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Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes: Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes — 1930

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Nr. 40

Sonniag, 9. März

Herausgeber:
Curt Kieshauer
Fernruf L8S2

Mittelstands-Zeitung
llMWgigks Kmpsblill sik du Zilcnssc« des dcitsße» NittelßsUer
öMeWeiiW MM-Wlmz
Bezugspreis monatlich 0,60 Reichsmark. Bei Postbezug
vierteljährlich 2,10 Reichsmark. Für ausgefallene Nummern
wird kein Ersatz geleistet Der JnserbonSpreis ist 10 Reichs¬
pfennig für die achtgcspalteue Millimeterzcile oder deren
Raum Reklamen 0>M M'M. nro rnni-llcile

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Zeitung für gesunde Wirtschaftsinteressen des gewerblichen
Mittelstandes, des Handwerks, Handels, Haus- und Grund-
besitzes, der Landwirtschaft, freien Berufe und aller sich zum
.rechn,nd»n KMp und. tzqndarhsiMv...
Jahrgang 4930
—-,— —„—.....


Das Wo der anderen.

Das von der Sozialdemokratie im Jnter-
n« der Arbeitslosenversicherung geforderte
^otopfer" ist nichts anderes als die Sonder-
"ffteuerung einer an diesem Versicherungs-
i>deig völlig unbeteiligten Bevölkerungsschicht
^it dem ausgesprochenen Ziel, eine schon längst
^formbedürftige Einrichtung ohne Beseiti-
gung der Mißbräuche zu Lasten anderer wei-
bestechen lassen zu können. Diese Abwäl-
^Ng des eigenen Risikos aus andere ist heute
Deutschland leider alltäglich.
. In Deutschland befassen sich mit der Erle-
Jltung von Verwaltungsausgaben in Reich,
Andern und Gemeinden über eine Million
Aamtc. Rechnet man dazu noch die Lehrer,
-ie in der Sozialversicherung tätigen Personen,
Ae Beamten der Post und der Reichsbahn, die
Mlrtestands- und pensionierten Beamten, die
^eamtenwitwen und Waisen, die aus öfsent-
ichen Mitteln unterhaltenen Sozialrentner
vrvie die aus der Arbeitslosen- und Krisen-
^rsorgc dauernd Unterstützten usw., so kommt
Zap zu dem Ergebnis, dass zur Zeit einschl.
Familienangehörigen mindestens 16 bis
Millionen Personen direkt oder indirekt
An der öffentlichen Hand leben: das ist rund
^'.n Viertel der Gesamtbevölkerung. Nun ist
öffentliche Hand — von wenigen Aus-
^chmefällen abgesehen nicht in der Lage,
An sich aus neues Kapital zu erzeugen; Je
^rbraucht vielmehr Kapital; im günstigsten
All verwaltet sie es, wobei wesentlich ist, dass
A so leicht nicht notleidend werden kann, weil
A auf die Steuerkraft der Berufstätigen zu-
Rckzugroifen vermag. Die öffentliche Hand
Ard also in der Regel ihrer ganzen Einstel-
lung nach nicht so produktiv wirtschaften wie
A Personen, die den Ertrag ihrer Arbeit
At dem eigenen nicht mir dem anderer
Arsonen — bestreiten. Daraus ergibt sich,
Ass die von der öffentlichen Hand abhängigen
Aeise mehr im Sinne des Verbrauchergedan-
'^Ns denken, als in dem der Steigerung des
wirtschaftlichen Ertrages, sie sind also zu Geld-
Asgaben durch die öffentliche Hand verhält-
nismässig leicht geneigr, weil sie diese nicht
^er doch nur zum geringsten Teil selbst aus-
bringen haben. Diese, aus der ganzen Ve-
wiigunq -er öffentlichen Hand sich ergebende
Atsachc hat ihren Ausdruck darin gefunden,
Ass die öffentliche Hand in Deutschland rund
A Prozent des Volkseinkommens für sich in
"-sprach nimmt gegenüber nur 16 Prozent

