im Reichsgesetzblatt
Nr. 28 veröffentlichten Erlaß des Reichspräsidenten vom
30. März 1922 festgesetzt. Die verschiedenen Anwendungs-
formen des Reichssiegels führt eine in der Reichsdruckerei
hergestellte Bildtafel vor. Diese zeigt die Originalabdrücke
des kleinen Reichssiegels als Farbdruckstempel (siehe erste
Abbildung), des kleinen Reichssiegels als Prägestempel auf
rotem Grund und des großen Reichssiegels als Prägesiegel.
Außerdem bringt das Blatt Beispiele der Verwendung des
Reichsadlers als Schmuckform auf amtlichen Schildern
und Drucksachen, darunter ein Muster für Zierschmuck
im Druck, das sich eng an das kleine Reichssiegel anlehnt
(siehe zweite Abbildung).
Die Bildtafel nebst Abdruck des Erlasses über die Dienst-
siegel und der Richtlinien zu ihrer Verwendung sind durch
die Reichsdruckerei in Berlin zu beziehen. B.

Zur Frage Antiqua — Fraktur
Gutachtliche Äußerungen auf eine Rundfrage des Reichskunstwarts (im Auszug mitgeteilt)

Prof. Otto Hupp-München: Da man mich fragt,
darf ich sagen, daß es eine unbillige Bevormundung wäre,
wenn man der Künstlerschaft vorschreiben wollte, wel-
cher von den beiden, seit mehr als einem halben Jahr-
tausend in Deutschland gebräuchlichen Schriftarten sie
sich vom Soundsovieltesten ab bei Staatsaufträgen zu ent-
halten habe. Für Münzen, Siegel, Briefmarken, für Fir-
menschilder und Reklameworte ist die Antiqua unent-
behrlich. In anderen Fällen, namentlich beim Druck von
Gedichten, ist sie ein Genußmittel; bei der persönlichen
Handschrift eine Privatangelegenheit. Dagegen würde ich
dafür eintreten: alle eigentlichen Lesesachen, Bücher,
Zeitungen, Aufrufe, Erlasse usw., die in deutscher Sprache
geschrieben sind, auch in deutscher Schrift zu drucken
und sich ihrer ebenso in der Schreibmaschine zu bedienen.
Prof.Dr. Brandi-Göttin gen: Auf die Anfrage beehre
ich mich zu er widern, daß ich mich inÜberein Stimmung mit
wiederholten mündlichen und schriftlichen Äußerungen
unbedingt zur Freiheit der künstlerischen Produktion im
Rahmen technischer Bedingungen bekenne. So sehr ich ge-
genüber der öden Vereinheitlichung der Schriftformen im
Sinne der ausschließlichen,, Anti qua“ den Formenreichtum
des unter demNamen,,Fraktur “zusammengefaßten Zweiges
unserer Schriftentwicklung betone und seine gotische Aus-
drucksfähigkeit liebe und werte, so wenig kann ich das
entgegengesetzte Extrem billigen. Schon deshalb nicht,
weil es ein unhistorischer Formendogmatismus sein wür-
de, eine einzige unter den unzähligen Gestaltungen un-
serer Schrift als schlechthin vorbildlich herauszuheben

und festzulegen. Außerdem sind auch im Bereich der so-
genannten Antiqua reine Formen geschaffen von einer
solchen Schönheit und Zweckmäßigkeit für bestimmte
Wirkungen, daß ich eine behördliche Regelung in dem
angedeuteten Sinne für eine kulturelle Verarmung halten
würde.
Prof. Dr. M. Tangl-Berlin: .... Zu gleicher
Zeit und auf ganz anderen Wegen kamen Brandi
und ich im wesentlichen zu demselben Ergebnis, daß in
der Frage gerade auf Grund der geschichtlichen Entwick-
lung nichts ungerechtfertigter ist als eifernde Unduldsam-
keit der einen wie der anderen Richtung und daß in die
Lösung der Frage der Weiterentwicklung unserer Schrift
nicht unglücklicher eingegriffen werden könnte als durch
einseitigen behördlichen Zwang. In der an mich gerich-
teten Einzelfrage lege ich gern offenes Bekenntnis ab: die
Eignung zu inschriftlichen Zwecken war von Anfang an
die schwächste Seite der Fraktur und ihrer Vorgängerin,
der sogenannten gotischen Schrift. Zu zunächst so gut wie
ausschließlicher Verwendung zu Inschriftenzwecken war
die Antiqua in ihrer frühesten Urform geschaffen worden;
aus der verfeinerten und immer schärfer stilisierten Be-
schreibung des Pergamentblatts ist die gotische Schrift
und die Fraktur entstanden. Aus den Grundanlagen des
Wesens aber können Schrift und Alphabet so wenig heraus
als der Mensch. Wer im Laufe vieler Jahre so vielfache
Erfahrung zu sammeln Gelegenheit hatte wie ich, wie
ungemein sich die Schwierigkeiten der Entzifferung von
Inschriften auf Siegeln, Münzen, Grabdenkmälern von

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