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Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes: Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes — 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.42441#0219
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wird nach voraufgegangenen Verhandlungen
mit den politischen Parteien in besonderen
Aufrufen die Parteien namhaft machen, die
sich zur Erhaltung des deutschen Handwerks
und zur wirksamen Anwendung des Artikels
164 der Verfassung des Deutschen Reiches ver-
pflichtet haben."

Illi»

öeidelberger

EWzrl-reiS 18 Pfg

Postbezug

Sonntag, 31. August

Nr. SS

war ist einMeitrlampf?

H

ihnen ta-
wird man
überhaupt
liegt nun

Unzulässige Maßnahmen.

und bei denen in den nächsten
Notwendigkeit, die Ausgaben
noch viel drückender werden
bei den öffentlichen Arbeits-

daraus für alle Wirtschaftsgruppen und
jeden Stand in Deutschland entsteht, wird
auf die Dauer niemand entziehen können.
Eigensinn einer einzelnen Gruppe, die sich
Utopie hingibt, sie brauche sich an diesem

Zurückführung hoher
nicht in Frage, denn
mehr, als
Staunend

Die Mehrzahl aller Leute lebt auch heute
noch trotz aller Eefahrenzeichen lustig in den
Tag hinein und kann oder will die gefährlichen
Folgen der Wirtschaftsnot, die unausweichlich
kommen werden, nicht sehen. Nach wie vor ist
die Verschwendung öffentlicher Mittel Trumpf,
und zwar gerade bei denjenigen Stellen, die
schon seit Jahr und Tag am meisten hätten
sparen müssen
Monaten die
einzuschränken,
wird, nämlich
ämtern. Von ihnen mühte man doch erwarten,
daß sie wenigstens alles tun, um der Arbeits-
losigkeit zu steuern. Weit gefehlt! Wer die
Institution der Arbeitsämter nüchtern betrach-
tet, weih, daß es sich hier um eine grohe und
kostspielige Organisation handelt, die jedoch für
die Wirtschaft völlig entbehrlich ist. denn jede
nennenswerte Arbeitsvermittlungs-Tätigkeit,
also ihren Daseinszweck, erspart ihnen schon
seit Jahr und Tag die Wirtschaftskrise. Es
handelt sich also um eine gänzlich überflüssige
Institution, in der sich ein gewerkschaftlich-
bürokratischer, wirtschaftsfeindlicher Verwal-
tungsapparat nutzlos breitmacht. Die gesamte
Geschäftstätigkeit ist ein groher Leerlauf, der
Hunderte von Millionen zur Unterhaltung er-
fordert, die zum Wohle des Ganzen gespart
werden könnten. Im Grunde sind die Arbeits-
ämter nichts anderes als Auszahlkassen für die
Arbeitslosenversicherung, an denen höchstens
die Gemeinden ein Interesse haben, um ihre
Wohlfahrtsetats zu entlasten. Wer nun etwa
meinen sollte, dah diese überflüssige Arbeits-
vermittlungs- und Arbeitslosenversicherungsbe-
hörde wenigstens unbeirrt dafür sorgte, dah
der unserer Industrie übrig gebliebene be-
scheidene Rest an Arbeitsmöglichkeit auch voll
aufgeschöpft wird, sieht sich bitter enttäuscht.
Man wird es nicht für möglich halten,
aber es ist tatsächlich so, dah ein Betrieb nicht
nur gezwungen sein soll, Tariflöhne zu zahlen,
nein, er soll auch einmal gewährte übertarif-
liche Löhne bis in alle Ewigkeit weiterzahlen,
gleichgültig, ob darüber der Betrieb zugrunde
geht und ob das wirtschaftlich überhaupt mög-
lich ist. Für dieses gegen eherne Wirtschafts-
gesetze verstoßende Gewerkschaftsidol setzen sich
die öffentlichen Arbeitsämter ein, d. h. sie lei-
sten damit den Gewerkschaften Hilfsdienste
und lassen erkennen, wie es in der Wirklichkeit
mit ihrer gesetzlich garantierten Neutralität und
Objektivität steht. Man muh wissen, dah ein
Arbeitsamt dem Gesetz nach sich in Arbeits-
kämpfen neutral halten soll: es kann somit kei-
nen Arbeitsuchenden zwingen, eine offene Ar-
beitsstelle in einem Betrieb anzunehmen, bei
dem ein Arbeitskampf besteht, mit anderen
Worten: das Arbeitsamt kann einem Arbeits-
losen die Arbeitslosenunterstützung nicht sper-
ren, wenn er sich weigert, ihm anqeboteno Ar-
beit in einem Betrieb anzunehmen, wo ein Ar-
beitskampf ausgebrochen ist. In praxi haben
damit die Arbeitsämter die Möglichkeit, einen
Arbeitgeber auszuhungern, indem sie Arbeits-
losenunterstützungsempfänger, die doch dem

