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Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes: Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes — 1930

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Zahrgang ^930

Nr.

Gonniag, iL3 April.

MmDenW Mger-AeitMz
M-sckästsstelle - Bezugspreis monatlich 0,60 Reichsmark. Bei Postbezug
vsieue . vierteljährlich 2,10 Reichsmark. Für ausgefallene Nummern
Heidelberg, Hauptstraße 10V wird kein Ersatz geleistet. Der Jnscrt!onspreis ist 10 Reichs-
' Pfennig für die achtgespaltene Tallinn eile oder deren
Raum. Reklamen 0,40 RM- pro mm-Zeile.

Heidelberger
Biirger-ZMung
Mittelstands-Zeitung
llndhSuitt» KampftlM I»k die ZOttesski Ns de>lsA> MUIWSes
MMWOItM-wWaWe zettmii ""
Zeitung für gesunde Wirtschaftsinteresscn des gewerblichen
Mittelstandes, des Handwerks, Handels, Haus- und Grund¬
besitzes, der Landwirtschaft, freien Berufe und aller sich zum
Mittelstand rechnenden Kopf- und Handarbeiter.

Köln - ein Beispiel
skandalöser Finanzwirtschafl
Bor einer Finanzkatastrophe wie in Berlin.
Deutschnationaler Vorstotz gegen Oberbürger-
meister Dr. Adenauer im Preutzischen Landtag.
Von unserem Kölner Mitarbeiter.
In sämtlichen Kölner Stadtratsfraktionen
ist augenblicklich guter Rat teuer, wie man
einerseits das 24-Millionen-Defizit auf eini-
germatzen anständige Art loswerden kann
ohne auf der anderen Seite durch eine allzu-
starke Bewilligungsfreudigkeit die Wähler-
schaft zu verbittern. Wir wiesen vor einigen
Tagen im Dortmunder Eeneral-Anzeiger be-
reits darauf hin, datz die Verwaltungsvorlage
zunächst als erledigt angesehen werden mutz,
nachdem sich auch die Zentrumspartei gegen
die Erhebung einer Nachsteuer ausgesprochen
hat. Die Folge davon ist, datz augenblicklich
in allen Lagern auf eigne Verantwortung
Mit Zahlenexperimenten herumjongliert wird.
Die deutschnationale Zweimann-Partei der
Kölner Stadtverordnetenversammlung, die
bisher ein beschauliches Leben völliger Be-
deutungslosigkeit geführt hat, glaubt nun bei
der verworrenen Lage einmal ordentlich aus
dem Trüben fischen zu können. So hat sie
sich jetzt die deutschnationale Fraktion des
Preutzischen Landtages vorgespannt und durch
diese im Landtag folgende Kleine Anfrage
einbringen lassen:
,Me „Deutsche Bergwerkszeitung" schreibt
bnterm 23. März 1930: Ein besonders trauri-
ges Beispiel skandalöser Finanzwirtschaft
bietet Köln unter der glorreichen Herrschaft
Adenauers. Er hat es glücklich zu einem De-
fizit von 24 Millionen Mark gebracht bei
einer schwebenden Schuld von nicht weniger
als 180 Millionen, welche eine Zinslast von
jährlich 18 Millionen Mark für die Stadt be-
deuten. Kein Wunder, datz jeden Ultimo die
Reise nach Geld von neuem losgeht. Es ist
auch weiter nicht erstaunlich, datz Köln dann
die höchsten Zinssätze auf Kosten der Steuer-
zahler anlegen mutz, von der Rückwirkung
einer derartig ungesunden Inanspruchnahme
des Geldmarktes auf die Privatwirtschaft zu
schweigen. Erst vor kurzem hat die Stadt
Köln Leim Gerlingschen Konzern einen Kredit
von 3 Millionen Mark ausgenommen, wofür
sie sage und schreibe 11 Prozent (2 Prozent
über Bankdiskont, 92 Prozent Auszahlung)
zahlt.
Es wird gefragt: 1. Treffen diese Anga-
ben du? 2. Wenn ja, was gedenkt das
Staatsministerium zu tun, um die Stadt Köln
vor einer Finanzkatastrophe, wie sie Berlin
jetzt erlebt hat, zu bewahren."
Rein sachlich ist ja gegen die Interpellation
wenig zu sagen, spitzen sich doch die Kölner
Finanzverhältnisse mehr und mehr zu einer
Krise zu, die deu abschreckenden Berliner Bei-
spiel nur wenig nachgibt. Aber beinahe tra-
gikomisch mutet es an. datz gerade die Deutsch-
Nationalen den Mut gefunden haben, nach der
alten Parole .Haltet den Dieb" die Entrüste-
ten zu spielen. Hier in Köln haben wir jeden-
falls von einem etwaigen Sparfanatismus
der deutschnationalen Fraktion noch nichts be-
merkt!
*
Verschlechterung der
Rechtspflege.
Von Amtsgerichtsrat
Dr. Karl-Ludwig Schimmelbusch.
Laut neuesten Meldungen hat das Reichs-
kabinett von der Sparvorlage Preutzens nur
die Erhöhung der amtsgerichtlichen Zuständig-
keit von 500 Mark auf 100 Mark, der Berufs-

