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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1922

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Redslob, Edwin: Kirche und Handwerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.17995#0224

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DIE FORM / MONATSSCHRIFT FÜR GESTALTENDE ARBEIT
Es muß den Künstler unserer Tage befremden, wie leidenschaftlich zwar von einer neuen Verbin-
dung zwischen Kirche und Kunst gesprochen wird, wie achtlos man aber dabei einer Auseinander-
setzung mit dem aus dem Wege geht, was nun wirklich geschaffen wird. Bleibt die Frage weiterhin
so überwiegend auf Debatten und Erörterungen gestellt, so kommen wir wohl zu einer guten Theorie,
aber zu einer schlechten Praxis.
Die Ansätze zur Gesundung, das heißt also zu einer neuen Verbindung von Kirche und Handwerk,
lassen sich nur dann entwickeln, wenn man — wie Bernward von Hildesheim — die Arbeit der mensch-
lichen Hand und ihren Gebetswert in ihrer ganzen Bedeutung zu verstehen versucht. Es ist daher wert-
voll, daß die Tagungen für christliche Kunst neuerdings wesentlich mehr nach einer Auseinandersetzung
mit den Objekten selbst verlangen. Das gilt von Köln 1921, wo die katholische Geistlichkeit zusammen-
kam, das gilt von Leipzig 1921, wo die evangelische Geistlichkeit sich vereinigt hatte.
Es gibt aber heute schon greifbare Beispiele in Fülle, es gibt auch— die Dombauhütte auf der Deutschen
Gewerbeschau 1922 in München beweist es — ein neues Zusammenstreben aller zu dem einen Werk.
Zahlreiche Probleme, welche die neue Zeit aufstellt, harren der Übertragung auf das Gebiet der
religiösen Kunst.
So schuf Otto Bartning den Entwurf zu seiner „Sternkirche“ und Hans Soeder einen ganz in Holz,
Glas und Farbe gedachten Bau. Aus werkgerechtem Bemühen um den Holzbau hervorgegangen, sind
beide Entwürfe Symbole einer neuen Besinnung zu handwerklich gediegener Konstruktion, Symbole
zugleich einer neuen Frömmigkeit. In Bartnings zentralem Raum kommt der Gedanke der „Gemein-
schaft“ greifbar zum Ausdruck, vor allem aber findet der auch in der protestantischen Kirche erwachte
neue Drang zur liturgischen Feier hier eine erste Grundlage. Soeders klösterlich von einer Siedlung
umzäunte Kirche aber bedeutet in ihrer Ummauerung von Wohnungen eine ganz in sich geschlossene,
auf Gott gestellte Welt.
Auch ein Bau von Alfred Fischer-Essen, dessen Verwirklichung im rheinisch-westfälischen Industrie-
bezirk unmittelbar bevorsteht, beruht auf werkgerechter Auseinandersetzung mit Material und Zweck;
diese Arbeit erobert in klarer neuer Form Stilformen des Betons für die kirchliche Baukunst.
Die Dombauhütte aber, die Peter Behrens für die Gewerbeschau errichtet hat, zeigt in dem Reiz
der Mauerbehandlung, in der wundervollen Durchbildung von Verblendsteinen, Ziegeln, Holz werk und
Fußbodenmosaik, welch einheitliche Wirkung dadurch zu erreichen ist, daß jedem Werkstoff sein Bestes
abgerungen wird, gipfelnd in der in Ton folgenden Portalfigur, die Otto Gothe-Hannover model-
liert hat.
In dieser Bauhütte steht auch ein anregendes Modell: der Plan einer Waldkapelle aus glasierter Bau-
keramik, in dem Poelzig den Drang der Zeit nach Festlichkeit und reicher Materialwirkung zum Aus-
druck brachte. Die Karlsruher keramische Manufaktur gab diesen Auftrag zu einer Zeit, als ihr ganzes
Streben darnach ging, durch große Aufgaben zur letzten Vollendung zu schreiten. Auch hier das
Motto: ad maiorem dei gloriam!
Unserer heutigen Zeit ist auch das Glas des Fensters wieder Baumaterial geworden. Das beweisen
Beispiele von Glasmalerei und Mosaikkunst, die wir auf der Gewerbeschau sehen. — An erster Stelle
steht hier die Kunst Thorn-Prikkers; von großem Interesse ist, wie die Heinersdorffsche Werkstätte
einen Künstler wie Caspar heranzieht, wie sie mit Schmidt-Rottluffs Apostelkopf den Weg in die Zu-
kunft schreitet. Von Bedeutung erscheint auch die Tatsache, daß für die Liebfrauenkirche in Worms
von Baumhauer Fenster geschaffen wurden, die nicht mehr das sind, was der Direktor des Schnütgen-
Museums in Köln, Prof. Witte auf der Kölner Tagung „Abschreibekunst“ genannt hat, sondern die sich

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