Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1922

DOI Artikel:
Zu den Bildern
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.17995#0143

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DIE FORM / MONATSSCHRIFT FÜR GESTALTENDE ARBEIT
J ,? . cc .
Abbildung zeigt eine Szene aus ,,König Lear , eine Probe aus einer Folge von 25 Szenenbildern. Ein Terrain-
stück und ein Bühnenwagen bilden das Inventar für alle landschaftlichen Auftritte. Ganz wenige Requisiten — hier Zelt
und Standarte—und der Wechsel des Lichtes geben die abwechlungsreichsten Bilder. Der Rhythmus der Lanzen hinter
dem Abhang erweckt den Eindruck weiter Ferne und zahlreicher Heerhaufen, die unsichtbar in der Ebene hinter
dem fürstlichen Zelt lagern. Das Ganze ist auf die Farben Gold, Gelb und Weiß gestimmt.
Das zweite Szenenbild (Abbildung 20) verlangt ausführlichere Erklärung. Es ist „Fausts Studierstube“, aber nicht
für ein bestehendes Theater, sondern für einen neuen Typus „Schauspielhaus“ ersonnen, dessen Modell auf der inter-
nationalen Theaterkunst-Ausstellung in Amsterdam heuer zuerst gezeigt wurde. Wir werden später Gelegenheit nehmen,
über die architektonische Idee und die künstlerischen Möglichkeiten dieses ganzen Projektes zu berichten. Hier be-
schränken wir uns auf kurze Andeutungen. Ein kreisförmiger Grundriß umschließt das amphitheatralische Zuschauer-
haus und eine vertiefte Orchestra und die von hier aus rings in Stufen zugängliche Vorderbühne.
Dahinter ist eine Schiebebühne angeordnet, welche ringförmig um das ganze Theater läuft und eine außerordent-
liche Zahl vorbereiteter Verwandlungen aufnehmen kann. Schiebebühne und Theater sind voneinander getrennt
durch profilierte Türme, deren Intervalle durch Vorhänge zu schließen sind. Ein Rundhorizont umspannt die Hälfte
des ganzen Kreisumfangs der Schiebebühne. Es ergeben sich hieraus außerordentliche Spielmöglichkeiten in einem
oder mehreren dieser Joche zugleich, je nachdem „ein hoch gewölbtes gotisches Zimmer“ oder „freies Feld“ gefordert
wird. Der Spielplatz kann auf fünf dieser Intercolumnien ausgedehnt, die Türme in das Spielbereich eingezogen werden.
Auf Abbildung 45,44 geben wir Figurinen Strnads zu Hasenclevers „Antigone“ wieder. DieseVorlagenfürden Schneider
charakterisieren den Künstler ganz besonders wegen ihrer klaren Sachlichkeit und Schlichtheit. Da ist nichts von den
drapierten Theatergriechen der klassizistischen Epochen, wohl aber ein ursprüngliches Verständnis für die Erscheinung
vergangener Zeiten, das durchaus erlebt und deshalb lebendig ist. Die Gewänder sind in stumpfen erdigen Farben,
blau, gelb, rot, braun, grau gehalten; nur die Haarbinden und die Hauben der Frauen wirken als Schmuck.
Lothar Schenk-v. Trapp, der künstlerische Mitarbeiter Carl Hagemanns am Staatstheater in Wiesbaden, begegnet
uns mit drei Arbeiten, welche mit dem Begriff Stilbühne leicht abgetan wären, wenn sie nicht Zeugnis für eine
besonders feine Künstlernatur ablegten. Der Garten von Aranjuez zu „Don Carlos“ (Abbildung 2) wird gebildet
durch eine Treppe zwischen geschorenen Hecken und einer Aloe auf einem Steinsockel. Diese Komposition, die schon
im Schwarz-weiß vielverheißend ist, kann durch das Spiel nur noch gesteigert werden.
Das gleiche ist von der Friedhofszene aus „Hamlet“ zu sagen (Abbildung 5), die eine neue Lösung im Sinne des
Künstlertheaters München 1908 bedeutet, d. h. eine auf Reliefwirkung gestellte Darstellung voraussetzt.
Ein preziöses Beispiel kuns!gewerblicher Kleinarbeit lernen wir in dem Bühnenbild zu „Mikado“ kennen. Auch
hier ist das Prinzip der Stilbühne gewahrt: ein Bogen mit charakteristischem Profil öffnet den Blick in den Bühnen-
raum, der ein an ostasiatischen Malereien und Schnitzwerken fein geschultes Architekturbild enthüllt (Abbildung 35).
Werner Schramm, Düsseldorf, der künstlerische Beirat Louise Dumonts, hat zu Franz Werfels „Spiegelmensch“
Dekorationen geschaffen. Schramm hat innerlich die stärkste Verwandtschaft mit Otto Reigbert, obwohl die Arbeiten
beider Künstler durchaus verschiedenartig anmuten. Gemeinsam ist beiden aber ein sehr persönlicher künstlerischer
Wille, der nur in völliger Übereinstimmung mit dem des Regisseurs ein Gesamtkunstwerk schaffen kann, dann aber eines
von höchster Geltung.
Schramm gibt in der Kerkerszene (Abbildung 27), die mit Baranowskys (Abbildung 28) zu vergleichen ist, auf einem
Setzschirm ein Stück rötlicher Wand mit einer roten Tür und in dieser ein riesiges Schlüsselloch von unheimlicher,
traumhafter Wirkung. Davor bezeichnet die Lagerstätte den Maßstab für die ungeheuren Dimensionen dieser sym-
bolischen Architektur, die hierdurch erst recht den Begriff eines unbezwinglichen und unentrinnbaren Gefängnisses
feststellt. Als Gegenbeispiel mag die Szene zu Strindbergs „Kameraden“ (Abbildung 25) angesehen werden : vor gelbe Vor-
hänge, die die ganze Szene schließen, sind Setzschirme in verwandten kalten Tönen gestellt, darauf die Fenster und das Ofen-
rohr dieses ungastlichen Raumes gemalt sind. Nüchterne Möbel verstärken den Eindruck des unerbittlichen Geschehens,
das hier mit der Sicherheit eines mathematischen Beweises sich vollziehen muß. Es sei noch bemerkt, daß Schramm
hier eben durch die glückliche Verwendung der Setzschirme des Gebrauches einer Tür, des peinlichsten Requisits der
Bühne, überhoben wurde.
Fritz Schumacher, Cöln. Der Architekt Fritz Schumacher ist einer der Hauptreformer des deutschen Bühnen-
bildes. Seine Arbeiten über den Szenenbau aus kubischen Baugliedern sind allgemein bekannt. Wir bilden sein Gast-

19
 
Annotationen