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Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes: Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes — 1930

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Mittelstands-Zeitung


Geschäftsstelle:
Heidelberg, Hauptstraße

UnaWllWes KWpsdlatt siir hie Interessen hes hentschen Mittelstsnhes
MelMlekiDchWaWe MW
Zeitung für gesunde Wirtschaftsinteressen des gewerblichen
Mittelstandes, des Handwerks, Handels, Haus- und Grund¬
besitzes, der Landwirtschaft, freien Berufe und aller sich zum
Mittelstand rechnenden Kopf- und Handarbeiter.

SNmMeiiW Mger-Mm
Bezugspreis monatlich 0,60 Reichsmark. Bei Postbezug
vierteljährlich 2,10 Reichsmark. Für ausgefallene Nummern
wird kein Ersatz geleistet. Der Jnsertwnspreis ist 10 Reichs-
pfennig für die achtgespaltene Mtllimeterzeile oder deren
Raum. Reklamen 0,40 RM. pro mm-Zeile.

Jahrgang 2930 GormLag, 24. August Nr. 34
- - — . . ..



Klage Stadtverordnete.
Zur Nachahmung empfohlen!
'Bei der Beratung ihres Etats haben die
Stadtverordneten von Ahlen im Rheinland
^Uf Antrag des Zentrums folgenden Beschlust
vefastt:
> „Die Stadtvcrordneten-Versammlung be-
Miestt, hast in Zukunft für Etatsüberschrei-
^Ngen jeder Abteilungsleiter bzw. verant-
wortliche Beamte haftbar gemacht wird
md xr die eventuell in Frage kommenden Be-
lage aus eigener Tasche zu beschaffen hat."
Die Stadtväter von Ahlen haben das Re-
Mt gefunden, das eine -saubere und sparsame
Verwaltung garantiert. Würde ihr Beispiel
möst nur in Städten, sondern auch in den Län-
^rn und im Reich, in sämtlichenVerwaltungs-
sveigen, nachgeahmt, — wir brauchten vermut-
'ch alle etwas weniger Steuern zu zahlen.

Pensionen
sozialdemokratischer Minister
Die sozialdemokratischen Mitglieder des
Mmaligen Reichskabinetts Hermann Müller
Men es zum Teil vorgezogen, -sich nach den
Kosten des alten Ministerpenfionsgösetzes pen-
onieren zu lassen. Hermann Müller und der
W^nalige Reichsarbeitsminister Wissest haben
-.so Bestimmungen des alten Pensionsgesetzes
M sich in Anspruch genommen und beziehen
volle Pension als Reichsminister. Jnnen-
M Ni st er a. D. Severing und Wirtschaftsmini-
a. D. Schmid haben sich dagegen nach den
^Uerr Bestimmungen entschädigen lassen und
^ziehen Uebergangsgelder. Herr Severing be-
^ U<mt für 42 Monate insgesamt den Betrag
f d 74 200 Mark und erhält dann seine
Schere Pension als preustischer Minister, Herr
mNMid bekommt 22 000 Mark und erhält
MU seine frühere Pension als Reichsminister,
^..llnd diese Summen zahlt das Volk an
Donner, die immer noch in der demokratischen
^publik einen Uebergang zum sozialistischen
sehen, d. h. zur Diktatur des Proleta-
«der Sowjetismus.
^le Finanzlage der kleinen Städte
suchtet recht interessant eine Statistik des
HZchsstädtebu'ndes. Es ist hier erstmalig der
E>uch gemacht worden, das Defizit in den
Ho s für das Rechnungsjahr 1929 auf den
tz ist des einzelnen Einwohner umzurechnen,
der Statistik erfasst wurden 229 Städte.
H Defizit betrug in der
"kenklassH je Einwohner:
2000 Einwohner durchschn. 5,61 NM
5000 Einwohner durchschn. 7,24 RM
lys^MlOOOO Einwohner durchschn. 7,74 RM
ftek '25000 Einwohner durchschn. 4,89 RM
als 25000 Einwohner durchschn. 4,89 RM
^bht, die Finanznot ist nicht auf die
i, "tzstädte beschränkt. Bon deren Not wird
"lehr gesprochen, weil fast alle Parlamen-
aus Eroststädten stammen oder vom fla-
Die Kategorie der Kleinstädte
Timtet aber ein gesundes Bindeglied zwischen
"ad Land. Daran sollte man denken,
^'est die Dcsizitzahlen der Kleinstädte
V' Ä--. M

