DIE FORM / MONATSSCHRIFT FÜR GESTALTENDE ARBEIT
zismus aus. Darum erstarrte kirchliche Baukunst und Baupflege zwischen Werken, die der Künstler
leer und scheinlebendig nennen muß, die aber für den Gläubigen den einen Vorzug haben: daß sie
unpersönlich sind und so die Erfüllung der Liturgie ermöglichen. — Um dem Teufel des Individu-
alismus zu entgehen, verfiel die kirchliche Kunst dem Beelzebub des Epigonentumes. Damit erstarrte sie
und wurde reif zur Industrialisierung. Die alte Verbindung mit dem Handwerk wurde gelockert —-
das Handwerk selbst aber verlor seinen höchsten Ruhm, indem es nicht mehr angespornt wurde, sich
zur Ehre der Kirche in Höchstleistungen zu erfüllen. Diese Loslösung dürfte als ein wesentlicher Punkt
für die heutige Krise angesehen werden. Über ästhetische Fragen, über Fragen der Kunstrichtung und
der in der Kunst zum Ausdruck gebrachten Weltanschauung mag man streiten: hier aber ist fester
Boden der Sachlichkeit, hier kann die Heilung beginnen. —
Daher muß die Kirche bewußt zum Handwerk und zur Pflege edler Handwerkstechniken zurück-
kehren.
Handwerk ist Frömmigkeit, der echte Handwerker glaubt an seine Arbeit. Sehnsucht nach Ewig-
keit, nach Weiterleben und Dauer legt er in die Gediegenheit seines Werkes und weiht es Gott.
So stehen nach bald tausend Jahren Bernwards Domtüren, so stehen die Dome am Rhein und in
ihren Schatzkammern die Schreine als ihre Ebenbilder in edlem Metall, an denen die Goldschmiede
höchstes plastisches und malerisches Können entfaltet haben. Die Kaiser Wilhehn-Gedächtnis-Kirche
zu Berlin aber ist heute schon der Zerstörung hingegeben, weil sie aus einem Sandstein gebaut wurde,
der in kürzester Zeit verwittert und splittert. — Nach uns die Sintflut. —
In dieser Erkenntnis der Grundbedingung religiöser Kunst: Ewigkeitswert, ausgedrückt in höchster
Gediegenheit der Arbeit, liegt die Basis für das Verständnis dessen, was die Kirche an den Künstler für
Ansprüche zu stellen hat. Versteht er sein Handwerk, hat sein Meisterstück die Kraft, sich zum Symbol
zu erheben, so wird es aus dem Erlebnis der eigenen Gegenwart hinausragen über alle Zeiten, wie
der Turm des Münsters von Freiburg aufsteigt in den Himmel.
Diese auf ragende Kraft ist aber nur dem Werk zu eigen, das aus innerer Seele wuchs. So wichtig es
ist, daß wir bei unseren millionenfach gebrauchten Geräten und Einrichtungsstücken durch Typisie-
rung und Massenherstellung endgültige Form erreichen, so sehr ist es abzulehnen, Gegenstände der An-
dacht, Dinge, die in sich leben und geglaubt werden wollen, unpersönlich als Fabrikware herzustellen.
Ein unbeholfen, aber ehrlich in Glauben und Hingabe geschnitzter Holzleuchter in der Kirche eines
kleinen Walddorfes ist vor Gott mehr wert als ein dickvergoldeter Bronzeleuchter, der seine Ornamente
einer abgelebten Zeit entwendet hat. Wenn sich die Einsicht verbreitet, daß nur schöpferische und
echte Arbeit vor dem Schöpfer der Welt besteht, wenn wieder gesunde Handwerkskultur in der Kirche
ihren Einzug hält, dann ist alles gewonnen.
Diese Wendung aber ist nicht ohne tätige Hilfe der Geistlichkeit zu erreichen. Noch ist der Grund-
satz, daß Werke der kirchlichen Kunst echt sein müssen an handwerklicher Arbeit und innerer Em-
pfindung, nicht eingeführt.
Im kirchlichen Recht wird aus der einst verständlichen Abwehr gegen Mode und Realismus die
Anbringung „ungewöhnlicher“ Bildwerke verboten (Can. 1279), es wird also ein Damm errichtet,
der die kirchliche Kunst zur Stagnierung verurteilt. Und doch waren einst Bernwards Türen und
Leuchter „ungewöhnlich“ gegenüber der byzantinischen Tradition des 9. und 10. Jahrhunderts. Sie
aber halfen entscheidend der deutschen Christlichkeit des reifenden Mittelalters die Bahn zu bereiten.
