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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1922

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Redslob, Edwin: Kirche und Handwerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.17995#0225

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DIE FORM / MONATSSCHRIFT FÜR GESTALTENDE ARBEIT
ehrlich und vorbildlich mit der Farbigkeit und den Stilformen der Gegenwart auseinandersetzen. Drang
des Handwerks nach Vervollkommnung treibt auch hier zu Werken? die Anreiz zur Vollendung im
echten Material geben und bessere Erziehungsmöglichkeit in sich tragen als leere Nachahmung. So
entwickeln sich Kunst und Handwerk im Bunde und beleben Werkstätten? die mehr können als öde
Übertragung zeichnerischer Vorbilder.
So schnitzt Barlach und so malt Nolde? so entfaltete sich eine neue Blüte des Deutschen Holzschnittes?
von der weder die Kirche noch die kirchliche Hauskunst etwas weiß oder doch wissen will.
So steigerte Gies sein Künstlertum bis zu dem Holzbildwerk des Kruzifixus und damit zu einer
Leistung, deren innere Frömmigkeit eine der Handwerkskultur weniger entfremdete Zeit zum min-
desten in ihrer handwerklichen Bedeutung verstanden hätte. Als man das Werk im Lübecker Dom
ausstellte? wurde die Marter von Golgatha an ihm wiederholt, und heute wiederum ist es zweifelhaft,
ob dem wiederhergestellten Werk im Rahmen der Gewerbeschau die Genugtuung zuteil wird, die es
verdient hat.
Handwerkliche Gediegenheit lebt in Dülbergs Bildern? die nicht Staffeleiprodukte sind, sondern Ta-
feln für Kirche und Kult? auch wenn sie den ihnen gebührenden Platz noch nicht gefunden haben.

Es ist hier — mit besonderer Berücksichtigung der Deutschen Gewerbeschau — nur eine andeutende
Übersicht gegeben worden.
Es fehlen noch Namen wie Läuger-Karlsruhe? es fehlt ein Hinweis auf das? was Lang mit seiner
Schule für Goldschmiedekunst in Hanau erreicht hat? es fehlt eine Übersicht über Messing, Kupfer und
Eisen, obwohl doch die handwerkliche Kunst und Freiheit? die aus Schramms Eisengittern aufblüht?
allein schon das Vertrauen auf eine Gesundung der kirchlichen Kunst durch das Bündnis mit dem
schöpferischen Handwerk zu geben vermag.
Und Rudolf Koch ist zu nennen zusammen mit der Gemeinschaft seiner Offenbacher Schreiber:
für den Blockdruck der zehn Gebote? den er schuf, und für die hier spürbare innere Frömmigkeit deut-
scher Handwerkskultur gebe ich neun Zehntel aller heutigen Kirchenmalerei hin.
Vor der neuen Entfaltung der Buch- und Schriftkunst? vor Sprüchen, die Anna Simons schrieb? vor
dem Teppich? in dem Kochs Schriftkunst einen entscheidenden Sieg davontrug, wird wohl mancher
verstehen lernen, daß die christliche Kunst nicht an den Gegenstand gebunden ist? —- es ist der Geist?
der sie bewegt? es ist das Geheimnis des Musters? denn jedes echt empfundene Ornament bedeutet
ein Ausgreifen in die Unendlichkeit. So können auch abstrakte Werke? wie H. A. Leistikows Fenster
in Bergs Friedhofskapelle zu Breslau? oder wie Bilder von Itten und Stilleben von Kanoldt von uns als
religiös empfunden werden wegen der Versenkung in Gott? die aus ihnen spricht.
Eines bleibt als Ergebnis: wir sehen Anfänge. Sie mögen noch zurückstehen hinter dem? was uns
gereifte Zeiten als große Vorbilder hinterließen, sie mögen vielleicht enttäuschen, nachdem so viel an
Theorien über die christliche Kunst aufgebaut wurde. Aber sie weisen uns doch den Weg, sie stehen
doch nicht mehr degeneriert am Ende einer abgelebten Entwickelung? sie sind wieder Anfang, und das
ist ihr Wert. Wichtig aber erscheint vor allem dies: daß wir den schöpferischen Arbeitstrieb der mensch-
lichen Hand? den Urtrieb des Handwerks und aller Kultur als eine entscheidende Grundlage religiöser
Kunst erkennen. Nicht die Schöpfung, der Schöpfer selbst ist das große Symbol für alle Gestaltung,
die religiös zu nennen ist.

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