Aufstieg?

Kaum jemals ist die Konjunkturbeurtei-
luHg so undurchsichtig und so schwer vorher
bestimmbar gewesen wie jetzt. Günstige und
ungünstige Momente gehen durcheinander. Als
günstige Momente sind u. a. zu nennen die
Flüssigkeit auf dem kurzfristigen Geldmarkt:
die verhältnismässig nur unwesentliche Ver-
ringerung der Kaufkraft der breiten Masse,
da die Ausfälle infolge Arbeitslosigkeit durch
die höheren Neallöhne ausgeglichen werden
sWochenumsätze der rhein.-westf. Konsumver-
eine z. B. je Kopf in den Monaten Januar
und Februar 1930 rund 9,30 Mark gegenüber
9,94 Mark im September 1929): die Preise
weisen sowohl für die internationalen als
auch für die deutschen Waren weichende Ten-
denz auf: von ihnen müsste deshalb eigentlich
ein neuer Koniunkturantrieb ausgehen: die
Beschäftigung für das Ausland ist nach wie
vor verhältnismässig befriedigend. Ungünstige
Momente sind vor allem zu erblicken in der
zunehmenden Zahl dec Konkurse und Wechsel-
proteste sowie in den immer schleppender wer-
denden Zahlungseingängen. Sehr ungünstig
stimmen muss vor allem der erstaunliche Rück-
gang der Produktion: nach dep Mitteilungen
der Abt. „Westen" des Konjunkturforschungs-
institutes ist z. B. der Produktionsinder im
rheinisch-westfälischen Industriebezirk f1926/27
100 gesetzt) von 110.7 m Durchschnitt der
Monate Oktober/Dezember 1929 zurückgegan-
gen auf 104,4 im Februar 1930: der Absatz-
index hat sich sogar von 102,4 auf 87,3 ver-
mindert. Zusammenfassend kann man sagen,
dass die günstigen Beurteilungen, die noch zu
Jahresanfang in einem Teil der Tages- und
Fachzeitungen (insbesondere in denen des
Handels) zu lesen waren, in der tatsächlichen
Entwicklung eine Bestätigung nicht gefunden
haben.
Für die nächste Zukunft bestehen an sich
einige günstige Anzeichen. Die Verhältnisse
auf dem Geld- und Kapitalmarkt werden, da
mit dem Hereinkommen einiger grösserer An-
leihen zu rechnen ist, für die nächste Zeit eine
Verschlechterung vermutlich nicht erfahren. Die
saisonmässige Belebung müsste eigentlich zu-
nehmen. Die Lagerbestäude in der Produktion
und in der Güterverteilung sind vielfach so