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zismus aus. Darum erstarrte kirchliche Baukunst und Baupflege zwischen Werken, die der Künstler
leer und scheinlebendig nennen muß, die aber für den Gläubigen den einen Vorzug haben: daß sie
unpersönlich sind und so die Erfüllung der Liturgie ermöglichen. — Um dem Teufel des Individu-
alismus zu entgehen, verfiel die kirchliche Kunst dem Beelzebub des Epigonentumes. Damit erstarrte sie
und wurde reif zur Industrialisierung. Die alte Verbindung mit dem Handwerk wurde gelockert —-
das Handwerk selbst aber verlor seinen höchsten Ruhm, indem es nicht mehr angespornt wurde, sich
zur Ehre der Kirche in Höchstleistungen zu erfüllen. Diese Loslösung dürfte als ein wesentlicher Punkt
für die heutige Krise angesehen werden. Über ästhetische Fragen, über Fragen der Kunstrichtung und
der in der Kunst zum Ausdruck gebrachten Weltanschauung mag man streiten: hier aber ist fester
Boden der Sachlichkeit, hier kann die Heilung beginnen. —
Daher muß die Kirche bewußt zum Handwerk und zur Pflege edler Handwerkstechniken zurück-
kehren.
Handwerk ist Frömmigkeit, der echte Handwerker glaubt an seine Arbeit. Sehnsucht nach Ewig-
keit, nach Weiterleben und Dauer legt er in die Gediegenheit seines Werkes und weiht es Gott.
So stehen nach bald tausend Jahren Bernwards Domtüren, so stehen die Dome am Rhein und in
ihren Schatzkammern die Schreine als ihre Ebenbilder in edlem Metall, an denen die Goldschmiede
höchstes plastisches und malerisches Können entfaltet haben. Die Kaiser Wilhehn-Gedächtnis-Kirche
zu Berlin aber ist heute schon der Zerstörung hingegeben, weil sie aus einem Sandstein gebaut wurde,
der in kürzester Zeit verwittert und splittert. — Nach uns die Sintflut. —
In dieser Erkenntnis der Grundbedingung religiöser Kunst: Ewigkeitswert, ausgedrückt in höchster
Gediegenheit der Arbeit, liegt die Basis für das Verständnis dessen, was die Kirche an den Künstler für
Ansprüche zu stellen hat. Versteht er sein Handwerk, hat sein Meisterstück die Kraft, sich zum Symbol
zu erheben, so wird es aus dem Erlebnis der eigenen Gegenwart hinausragen über alle Zeiten, wie
der Turm des Münsters von Freiburg aufsteigt in den Himmel.
Diese auf ragende Kraft ist aber nur dem Werk zu eigen, das aus innerer Seele wuchs. So wichtig es
ist, daß wir bei unseren millionenfach gebrauchten Geräten und Einrichtungsstücken durch Typisie-
rung und Massenherstellung endgültige Form erreichen, so sehr ist es abzulehnen, Gegenstände der An-
dacht, Dinge, die in sich leben und geglaubt werden wollen, unpersönlich als Fabrikware herzustellen.
Ein unbeholfen, aber ehrlich in Glauben und Hingabe geschnitzter Holzleuchter in der Kirche eines
kleinen Walddorfes ist vor Gott mehr wert als ein dickvergoldeter Bronzeleuchter, der seine Ornamente
einer abgelebten Zeit entwendet hat. Wenn sich die Einsicht verbreitet, daß nur schöpferische und
echte Arbeit vor dem Schöpfer der Welt besteht, wenn wieder gesunde Handwerkskultur in der Kirche
ihren Einzug hält, dann ist alles gewonnen.
Diese Wendung aber ist nicht ohne tätige Hilfe der Geistlichkeit zu erreichen. Noch ist der Grund-
satz, daß Werke der kirchlichen Kunst echt sein müssen an handwerklicher Arbeit und innerer Em-
pfindung, nicht eingeführt.
Im kirchlichen Recht wird aus der einst verständlichen Abwehr gegen Mode und Realismus die
Anbringung „ungewöhnlicher“ Bildwerke verboten (Can. 1279), es wird also ein Damm errichtet,
der die kirchliche Kunst zur Stagnierung verurteilt. Und doch waren einst Bernwards Türen und
Leuchter „ungewöhnlich“ gegenüber der byzantinischen Tradition des 9. und 10. Jahrhunderts. Sie
aber halfen entscheidend der deutschen Christlichkeit des reifenden Mittelalters die Bahn zu bereiten.
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