Im Rcichshaushalt, der in den Angaben
des ordentlichen Etats die Höhe von 12 Mil-
liarden RM überschritten hat, wird- nach den
Ergebnissen der ersten 4 Monaten des laufen-
den Haushaltsjahres ein Fehlbetrag von min-
destens 1,5 Milliarden RM gegenüber dem
Voranschlag eintreten. Dieser Fehlbetrag ist
zwar rein buchmästig durch die verschiedenen
Notverordnungen bis auf mehrere hundert
Millionen RM gedeckt: es ist aber fraglich,
ob die neu erschlossenen Einnahmen restlos ein-
gehen und ob die Erträgnisse aus den bereits
früher festgelegten Einnahmen nicht noch wei-
ter hinter den Voranschlägen zurückbleiben, so-
dast sich im Endergebnis vielleicht doch der
oben errechneteFehlbetrag Herausstellen würde.
Einen besonderen Unsicherheitsfaktor innerhalb
des Reichsetats bildet die Arbeitslosenversiche-
rung, die bereits Ende Mai (fast ausschliestlich
beim Reichs mit fast 800 Millonen RM ver-
schuldet war. Nach zuverlässigen Berechnungen
werden die im Etat für die Reichsanstalt vor-
gesehenen Reichsmittel Ende Oktober aufge-
zehrt sein: für die Monate November bis
März wird (bei einer Arbeitslosenziffer von
3,5 bis 3,7 Millionen gegenüber einem gegen-
wärtigen Stand von 2,5 Millionen) ein neuer
Fehlbetrag von 400 Millionen RM entstehen,
wenn eine Beitragserhöhung von 6,5—7 Pro-
zent vermieden werden soll. Die Auswirkun-
gen der Notverordnung, mit deren Hilfe man
zu einem Teil neue Zuschüsse bezw. Beitrags-
erhöhungen überflüssig machen zu können
glaubt, bleiben abzuwarten: eine Fehlbetrags-
deckung bringen sie auf keinen Fall. Das aus
der Arbeitslosigkeit entstehende „Sozialdefizit"
der Kommunen wird auf rund 300 Millionen
RM veranschlagt: wegen der Rückläufigkeit
der Einnahmen aus Kommunalsteuern sind
auster diesem Fehlbetrag noch Ausfälle wahr-
scheinlich: allein in Köln sind z. B. die Ee-
samtsteuereinnahmeN vom 1. April bis 30.
Juni um nicht weniger als 3,25 Millionen
RM hinter dem Voranschlag von 23,074 Milli-
onen RM zurückblieben. Zu den öffentlichen
Finanzen gehören auch die der Reichsbahn.
Da der Reichsbahnvsrkehr sich ungefähr um
-ein Viertel gegenüber dem Vorjahr verschlech-
tert hat (Gesamtverkehr im April 1930 31,87
Millionen Tonnen gegenüber 40,49 Millionen

Durch Verordnung des Herrn Reichspräsi-
denten- zur Behebung finanzieller, wirtschaft-
licher und sozialer Notstände vom 26. Juli
1930 ist trotz der ernstesten und nachdrücklich-
sten Proteste des Deutschen Gastwirts-Verban-
des und anderer gewerblicher Verbände den
Gemeinden das Recht gegeben! worden, die nach
8 15 des Finanzausgleichsgesctzes vom 9. April
1927 bisher schon zulässige Gemeinde-Bier-
steuer zu erhöhen und austerdem unter be-
stimmten Voraussetzungen auch noch- eine Ge-
meinde-Getränkesteuer aus alle übrigen Ge-
tränke mit Ausnahme von Milch zu erheben,
soweit diese Getränke zum Verzehr an Ort und
Stelle entgeltlich abgegeben werden.
Gegen dieses Sondersteuer-Diktat erheben
wir heute noch einmal allerschärfstenEinspruch,
vor allem gegen die Bemerkungen, mit denen
der Herr Reichsfinanzminister die Einführung
dieser Steuern begründen zu müssen glaubte.
Nach den Berichten der Tagespresse wurde gel-
tend gemacht, dastPreiserhöhungen in nennens-