Wirtschaft ohne Unternehmer"

in England, 10 Prozent in Frankreich usw.,
darüber hinaus macht sie aber auch noch Schul-
den. die sich seit 1915 im Reich auf 8 Milli-
arden RM. belaufen, bei den Kommunen auf
fast 4 Milliarden RM. usw.
Eine weitere Folge ist, dass zur Beschäfti-
gung der vielen von der öffentlichen Han-
abhängigen Personen Aufgabenbereichs in An-
griff genommen werden, die eigentlich gar
nicht Gegenstand der öffentlichen Betätigung
sein dürften; daraus entstehen dann die Zu-
sammenbrüche der öffentlichen Wirtschaft, die
jetzt täglich zu erleben sind. Eine weitere
Folge sind die dauernden öffentlichen Eingriffe
in die Tätigkeit des Einzelnen, die z. B. bei
Baugenehmigungen in Berlin dahin führen,
dass de Hauptakten ungefähr 80 Wochen lang
6—8 verschiedene Instanzen durchlaufen müs-
sen und dass die Neüenakten noch 10 weitere
Behörden zu passieren haben. Aehnlich wird
die Arbeitszeit der privaten Gewerbetreiben-
den auch auf anderen Gebieten durch die Be-
hörden in Anspruch genommen. Man denke
nur daran, eine wie grosse Anzahl von Ar-
beitskräften dauernd damit beschäftigt ist. ge-
setzliche Vorschriften uuszuführen und sogar
swie beim Steuerabzug usw.f die Funktionen
auszuüben, die eigentlich vom Staat selbst
vollzogen werden müssten; es braucht nur er-
innert zu werden an die unzähligen neuen
Bestimmungen auf dem Gebiet des Arbeits-
vertrages, -es Arbeitsschutzes, -er Arbeitszeit,
Les Betriebsrätegesetzes, der Sozialversiche-
rung, des Kündigungsschutzes, des Steuerab-
zuges, des behördlichen Genehmigungsverfah-
rens usw., um zu sehen, ein wie grosser Teil
der privaten Arbeitskraft auf behördliche An-
ordnung -er eigentlichen Unternehmertätig-
keit entzogen und mehr oder weniger unpro-
duktiv verwandt wird Welchen Umfang Liese
obrigkeitliche Einmiichungstär-gkeit har, ergint
sich schon daraus, dass in den Jahren 1924 bis
1928 das Reichsgesetzblatt. Teil 1 einen Um-
fang von 2930 Seiten und im Teil 2 einen sol-
chen von 4253 Seiten angenommen hat und
dass in Deutschland zur Zeit nicht weniger als
350 verschiedene Sreuern existieren, von denen
30 auf das Reich, 156 am die Länder und 170
auf die Gemeinden entfallen.
Alle diese Hemmungen sind letzten Endes
darauf zurückzuführen, dass es in Deutschland
zu viele Personen gib:, -re nicht vom eigenen
Risiko leben, sondern von -em -er anderen.

Hass, Hader und Kampf im eigenen Volke.
Eich umschauend sieht er Elend, Armut, Demü-
tigung und Knechtung seines Volkes, und er-
kennt die politischen Fehlschläge. Vorwärts-
blicken- schaut er vor sich eine finstere Zu-
kunft. Ihm sind nicht die ruhigen Bahnen der
Entwicklung der Vorkriegszeit gewiesen, in der
in Generationen die Familie durch Arbeit und
Tatkraft emporwuchs, in der aus kleinen Fa-
milienunternehmungen grosse Werke geschaffen
werden konnten, in der der Vater durch seiner
Hände Arbeit dem Sohne den Aufstieg ermög-
lichen konnte. Heute ist es anders. Die Ju-
gend erkennt die Schwäche -er Zeit, liebäugelt
vielleicht auch mit -em Zeitalter des Sozialis-
mus, spielt auch vielleicht mit dem utopischen
Gedanken, sich als Volksführer der Zukunft
aus der Vermassung hervorzuheben.
Gewiss sollte sich auch die Wirtschaft besin-
nen und acht haben auf das Werden der Ju-
gend und helfend denen zur Seite treten, die
den jungen Menschen, den zukünftigen Mit-
arbeiter in der Wirtschaft zu führen berufen
sind. Am die Jugend zu befreien aus -er
Vermassung, um sie zu freien, frohen und ver-
antwortungsvollen Menschen heranzuziehen,
-nuss die Arbeit in -er Schule ansetzen. Be-
wusst schalte ich hier die Jugendverbände aus
und ebenso bewusst fasse ich unter Schule hier
die auf die Praxis vorbereitende Fachschule —
kaufmännische und gewerbliche — ins Auge,
die dem JndustriekauMann und -em Wnren-
täufmann, -em Unternehmer schlechthin, den
Nachweis liefern. Der Franzose Gustav Le
Bon hat schon recht, wenn er sagt: „Hand in
Hand mit -em Unterricht und der Erziehung
verbessert oder verschlechtert sich die Menschen-
seele."
Alle Welt in Deutschland schimpft über die
„Verschulung" des deutschen Volkes. Deutsch-
land aber ist gross geworden durch die Schule.
Nur ist sehr oft die heutige Schule nicht mehr
j jene Schule, aus der der Arbeiter mit gesun-
ken sozialen Anschauungen, -er pflichttreue
Beamte, der mutige Soldat:, -er langiam
gewachsene Diplomat" und -er volksverbun-
dene Wirtschaftsführer hervorgingen., mit
einem Wort, die alle jene Kräfte erzog: -ie
Deutschland gross werden liessen. Gefällt das
Wort „Verdummung" etwa besser als „Ver-
schulung"^ Beides ist doch wohl abzulehnsn.
Die Verflachung aber muss ausgemerzt wer-
den. Unsere Schirle kann schon Gutes leisten,
wenn sie nicht verflacht, sondern vertieft, wenn
sie nicht nur Gesetze predigt oder die Ursache
zu nennen, wenn sie sich nicht nur orientiert
an -er heutigen Zeit ohne Beachtung und
Würdigung der Vergangenheit, wenn sie nicht
nur Technik vermittelt ohne die Verbunden-
heit der Wirtschaft mit dem Volke auszuweisen,
wenn sie nicht die Männer in -er Wirtschaff,

