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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1922

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Mitteilungen des Reichskunstwarts
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https://doi.org/10.11588/diglit.17995#0123

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MITTEILUNGEN DES REICHSKUNSTWARTS

dem Augenblick an steigern, da Gotik und Fraktur die-
ser Beschriftung sich bemächtigen, der müßte es als ein
Verhängnis beklagen, wenn die Stellung der Fraktur auf
diesem Gebiete durch ein Monopol von obenher noch ver-
stärkt werden würde.
Direktion der Staatlichen Akademie für gra-
phische Künste und Buchgewerbe (Prof. Walter
Tiemann) Leipzig: Auf Ihren Brief teile ich Ihnen mit,
daß auch ich auf dem Standpunkt stehe, daß eine grund-
sätzliche Anwendung deutscher Schrift bei Aufträgen be-
hördlicher Art nicht gefordert werden möchte. Bei Be-
schriftung von Münzen und Stempeln halte ich die latei-
nische Schrift für die viel geeignetere, aber auch sonst sollte
man den Künstlern möglichste Freiheiten in der Wahl der
Type bei Aufträgen behördlicher Art lassen. Meiner Auf-
fassung schließen sich die in Frage kommenden Professoren
der Akademie an.
Prof. F.H. Ehmcke,Staatl. Kunstgewerbeschule,
München: . . . Es bleibt immer zu berücksichtigen,
daß unsere Antiquaschriften, d. h. von deutschen Hand-
werkern und Künstlern geformte Antiquaschriften schließ-
lich auch deutsche Schriften sind. Ferner, daß die Frak-
tur ihrer ganzen Entstehung und Verwendungsmöglichkeit
nach eine ausgesprochene Buchschrift ist. Man kann sie
für mehr monumentale Zwecke kaum, für architektonische
garnicht gebrauchen, wenn man ihrem eigentlichen Wesen
nicht Zwang an tun will.
Ich würde Schrift um einen Stempel auch immer in
Anti qua-Versalien zeichnen. Das ist so selbstverständlich
und naheliegend wie nur etwas, so daß eigentlich nur un-
künstlerisch empfindende Menschen etwas anderes verlan-
gen können. Ich würde, falls der Laie auf deutscher
Schrift besteht, schließlich meine Zuflucht zu einer goti-
schen Schrift suchen und ihn wohl damit zufriedenstellen.
Eine solche Schrift ist aber keineswegs ein deutsches Cha-
rakteristikum, sondern zu ihrer Zeit sowohl in Italien, wie
England und Frankreich verbreitet gewesen, in letzterem
Lande ganz besonders. In Holland wird sie heute noch zum
Druck von Bibeln verwendet. Die eigentlich deutschen
Buchschriften Schwabacher und Fraktur sind bei ihrer
Bewegtheit und ihrer Breite für den fraglichen Zweck
ganz ungeeignet.
Rudolf Koch-Offenbach a. M.: Wir haben beide
Schriftarten und damit einen Reichtum an Ausdrucksmit-
teln, den wir uns unter allen Umständen erhalten müssen.
Bremer Presse (Dr. Wiegand) München: Die
Umschrift des neuen Reichsstempels dürfte ein Beleg dafür
sein, daß die Antiqua für Münzen und Siegel nicht gut
entbehrt werden kann. Solange die Neugestaltung der deut-
schen Schrift nicht über die bisherigen Anfangsversuche
hinaus gediehen ist, und zumal die Großbuchstaben nicht
so umgestaltet und vereinfacht sind, daß sie für sich allein
verwendet werden können, werden sich so geschlossene
Lösungen wie die Übereinstimmung von Adler und Schrift
bei dem Weech’schen Siegel in der deutschen Schrift nicht

leicht erreichen lassen. Eine Verordnung von Reichswegen
über den ausschließlichen Gebrauch der deutschen Schrift
für Münzen und Siegel würde mir deshalb als eine erheb-
liche Beeinträchtigung des künstlerischen Schaffens er-
scheinen.
Prof. Dr. Watzoldt, Preußisches Ministerium
für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung,
Berlin: Ich halte es nicht für richtig, in allen Fällen, also
auch bei runder Beschriftung von Stempeln und Wappen, be-
hördlicherseits nur deutsche Schriften zuzulassen. Vielmehr
wird die Frage, ob lateinische oder deutsche Schrift anzu-
wenden ist, sich nur von Fall zu Fall lösen lassen, ent-
sprechend den Bedingungen, die von der jeweiligen künst-
lerischen Aufgabe gestellt werden. Ich würde es daher auch
nicht für richtig halten, wenn eine Bestimmung, die die
ausschließliche Verwendung der Frakturschrift vorschreibt,
behördlicherseits erlassen wird. Außer den künstlerischen
Gründen, die gegen eine solche Maßnahme sprechen, kommt
auch in Frage die wissenschaftliche Seite der Angelegenheit.
Es ist bekannt, daß ein Unterschied zwischen lateinischer
und deutscher Schrift, der meist aus Sachunkenntnis ge-
flissentlich betont wird, historisch ganz unbegründet ist.
Beide Schriftarten stellen lediglich verschiedene Entwick-
lungsstufen dar.
Säch sis ehe Landes stelle für Kun stge werbe (Prof.
Groß) Dresden: In der Angelegenheit der Fraktur und
Antiqua stehe ich ganz entschieden auf dem Standpunkte
der künstlerischen Freiheit. Wer sich wirklich künstlerisch
in die Schrift einfühlt, wird sich nicht entschließen kön-
nen, die klaren, elementaren Zeichen der Antiqua einfach
auszuschließen. Bei Stempeln und Münzen sind sie viel-
fach gar nicht zu entbehren, wenn nicht ein ganz falscher
Maßstab des Schriftdetails in das Objekt kommen sollte.
Ich bitte daher dringend, einen Ausschluß der Antiqua
behördlicherseits nicht zu befürworten. Unser Deutschtum
zu wahren und zu beweisen gibt es andere und wirksamere
Mittel.
Deutscher Werkbund: Die Formen, welche für
die Schreib- und Druckschrift vornehmlich in Deutsch-
land ausgebildet wurden, sind gegenüber der im Aus-
land durchweg bevorzugten lateinischen Schrift so viel
reicher und lesbarer, daß eine Bevorzugung der deutschen
Formen wohl berechtigt erscheint. Die deutsche Schrift
ist ein nationales Gut, das wir in gegenwärtiger Zeit ganz
besonders hüten müssen. Die lateinische Schrift können
wir aber nicht entbehren. Einesteils nicht aus Gründen
der Zweckmäßigkeit, da das Ausland diese Schrift verwen-
det, andernteils aus ästhetischen Gründen da, wo größte
Einfachheit der Formen durch Material oder geringe Größe
der Schriftfläche (namentlich bei runder Umschriftung)
oder durch begleitende Schmuckformen geboten ist.
Prof. Rudolf Larisch-Wien: Gleichgültig, wie
man sich zum Streit Gotik kontra Antiqua auch stel-
len mag, ist es entschieden abzuraten, behördlicherseits
irgendwie einzugreifen und eine der beiden Schriftarten

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