DIE FORM / MONATSSCHRIFT FÜR GESTALTENDE ARBEIT
Gehilfen suchten eine kirchliche Kunst von außerzeitlichem und überzeitlichem Charakter. Der Versuch
ist größer als der Erfolg. Jenseits aller zeitlichen und historischen Einsicht glaubte der Begründer in
ewig gültigen Formen und Harmonien göttliche Gesetzlichkeit darstellen zu können; er glaubte auf
solche Weise zu einer kirchlichen Kunst von vollkommener Katholizität gelangen zu können, in die hinein
jede Menschlichkeit passen könnte, wie die Liturgie als Gemeinschaftsausdruck alle menschlichen Nöte,
Bedürfnisse, alle nur möglichen Beziehungen des Einzelnen zu Gott umspannen will. Hier wurden die
Quellen aller Kunstäußerung verkannt, die aus unserer zeitlichen, geschichtlich notwendigen Problem-
stellung, aus unserer geschichtlichen äußeren und inneren Erfahrung, aus unserer menschlichen Not
und unserer ganzen Lebenserfahrung uns zufließen. Bei Lenz selbst kamen unbewußt seine lebendigen
ersten Erkenntnisse befruchtend, erregend, erwärmend hinein. Dem weiteren Beuroner Schaffen fehlt
meist jeder innere Impuls. Der Gauguin-Schüler Pater Willibrord Verkade ließ von dem vergeblichen
Versuch, in diesem Sinne gute Kunst zu schaffen, schließlich ab. In dem, was man jetzt an Beuroner
Kunst sieht, ist die Feierlichkeit Manier, das Ornament Dekor geworden. Es gibt eben keine objektive,
allem Streben voraufgebildete Form, wie es keine für alle Menschen und Zeiten verbindliche Sprache
geben kann. Gewiß gibt es nach katholischer Glaubensüberzeugung eine unumstößliche religiöse Wahr-
heit. Aber gerade in der Kunst müssen wir das Spannungsverhältnis erleben zwischen dem erkennen-
den Subjekt und dem zu erkennenden Objekt, das subjektive Bemühen der objektiven Wahrheit teil-
haftig zu werden.
Eine kirchliche Kunstindustrie gab es natürlich auch in den Zeiten, wo die Zeitkunst alle schöpferischen
Kräfte an außerreligiöse Probleme setzte, Professionelle, die den Bedarf der Kirche an Bauten, Bildwerken,
Geräten, Gewändern deckten, gotisch, barock, romanisch, wie es gewünscht wurde. Die Restauratoren-
romantik hatte ja ein ganzes Heer solcher Imitatoren großgezogen, die nun weiter beschäftigt sein
wollten. Hinzu kam die Industrie mit billigen Erzeugnissen an allen Gebrauchsgegenständen: Kanzeln,
Beichtstühlen, Altären, Heiligenfiguren, Fenstern, Stationsbildern, und was so in die Kirche hineingehört.
Noch heute begreifen die Geistlichen wenig, wrie verderblich nicht nur kulturell sondern auch seelsorg-
lich diese Dinge sind, wie wenig diese Erzeugnisse nicht nur mit Qualität und Kunst, sondern auch mit
Religion zu tun haben. Daß diese Dinge möglich wurden und heute noch möglich sind, ist ebenso ein
Zeichen der Zeit, auch der Kitsch ist der Exponent einer Seele. Hier bezeugt die Äußerungsform, wie
das katholische kirchliche Leben nicht weniger zersetzt wurde als das protestantische, nur täuschte die
äußere Organisation darüber hinweg. Der heutige Kunstwille sehnt sich nach Betätigung in der Kirche,
und er bekam schon vereinzelte Gelegenheit dazu; es zeigt sich das Wiedererwachen auch des katho-
lischen Kultur- und Kunstwillens.
Die protestantische Kirche empfand nicht den Zwang, durch äußere Konvention die innere Haltung
zu verdecken. In ihr lag prinzipiell der Trieb zur Befreiung des Individuums, zur Verschiebung der
Kirche in die Einzelseele. Sie kam durch die Entwicklung erst zu einer ihr eigentümlichen Form. „Das
radikale Bauprogramm“ (s. Bartning, „Vom neuen Kirchenbau“ Cassirer 1918), die reine Predigtkirche
war eine konsequente Lösung. Doch hatte dieser Bau im Grunde nur profanen Charakter, war Nutz-
und Zweckbau. Dementsprechend war die Bildkunst eines Gebhardt, Uhde, Steinhausen in ihrem rea-
listisch romantischen Charakter intim, auch wenn sie Wände malten. Ihr religiöser Gehalt ist rationa-
listisch, aufklärerisch, literarisch, wörtlich, nicht symbolhaft und ohne Größe. Die Auffassung bleibt
zeitlich beschränkt; nicht nur die Figuren tragen ein zeitlich festgelegtes Gewand.