das deutsche Bürgertum teuer genug bezahlt.
Gebieterisch verlangt der 14. September 1930
von uns: Restlos hinein in die Wahlfront!
Keine Stimme den sozialistischen Parteien,
denn sie fördern die Sozialisierung und Kom-
munalisierung! Hinweg mit dem gewaltigen
Heer der Nichtwähler! Das deutsche Handwerk

^"^ständischen Wählerschaft ist bei den letz-

Jahrgang 1930


Staat und der Allgemeinheit zur Last liegen,
bei sich bietender Ärbeitsmöglichkeit nicht vor
die Alternative stellen, entweder die Arbeit
anzunehmen oder der Staatsrente verlustig zu
gehen. Die Waffe des Arbeitskampfes schnei-
det also dem Arbeitgeber glatt die Möglichkeit
ab, sich arbeitslose Arbeiter für die bereit-
stehende Arbeit zu beschaffen, d. h. den Arbeits-
kampf finanzieren und unterstützen die Ar-
beitslosenversicherung und die städtische Wohl-
fahrtspflege. Diese Merkwürdigkeit des neuen
Deutschland mag man noch resigniert hinneh-
men, wenn es sich -um wirkliche Arbeitskämpfe
handelt, wo es sich also um die Erkämpfung
günstigerer tariflicher Bedingungen oder um
die Abwehr einer Tarifverletz'ung handelt.
Das kommt aber bei der
übertariflicher Löhne gar
die Leute erhalten weit
riflich überhaupt zusteht,
sich fragen: Wie kann denn dann
ein Arbeitskampf vorliegen? Hier
der Unfug: Der Begriff des Arbeitskämpfcs
wird nämlich von den Arbeitsämtern willkür-
lich so weit gedehnt, daß Arbeitskampf unge-
fähr alles ist, was eine Gewerkschaft bei einem
Arbeitgeber perhorreszieren kann. Soweit sind
wir gekommen. Eine Gewerkschaft meldet also
einfach bei dem zuständigen Arbeitsamt das
Bestehen eines Arbeitskampfes für irgendeinen
Betrieb an. Dann prüft das Arbeitsamt nicht
etwa, ob das auch wirklich der Fall ist: es
nimmt die Tatsache des Arbeitskampfes ohne
weiteres als gegeben an. Die Arbeitsämter
sind so zartfühlend, das; sie eine solche selbst-
verständliche Prüfung als eine Verletzung ihrer
Neutralität sich anzusehen bemühen, weil das
den politischen Zwecken der Gewerkschaften
dient. Ob dadurch die Neutralitätspflicht
gegenüber dem Arbeitgeber bedenklich wird, ist
cura posterior.
Die Arbeitmöglichkeit hängt in Deutschland
zu einem großen Teil davon ab, ob es mög-
lich sein wird, die Produktionskosten zu den er-
zielbaren Preisen in ein erträgliches Verhält-
nis zu bringen. Wenn die öffentlichen Auf-
traggeber, wie Post, Eisenbahn usw., grund-
sätzlich bei ihren Aufträgen zur Linderung der
Arbeitslosigkeit in Deutschland vom Lieferan-
ten eine Preisermäßigung von mindestens 10
Prozent verlangen, so ist es undenkbar, daß
der Fabrikant den Auftrag hereinnehmen
kann, ohne seinerseits die Gestehungskosten er-
mäßigen zu müssen. Er denkt nicht daran,
unter den ihn verpflichtenden Tarif hcrunter-
zugehen, er sagt seinen Leuten nur, daß er die
Möglichkeit habe, Aufträge zu erhalten, und
daß er dadurch einen Teil seiner Arbeiter vor
Entlassung schützen könne, wenn sie willens
seien, auf einen Teil ihres übertariflichen
Verdienstes zu verzichten. Wenn die Arbeiter
das ablehnen und der Arbeitgeber nun zu
Entlassungen schreitet, weil er die Aufträge
nicht hereinnehmen kann, so wird dieser Vor-
gang von Gewerkschaften schon als Arbeits-
kampf bezeichnet, selbst wenn der Arbeitgeber
eine ordnungsmäßige Stillegungsanzeige er-