die um die Existenz der deutschen Wirtschaft
und damit auch um die des Volkes kämpfen
und ringen und sich selbst aufopfern als Skla-
ven -es Mammons bezeichnen lässt und von
ihnen wenig oder überhaupt nicht spricht. Ge-
rade Lio mit Wirtschaft verbundenen Schulen
sollen die Jugend heranbilden zu freudigen
Mitarbeitern in der Wirtschaft und damit zu
wertvollen Kräften am Wiederaufbau unseres
Vaterlandes. Aus -en Schulen sollen wirt-
schaftsbejaihende und wirtschastsverstündige
Menschen hervorgehen, welche die national-
politische Bedeutung -es deutschen Unterneh-
mertums erkennen und zu festigen zu helfen
bereit sind.
Wenn allerdings, wie im Sklarek-Ausschuss,
bei Besprechung der Frage, wie Berlin zu fei-
nen Schulden gekommen ist, festgestellt wurde,
dass Berlin in 10 Jahren mehr höhere Schu-
len als Volksschulen haben wird, dann kann
einein angst und bange werden um das An-
wachsen des geistigen Proletariats und um die
Zunahme der Vermassung. Der Jugend kann
man jedoch deshalb keinen Vorwurf machen,
sondern hier liegen die Fehler im System -er
heutigen sozialen Anschauungen. Offen zuge-
geben werden muss die Tatsache, dass sich sämt-
liche Gewerkschaften und die ihnen nahestehen-
den Verbände weit mehr um die Ausbildung
unserer Jugend kümmern als die Kreise, die
auf eine Zusammenarbeit mit. eben dieser Ju-
gend als Nachwuchs angewiesen sind. Richtig
ist zwar, -ass die Industrie und -er Handel
auf -em Gebiete -er praktischen Jugendaus-
bil-ung viel leisten — hierfür find ja die viel-
fachen Bestrebungen -er Datsch, des Dinta, des
Arbeitsausschusses, des Saarbrücker Instituts
usw. die besten Beweise -, aber auf die
grundsätzliche Gestaltung des heutigen Schul-
wesens, insbesondere auch auf seine örtlich«
Steuerung nimmt das organisierte Arbeit-
gebertum viel zu wenig Einfluss^ Ansere vor-
bereitenden Fachschulen können in ihrem Un-
terricht die bewährte Praxis nur nachahmen,
und sie versuchen auf allen Gebieten, einen
lebensnahen und lebenswahren Unterricht zu
erteilen und Verständnis zu erwecken für die
Not und Sorgen des deutschen Unternehmer-
tums. Wer aber kümmert sich etwa um' den
Abiturienten, -er von der Schule aus in die
Wirtschaft gegangen ist und sich nun dort nicht
zurechtfinden kann'? Seine zum Teil lebens-
ferne Erziehung auf -er höheren Schule er-
schwert ihm die Einordnung, ihm find die Zu-
sammenhänge fremd, er fühlt sich nicht ohne
weiteres als Glied -er Gesamtheit und läuft
leicht Gefahr, abzutreiben und der Vermassung
anheimzufallen. Gerade auf diesem Gebiete
erwächst der Wirtschaft zusammen mir der
Schule noch eine wertvolle und dankbare Auf-
gabe.