gering geworden, dass Neubestellungen un-
ausbleiblich erscheinen. Ungünstige Zeichen
bilden die zunehmende Kreditunsicherheit so-
wie der Kapitalmangel gerade in den Gewer-
ben, von denen sonst eine Belebung auszuge-
hen pflegt. Dazu kommt, dass Rationalisie-
rungspläne schon deshalb kaum noch bestehen,
weil ihre bisherige Durchführung den erhoff-
ten finanziellen Gewinn nicht gehabt hat: eine
Rationalisierungskonjunktur, wie wir sie frü-
her hatten, ist also nicht mehr wahrscheinlich.
Das am ungünstigsten auswirkende Moment
liegt aber in dem allgemeinen Mangel an
Unternehmungslust und in dem ausgesproche-
nen Misstrauen gegen die künftige Entwick-
lung, Momente, die man auf keinen Fall un-
terschützen sollte: sie werden erst dann ver-
schwinden, wenn in Deutschland wieder eine
wirkliche politische Führung existiert, die auch
wirtschaftliches Vertrauen auslöst. Gerade
hier liegt eine der wichtigsten Aufgaben, die
die neue Regierung zu erfüllen hat.
Besondere konjunkturpolitische Beachtung
verdienen die Vorgänge sozialpolitischer Art.
In den Monaten März bis September laufen
für fast 5 Millionen Arbeitnehmer Tarifver-
träge ab. Trotzdem bereits jetzt für rund
1,2 Millionen Arbeitnehmer die Tarifverträge
abgelaufen sind und im April und Juni die
gleiche Anzahl kündbar wird, sind ernsthafte
sozialpolitische Konflikte bisher noch nicht ent-
standen, weil den Gewerkschaften der augen-
blickliche Zeitpunkt der Wirtschaftsdepression
zur Einreichung neuer Forderungen zu un-
günstig erscheint. Dieser an sich erfreuliche
Umstand birgt aber ein Gefahrenmoment des-
halb in sich, weil die Tarifverträge automa-
tisch nur kurzfristig sin der Regel nur 1 bis 2
Monate) weiter laufen. Bei einem etwaigen
Konjunkturanstieg könnte nach der in diesem
Fall jederzeit möglichen offiziellen Kündigung
der Verträge die Gefahr entstehen, datz An-
sätze zur Konjunkturbelebung durch neue sozi-
alpolitische Aktionen gelähmt werden. Man
sollte deshalb rechtzeitg dazu übergehen, durch
Kündigung der Verträge die Möglichkeit einer
langfristigen Erneuerung zu schaffen, um auf
diese Weise wenigstens die sozialpolitische Be-
unruhigung vom Markt fern zu halten.

summe von 50 Mark auf 200 Mark und die
Betreuung mehrere Amtsgerichte durch einen
Richter angenommen.
Weite Kreise aber fürchten auch dabei noch
für die Güte der Rechtsprechung und warnen
vor „Experimenten". Sicher muss sie das A
und O aller Reform bleiben. Nichts wäre
falscher als, selbst in Notzeiten, sie preiszuge-
ben um das Linsengericht der Eehältererspar-
nis. Wie alle, die wir im Zeitalter der Ma-
schine und der Rekordwut am Neubau unserer
Rechtspflege arbeiten, leben ja im heiligenden
Bewusstsein, ihr ein Recht schaffen zu wollen,
das nicht von dieser Welt ist. ein Reich, das
der Verwirklichung sittlicher Ideale gilt, wo
die Kräfte des Unsichtbaren, des Irrationalen
walten, einen Schutz der Zaungäste des Le-
bens, der Mühseligen und Beladenen im
Kampf mit den immer dreister sich gebärden-
den Ungeheuerlichkeiten der Zeit, den starken
Hort einer den Stürmen der Zukunft gewach-
senen Volksgemeinschaft. Aber: die Zuständig-
keitsgrenze vom Jahre 1909 — 600 Mark —
hat sich doch bewährt, und ihr würden heute
— gemessen an der Kaufkraft des Geldes —
900 Mark entsprechen. Warum dem Amtsge-
richt mit seiner hohen Zuständigkeit in Straf-
sachen nicht auch Streitwerte bis 1000 Mark
anzuvertrauen wären, ist unerfindlich. Etwa
ein Drittel der Prozesse würden ihm so zufal-
len. Fiskalische Gründe dürfen keinen Aus-
schlag geben, wohl aber die Ersparnis an Zeit

und Geld. Die Einbusse der Landgerichtsan-
wälte an den Sachen zwischen 500 und 1000
Mark Streitwert gleicht der Zuwachs der Be-
rufungen aus.
Beachtlich aber sind die Bedenken gegen
eine Unangreifbarkeit der Urteile bis zu 200
Mark Streitwert. Nicht darüber. herrscht
Streit, dass für kleinliche Tagesstreitigkeiten
eine Entscheidung genügen mutz, vom allzu
hoch über dem Reichsbankdiskont geforderten
Zinsfuss bis zum „selbstredend" böswillig ab-
handen gebrachten W. E.-Schlüssel, sondern
darüber, wo diese Grenze liegen soll. Unter
200 Mark liegt die Mehrzahl der Prozesse der
kleineren Gewerbetreibenden. Allen diesen
würde die Nachprüfbarkeit vor dem Kollegial-
gericht entzogen werden. Wer den Wert ein-
gehender Aussprache gerade auf der Grund-
lage eines früheren, oft erst auf die richtige
Fährte führenden Uteils, wer das oft harte
Ringen in der Beratung letzter Instanz um
die „Gewissheit des Richterspruchs" kennt, wird
für unser verarmtes Volk solche „Modernis-
men" nicht .wagen wollen.
Unbedenklich aber ist die an Stelle der
einstweilen nicht durchsetzbaren Aufhebung von
Zweiggerichten gedachte „Personal - Union"
mehrerer Amtsgerichte. Der soziale Charakter
des Prozesses kann dadurch nicht leiden: den
Interessen der Parteien dient es mehr, am
Nachbargericht kurzen Termin zu bekommen,

