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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.17995#0142

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DIE FORM/MONATSSCHRIFT FÜR GESTALTENDE ARBEIT

Tor; als Bühnenabschluß der Prospekt mit den Totenkreuzen. Als Beleuchtung kaltes Mondlicht, das grausame Grün
des Gesamttones noch steigernd. Dazu Scheinwerfer. Atmosphären von dumpfer Verzweiflung und unentrinnbarem,
zum Tode führenden Schicksal liegen in diesem Entwurf, dem wir eine Lösung von W. v. Wecus gegenüberstellen.
(Abbildung 21.)
Die gleiche Trübe lagert über den Bildern desselben Künstlers zu Knut Hamsuns „Spiel des Lebens“, von denen wir
die Dekoration des 2. und 4. Aktes abbilden. (Abbildung 51.) Zu der verbogenen Handlung verbogene Umgebung.
Unscharfe Stufen trennen Vorder- und Mittelbühne, ein schiefes Haus mit einem krummen Treppenvorbau rechts,
eine Gruppe Klippen links sind seitliche Abdeckungen. Der geisterhaft symbolische Klang wird im Prospekt weiter-
geführt, ein Seezeichen mit vom Wind gerütteltem Tauzeug gibt die Nähe der stürmenden See.
Ernst Stern, Berlin, der lange Jahre Max Reinhardts künstlerischer Berater war, ist unerschöpflich erfindungsreich.
Außerordentliche bühnentechnische Erfahrung vereinigt sich mit architektonischem und malerischem Instinkt für
das packend Wirksame, das Problematische nie suchend, aber stets Neues aus einer wahrhaft blühenden Phantasie
gebend. Wir bringen zwei seiner Entwürfe. Abbildung 39 zeigt das Serail aus „Turandot“. Mitten in der Bühne steht
ein Ruhebett, darauf ein Figürchen, das den Maßstab der ganzen Szene angibt. Vielteilige Setzschirme übertürmen
einander, gliedern die Bühne der Tiefe nach und schließen sie zusammen. Vom Schnürboden hängen zehn riesen-
hafte grünliche Lampions in verschiedenen Höhen und der Tiefe nach gestaffelt als Lichtspender und raumbildende
Formen. Von der chinesischen Welt sind nur die Begriffe „Lampion“ und „Setzschirm“ herübergenommen, um eine
neue der Dichtung und der Bühne zu schaffen.
Ganz ähnlich verfuhr Stern mit den statuarischen Kostümfiguren zu einem Tanzspiel. Personifikationen verschie-
dener Länder treten zum Reigen an: China. Java, Persien, Mexiko usw. (Abbildung 45).
Dem Betrachter springt die Erklärung ohne weiteres entgegen, weil die Vorstellung jener Welten sogleich irgend-
welche bekannte Formen wiederfindet im Ornament, im Kopfputz, in Waffen und Zierart. Die Kostüme sind keines-
wegs Volkstrachten, sondern gleichfalls Paraphrasen des Themas. Aber nicht um das allein war es Stern bei dieser
Arbeit zu tun. Er wollte mehr geben als Figurinen und Kostüme im landläufigen Sinn. Er wollte den Beweis dafür
erbringen, daß unedles Material richtig verwendet größte und vornehmsteWirkung, Bühnenwirkung wohlgemerkt, aus-
lösen kann. In jedem Kostüm hat eine bestimmte Technik denVorrang. Das Gewand der „Chinesin“ ist in blauen,
schweren, gotisch knickenden Stoffen mit Applikationen ausgeführt. Der Kopfputz ist aus Wachstuch gefältelt, und
viele gemalte Seidenwimpel darin geben unwillkürlich den leichtesten Tanzrhythmus.
Bemaltes Wachstuch gibt der orangegoldnen „Javanerin“ den Hauptteil ihrer Kleidung, die in hart um gebogenen
Schnörkeln der Figur den charakteristischen Umriß verleiht, der an Schatten-Figuren gemahnt. Die Ornamente
der weichen Stoffe sind gemalt. Das Kolorit des Ganzen ist auf Gold gestellt, sodaß die Gesamterscheinung an ost-
asiatische Götterbilder erinnert.
Die blaue „Perserin“ trägt Kettenpanzer — Hose und Leibchen — aus Bindfaden, dem aber hier in höchstem Maße der
Glanz goldenen und silbernen Metalls verliehen ist; Tiara und Waffen sind aus getriebenem Eisen, der Edelsteinschmuck
darin ist mit delikat verriebenen Emaillefarben vorgetäuscht.
„Mexiko“ endlich präsentiert sich in schimmernden samtartigen Geweben mit linearen Ornamenten. Den Haupt-
schmuck bilden hier die aus gefärbten Federn gefügten Fittiche und Fühler dieses liebreizenden Schmetterlings. Fi-
guren und Kostüme wurden ausgeführt von der Firma Theaterkunst Hermann I. Kaufmann, Berlin, die hier Muster-
leistungen ihrer Werkstätten gebracht hat.
Von Ernst E. Stern, München, dem künstlerischen Beirat am Münchener Schauspielhaus, sind in Abbildung 23
und 24 zwei Szenen zu Georg Kaisers „Hölle, Weg, Erde,“ wiedergegeben: die Advokatenstube, die wir einem Ent-
wurf von F. K. Delavilla (Abbildung 26) gegenüberstellten, und der Juwelierladen. Das erste Bild fällt unter den
Begriff der Setzschirmdekoration, den wir oben erklärt haben; vor einem dunklen Prospekt stehen zwei Wände keil-
förmig in die Tiefe der Bühne hineingetrieben. Der zweite Entwurf ist ein gemaltes Versatzstück, ein unwahrschein-
liches Abbild eines Hauses, paradox wie die Dichtung Georg Kaisers. Dieses Haus glänzt wie ein kristallinischer
Amethyst, es ist selbst wie ein ungeschliffener Edelstein lockend und aufreizend.
Oskar Strnad, Wien, ist unter den jüngeren Bühnenarchitekten wohl die stärkste Persönlichkeit: ein Sucher neuer
Formen und ein Pionier auf neuen Wegen für die Schauspielkunst.

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