stattet hat und das amtliche Placet zu Ent-
lassungen besitzt. Wenn die Gewerkschaften bei
solchem-Tatbestand dem zuständigen Arbeits-
amt das Vorliegen einen Arbeitskampfes mel-
det, dann registriert das Arbeitsamt, das zur
Neutralität gesetzlich verpflichtet ist, diese An-
zeige kritiklos auch als Arbeitskampf und
zieht alle gesetzlichen Folgerungen gegen den
Arbeitgeber wie bei einem echten Arbeits-
kampf.
Wenn ein Arbeitskampf sogar auf Grund
solcher offenbar mißbräuchlichen und unwahren
Anzeigen vom Arbeitsamt angenommen wer-
den kann, dann ist es höchste Zeit, die Leitung
der Arbeitsämter von diesem formalen Un-
sinn, der nur auf eine Gefügigkeit gegenüber
gewerkschaftlichen Interessen zurückzuführen ist,
zu befreien und sie zu zwingen, wirkliche
Neutralität zu üben. Eine staatliche Insti-
tution, die die Allgemeinheit alimentiert, soll
und darf nicht dazu dienen, daß ihre Organe
Maßnahmen vornehmen, die die Allgemeinheit
schädigen, weil sie die Ausschöpfung der vor-
handenen Arbeitsmöglichkeit verhindern und
Arbeiter auf Kosten der Allgemeinheit arbeits-
los werden lassen, nur im einseitig materiellen
Interesse einer Gewerkschaft. Der Grad der
Arbeitslosigkeit Deutschlands hängt in näch-
ster Zeit — das muß immer wieder gesagt wer-
den — davon ab, ob die Gestehungskosten in
ein erträgliches Verhältnis zum erzielbaren
Preis gesetzt werden können. Diesem Zwang,
der
für
sich
Der
der
gemeinsamen Öpfergang nicht zu beteiligen,
darf unmöglich behördlichen Einrichtungen auf
den Weg des Unrechts und des öffentlichen
Unfugs führen. Wie verknöchert und aller
wirtschaftlichen Vernunft unzugänglich die Ar-
beitsämter sind, beweisen die geschildertenVor-
fälle. Die Arbeitsamtsbehörden setzen sich
über die ihnen gesetzlich auferlegte Nsutrali-
tätspflicht glatt hinweg, nicht einmal die ihnen
obliegende Sorgfaltspflicht erfüllen sie, Henn
obliegende Sorgfaltspflicht erfüllen sie, wenn
auch wirklich vorliegt oder nicht. Den Arbeit-
gebern, die durch solche parteiische Maßnahmen
der Arbeitsämter geschädigt werden, bleibt als
einziges Mittel nur übrig, das Reichsamt für
Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversiche-
rung als. Träger des Instituts der Arbeits-
losenversicherung für allen erwachsenen Scha-
den haftpflichtig zu machen. Es ist aber ange-
bracht, auch die breitesten Kreise auf diesen
öffentlichen Unfug — anders kann man die
Einstellung des Arbeitsamtes in dieser Frage
und ihre Auswirkung nicht bezeichnen — hin-
zuweisen, damit die Arbeitsämter veranlaßt
werden, sich in den Dienst der gesamten Wirt- '
schäft und nicht einzelner wirtschaftsfeindlicher
Kreise zu stellen.

Mtttelstands-Zettuirg
llMWWes AiMdlM für iie ZUeress» des deils-ei NOIelsNides
MleWMU-MAMe Mmg . StdmWMr Mz«-Aitmz
Zeitung für gesunde Wirtschaftsinteressen des gewerblichen Geschäftsstelle: Bezugspreis monatlich 0,60^ Reichsmark. Bei P>
Mittelstandes, des Handwerks, Handels, Haus- und Grund¬
besitzes, der Landwirtschaft, freien Berufe und aller sich zum
Mittelstand rechnenden Kopf- und Handarbeiter.

Geschäftsstelle: Bezugspreis monatlich 0,60 Reichsmark. Bei Postbezug
vierteljährlich 2,10 Reichsmark. Für ausgefallene Nummern
Heidelberg, Hauptstraße IVV wird kein Ersatz geleistet. Der Jnsertlonspreis ist 10 Reichs-
vfennig für die achtgespaltene Millimelerzeile oder deren
Raum. Reklamen 0,40 RM- pro mmfZeile.