. Ein Leser aus dem praktischen Schuldienst
treibt uns:
„Au dieser Frage äussert sich in Nr. 33 -er
B.-Z. vom 8. Februar 1930 Herr Georg
Schröder, Berlin. Er lenkt die Aufmerksam-
st der Wirtschaft und Wirtschaftsführer auf
merkbar vor sich gehenden Wandel in der
Anstellung -er Jugend zum Unternehmer-
Nin. Er glaubt, in den letzten Jahren in
fuchsendem Masse ein Hinneigen zu wirt-
haftösozialistischen Gudankengängen der Ju-
A-n- festgestellt zu haben, glaubt, dass -er
Wirtschaftler und Wirtschaffswissenschafler
"nese unternehmerfein-liche und reichlich uto-
Nch« Einstellung" -er Jugend mit 'einem
Achselzucken quittiert. Er spricht dann insbe-
ch'-ere von der völkisch denkenden Jugend,
Wen politischen Absichten, ihrer ethischen Ein-
Jssung, ihrer Forderung nach der Verstaat-
-chung der Urproduktion, der Banken usw
Einstellung dieser Jugend aber kann al-
nicht massgebend für die Fragestellung des
Verfassers sein.

Wenn man sparen will..

Nach dein Artikel des Herrn Schröder
könnte man den Eindruck gewinnen, dass un-
sere heutige deutsche Jugend zu einem hohen
Prozentsatz abschwimme ins sozialistische Fahr-
wasser, dass sie reif sei zur Vermassung. Nein!
Noch lebt auch ein guter Geist in unserer Ju-
gend und noch find Kräfte am Werk in un-
serer Jugend uird an unserer Jugend, die in
eben dieser Jugend noch Persönlichkeitswerte
zu schaffen trachten, die in unserer zerrissenen
uuv wirren Zeit -er Jugend noch Vorbilder
und Kräfte zu zeigen vermögen, die ihr Halt,
Trost und Kraft verleihen. Der Ruf unserer
heutigen Jugend ist schlechter als die Jugend
selbst. Schwerer wie einst ist es für die heu-
tig« Jugend, sich zurecht zu finden. Gewiss tra-
gen viele zum Führen „berufene" oder „er-
nannte" Erwachsene nicht dazu bei. die Ju-
gend, insbesondere die ernst denkende Jugend,
zu begeistern und ihr klare und feste Ziele zu
zeigen. Rückwärts schauend sieht der junge
Mensch die Vernichtung alles dessen, was einst
gross cvar. die Zerreissung seines Vaterlandes,

Aus unserem Leserkreis erhallen wir fol-
gende Zuschrift:
„Die Erkenntnis, dass -er Sparkommissar
in seiner heutigen, vom Reichstag abhängigen
Stellung geradezu illusorisch ist. weil die von
ihm beabsichtigten Sparmassnahmen an dem
Widerstand der Volksvertreter scheitern, hat
beim grössten Teil des deutschen Volkes den
Ruf nach -em Finanzdikiator geboren. Dieser
Ruf ist nun auch in den Reichstag gedrungen.
Er ist ein Volksbegehren mit absoluter Mehr-
heit. And wenn er aus Prestigegründen für
die Regierung augenblicklich unerfüllt bleiben
sollte, dann werden die Verhältnisse sich stärker
erweisen als die Mehrheit des Reichstages,
weil das Wohl des Vaterlandes verlangt, dass
im Innern rücksichtslos Ordnung geschaffen
wird. Reift man heute ins Ausland, überall

hören Sie: Die Welt glaubt nicht an eine pre-
käre Finanzlage in Deutschland, solang« es sich
den. Luxus leisten kann, über 20 Länderregie-
rungen, 82 Minister und über 2300 Abgeord-
nete als Regierungssystem zu unterhalten.
Welche Sparmassnahmen sind nun erforder-
lich. um dieFinanzen durchgehend zu sanierens
Für die Verfckssungsreform gibt es nur
einen richtigen Weg, und zwar -en, einer Zu-
sammenfassung nach Wirtschaftsgebieten inner-
halb des Deutschen Reiches, wobei als Richt-
schnur dienen muss, dass -ie Neuformierung
nicht mehr als vier Staaten ergeben darf:
Preussen mit Neichsregierung vereinigt. Sach-
sen-Thüringen, Bayern und Südwestdeutsch-
land, letzteres umfassen- die Staaten Baden,
Hessen, Pfalz, Württemberg und Hohenzollein.
Grundbedingung muss sein, dass die Zahl -er
 
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