als am eigenen Wohnort wochenlang nur dar-
um zu müssen, weil sich hier nicht oft genug
eine Sitzung füllen lässt. Also Prozesskonzen-
tration, ohne der Bevölkerung ihr Amtsgericht
zu rauben!
Zum Kapitel
„Elatsliberschreiiungen".
Man schreibt uns: Eine üble Gepflogenheit
hat sich in manchen Stadtverwaltungen einge-
bürgert, die geeignet ist, das Recht der Ver-
antwortlichkeit der Stadtverordneten lediglich
als Schein zu werten. Es ist die fast alltäg-
lich gewordene Erscheinung: für irgendeine
Einrichtung werden die Mittel bewilligt, dis
Verwaltung reicht aber mit diesen Mitteln
nicht aus, und legt nach langer Zeit eine Ab-
rechnung vor, die ganz bedeutende Ueberschrei-
tungen aufweist. Den Stadtverordneten bleibt
nichts anderes übrig, als nachträglich zu ge-
nehmigen, da doch nichts mehr zu ändern ist.
Beliebt ist diese Methode besonders bei der
Vauverwaltung. Man hat den Eindruck, als
ob die Vauverwaltungen manchmal einen
niedrigen Kostenanschlag vorlegen, nur um
das jeweilige Projekt bewilligt zu erhalten:
im Hintergrund schlummert dann der Gedanke,
ach, bei der endgültigen Abrechnung werden
auch die Mehrkosten bewilligt. Manche Vau-
verwaltung will aber noch schlauer sein: sie
legt die Abrechnungen für mehrere Bauten
vor, in der Hoffnung, datz dann die einzelnen
Ueberschreitungen nicht so auffallen. Gegen
diese Methode hat sich nach jahrelangem Still-
schweigen nun endlich die Recklinghäuser
Stadtverordnetenversammlung gewandt. Sie
sollte eine ganze Reihe solcher Abrechnungen
nachträglich bewilligen. Darunter war aber
ein Posten, der um nicht weniger als 70 Pro-
zent überschritten war. Das ging den Stadt-
verordneten denn doch zu weit. Im Namen
des ganzen Kollegiums protestierte der Stadt-
verordnetenvorsteher gegen diese Methode.
Auch wenn die Kommissionen und Deputatio-
nen die Mehrausgaben bewilligt hätten, sei
damit noch nicht die Verantwortlichkeit von
der Stadtverordnetenversammlung genommen.
Der Magistrat werde ernstlich an seine Pflicht
erinnert, Ausgaben von der Stadtverordneten-
versammlung bewilligen zu lassen.
chc
private Vausparkaffen
sind augenblicklich die grosse Mode geworden.
Umso verdienstlicher ist es, wenn „Neumanns
Zeitschrift für Versicherungswesen" mit einer
am 26. März begonnenen Artikelserie versucht,
die bestehenden Bausparkassen zu schildern.
Eine vollständige Uebersicht über die bisher
in Deutschland gegründeten Bausparkassen zu
geben, ist allerdings nach den einschränkenden
Bemerkungen der Zeitschrift in einer Zeit, in
der täglich Neugründungen erfolgen, beinahe
aussichtslos. „Zu dieser Schwierigkeit", so
heisst es in dem Aufsatz über die privaten
Bausparkassen u. a. wörtlich, „kommt eine
weitere: Nicht alle privaten Bausparkassen
beruhen auf einer Neugründung: in vielen
Fällen nehmen Gesellschaften der verschieden-
sten Rechtsformen durch einen kleinen Zusatz
in ihrem Eesellschaftsvertrage das Bausparen
auf. Wenn auch gewöhnlich von den Register-
gerichten und den Industrie- und Handelskam-
mern im Interesse der Firmenwahrheit als-
dann darauf gedrängt wird, den Zweck der
Gesellschaft im Firmennamen anzudeuten, so
ist, wie zahlreiche Beispiele beweisen, noch
nicht einmal dieser Grundsatz durchweg befolgt
worden.
Soweit man beobachten kann, kommt der
Zustrom zu den Bausparkassen besonders aus
drei Richtungen. Zunächst einmal handelt es
 
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