Mittelstand und Sammlung.
Von einer führenden Persönlichkeit des ge-
lblichen Mittelstandes wird uns geschrie-
ben:
. Die Auflösung des Reichstages stellt das
putsche Volk vor ganz besonders schwere Auf-
Men. Weite Kreise des gewerblichen Mit-
Mandcs sind mit Recht der Auffassung, daß
sich diesmal um nicht mehr und nicht weni-
als um die Entscheidung darüber handelt,
° in der künftigen Wirtschafts- und Finanz-
Mtik die Grundsätze sozialistischer Auffassung,
No eine zum immer weiteren Verfall von
Mrtschaft und Staat führende Tendenz Herr-
en oder der allmähliche, zunächst mit unend-
Aen Schwierigkeiten und Opfern verbundene
Aufbau von Wirtschaft und Staat sich vollzie-
l soll. Wer die radikalistische Presse in die-
Tagen liest, ist erschreckt über das Maß von
Aantwdvtungsloser demagogischer Hetze, jdße
Ulig losgelöst von jedem Verantwortungsge-
Al, ja von Verständnis für wirtschaftliche und
Etliche Dinge überhaupt, in für jeden sach-
A denkenden Menschen widerlichen Phrasen
Awelt. Finanzdefizit. Wirtschaftsdepression,
Arbeitslosigkeit — das alles ist nur die Schuld
A „Bürgerblocks" —, als wenn all diese
Nnge über Nacht urplötzlich über Deutschland
^reingebrochen und nicht eine Folge vergan-
gner Versäumnis und letzte Auswirkung einer
N den Untergang der Wirtschaft gerichteten
Mchen Steuer-, Sozial- und Wirtschaftspolitik
!"?ren und durch die schwere Weltwirtschafts-
Ne beeinflußt werden.
! Der gewerbliche Mittelstand wird nach un-
,Ar Ansicht gar nicht anders handeln können,
A denjenigen Parteien seine Stimme zu ge-
A. die mit der Regierung Brüning gegan-
sind. Die Partei der „Mehrheit", die die
Gierung Brüning gestürzt haben, sind nicht
u der Lage, die künftigen verantwortungs-
ödieren Aufgaben zu lösen. Eine marxistische
^hrheit würde in der gegenwärtigen Situ-
jAn den Mittelstand mit Riesenschritten wei-
ter Vernichtung zuführen.
j, Wer da glaubt, daß erst aus den Trümmern
A gegenwärtigen Deutschlands ein neues,
Acres Vaterland wie der Phönix aus der
entstehen wird, vergißt, daß bei der
Atrümmerung des Bestehenden gerade der
». seinen Existenzgrundlagen am wenigsten
schützte Teil des Volkes, der Mittelstand,
Aig zugrundegehen müßte, ohne daß den
Azchnen Angehörigen dieses Standes je eine
Astiegsmöglichkeit aus dem Existenzzusam-
hAbruch gewährleistet werden könnte. Mit
Alejcht gut gemeinten Redensarten ist nicht
helfen, sondern nur mit klarem, realpoliti-
Blick für das Nächste und Notwendige.
*

Wahlaufruf des Handwerks!
Dis Gruppe der Handwerkerbünde im Reichs-
IjAand des deutschen Handwerks veröffent-
einen von Präsident Will mann und
A^dikus Dr. Hokamp gezeichneten Wahlauf-
'' der u. a. lautet:
>>Jn überaus ernster Zeit soll das deutsche
sAc durch die Wahl eines neuen Reichstages
A eine Volksvertretung schaffen, von der
lxAmann, dem das Wohl von Volk und Va-
ijsAnd am Herzen liegt, eine Zeit der poli-
!>Adn, wirtschaftlichen und sozialen Gesun-
«Ab Deutschlands erwartet. Immer stärker
^Aen hie Existenzgrundlagen des deutschen
KAdwerks bedroht: immer hoffnungsloser ge-
'ttkA hch die Voraussetzungen seines Wieder-
^jAegs aus dem beispiellosen Ereignis des
hijArungsverfalls. Nahezu ein Drittel der

NeAeichstagswahlen der Wahlurne fernge-
^N- Diese politische Pflichtverletzung hat
 
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