Alle werden wir hineingeboren in eine Zeit mit ganz bestimmten seelischen Bedürfnissen, mit auch
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Gehilfen suchten eine kirchliche Kunst von außerzeitlichem und überzeitlichem Charakter. Der Versuch
ist größer als der Erfolg. Jenseits aller zeitlichen und historischen Einsicht glaubte der Begründer in
ewig gültigen Formen und Harmonien göttliche Gesetzlichkeit darstellen zu können; er glaubte auf
solche Weise zu einer kirchlichen Kunst von vollkommener Katholizität gelangen zu können, in die hinein
jede Menschlichkeit passen könnte, wie die Liturgie als Gemeinschaftsausdruck alle menschlichen Nöte,
Bedürfnisse, alle nur möglichen Beziehungen des Einzelnen zu Gott umspannen will. Hier wurden die
Quellen aller Kunstäußerung verkannt, die aus unserer zeitlichen, geschichtlich notwendigen Problem-
stellung, aus unserer geschichtlichen äußeren und inneren Erfahrung, aus unserer menschlichen Not
und unserer ganzen Lebenserfahrung uns zufließen. Bei Lenz selbst kamen unbewußt seine lebendigen
ersten Erkenntnisse befruchtend, erregend, erwärmend hinein. Dem weiteren Beuroner Schaffen fehlt
meist jeder innere Impuls. Der Gauguin-Schüler Pater Willibrord Verkade ließ von dem vergeblichen
Versuch, in diesem Sinne gute Kunst zu schaffen, schließlich ab. In dem, was man jetzt an Beuroner
Kunst sieht, ist die Feierlichkeit Manier, das Ornament Dekor geworden. Es gibt eben keine objektive,
allem Streben voraufgebildete Form, wie es keine für alle Menschen und Zeiten verbindliche Sprache
geben kann. Gewiß gibt es nach katholischer Glaubensüberzeugung eine unumstößliche religiöse Wahr-
heit. Aber gerade in der Kunst müssen wir das Spannungsverhältnis erleben zwischen dem erkennen-
den Subjekt und dem zu erkennenden Objekt, das subjektive Bemühen der objektiven Wahrheit teil-
haftig zu werden.
Eine kirchliche Kunstindustrie gab es natürlich auch in den Zeiten, wo die Zeitkunst alle schöpferischen
Kräfte an außerreligiöse Probleme setzte, Professionelle, die den Bedarf der Kirche an Bauten, Bildwerken,
Geräten, Gewändern deckten, gotisch, barock, romanisch, wie es gewünscht wurde. Die Restauratoren-
romantik hatte ja ein ganzes Heer solcher Imitatoren großgezogen, die nun weiter beschäftigt sein
wollten. Hinzu kam die Industrie mit billigen Erzeugnissen an allen Gebrauchsgegenständen: Kanzeln,
Beichtstühlen, Altären, Heiligenfiguren, Fenstern, Stationsbildern, und was so in die Kirche hineingehört.
Noch heute begreifen die Geistlichen wenig, wrie verderblich nicht nur kulturell sondern auch seelsorg-
lich diese Dinge sind, wie wenig diese Erzeugnisse nicht nur mit Qualität und Kunst, sondern auch mit
Religion zu tun haben. Daß diese Dinge möglich wurden und heute noch möglich sind, ist ebenso ein
Zeichen der Zeit, auch der Kitsch ist der Exponent einer Seele. Hier bezeugt die Äußerungsform, wie
das katholische kirchliche Leben nicht weniger zersetzt wurde als das protestantische, nur täuschte die
äußere Organisation darüber hinweg. Der heutige Kunstwille sehnt sich nach Betätigung in der Kirche,
und er bekam schon vereinzelte Gelegenheit dazu; es zeigt sich das Wiedererwachen auch des katho-
lischen Kultur- und Kunstwillens.
Die protestantische Kirche empfand nicht den Zwang, durch äußere Konvention die innere Haltung
zu verdecken. In ihr lag prinzipiell der Trieb zur Befreiung des Individuums, zur Verschiebung der
Kirche in die Einzelseele. Sie kam durch die Entwicklung erst zu einer ihr eigentümlichen Form. „Das
radikale Bauprogramm“ (s. Bartning, „Vom neuen Kirchenbau“ Cassirer 1918), die reine Predigtkirche
war eine konsequente Lösung. Doch hatte dieser Bau im Grunde nur profanen Charakter, war Nutz-
und Zweckbau. Dementsprechend war die Bildkunst eines Gebhardt, Uhde, Steinhausen in ihrem rea-
listisch romantischen Charakter intim, auch wenn sie Wände malten. Ihr religiöser Gehalt ist rationa-
listisch, aufklärerisch, literarisch, wörtlich, nicht symbolhaft und ohne Größe. Die Auffassung bleibt
zeitlich beschränkt; nicht nur die Figuren tragen ein zeitlich festgelegtes Gewand.
Alle werden wir hineingeboren in eine Zeit mit ganz bestimmten seelischen Bedürfnissen, mit auch
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