Tonnen im Durchschnitt 1929) ist mit einem
Ausfall bei der Reichsbahn von rund 500
Millionen RM zu rechnen. Auch bei vorsichti-
ger Berechnung ergibt sich also, dast am Ende
des jetzt laufenden Etatsjahres für die öffent-
lichen Finanzen ein Fehlbetrag von insgesamt
3—3,5 Milliarden RM wahrscheinlich ist. Ve-
riü'"'-btigt sind hierbei noch nicht die Ansprüche
de mder und der Fehlbetrag des Reiches aus
de chren von über 1,5 Milliarden RM.
Dl k . Stand der öffentlichen Finanzen ist um-
so beunruhigender, als Deutschlands inter-
nationale Zahlungs- und Handelsbilanz -im
Durchschnitt der letzten 5 Jahre mit fast 3
Milliarden RM jährlich passiv war und als
die Einsparungen aus dem Poung-Plan mehr
als ausgeglichen wurden durch die Verzinsung
und Tilgung der Auslandsverschuldung, die
mit mindestens einer Milliarde RM jährlich
zu veranschlagen ist. Zur Abrundung sei noch
erwähnt, dast die Gesamtverschuldung des Rei-
ches, der -Länder und Gemeinden zu Beginn
dieses Jahres auf über 16 Milliarden RM -sich
belief.
Zur Bestreitung der dringendsten-Ausgaben
hat der Reichsfinanzminister (neben den durch
neue Steuern erschlossenen Einnahmen) die
Ermächtigung zur Aufnahme von Krediten -er-
halten. In Frage kommen die Deckung der
austerordentlichen Ausgaben aus den früheren
Rechnungsjahren, die Beschaffung eines Be-
triebsmittelfonds für die Reichshauptkasse in
Höhe von 500 Millionen RM, ein Betrag von
250—300 RM für die zusätzliche Arbeitsbe-
schaffung, Bürgschaften in Höhe von mehreren
Hundert Millionen RM für die Förderung des
deutschen Austenhandels usw.: insgesamt scheint
man direkt oder indirekt auf dem Kreditwege
einen Betrag von 1,5 bis 2 Milliarden RM
flüssig machen bezw. garantieren zu wollen,
wobei allerdings zweifelhaft ist, ob der Kapi-
talmarkt für eine derartige Summe aufnahme-
fähig ist. Bon allem anderen abgesehen must
eine Finanzmistwirtschaft wie die hier aufge-
zeigte jede Aussicht auf Reparationsrsvision
hinfällig machen, da sie es unterlässt, die
deutsche Politik in ihrer Gesamtheit auf mo-
ralische Rechtfertigung eines solchen Anspruchs
abzustellen.

wertem Umfang nicht eintreten würden, „da
den Gastwirten in einem qrosten Teil der
Fälle vielfach nur ein Teil des Gewinnes ab-
genommen wird, den sie dadurch erzielt haben,
dast der Preisaufschlag für das Glas Bier bei
der letzten Viersteuererhöhung erheblich über
deren Ausmast hinausgegangen ist."
Diese auf den Präsidenten des Deutschen
Städtetages zurückzuführende Behauptung, die
sich der Herr Reichsfinanzminister ohne Nach-
prüfung zu eigen gemacht hat, i st unwahr.
Wahr ist dagegen, dast der gröstte Teil der
East- und- Schankwirte die Ausschankpreise nur
um den Betrag der Steuer unter Hinzurech-
nung eines bescheidenen Anteils derjenigen
Unkosten erhöht hat. die seit der Biersteuer-
erhöhung von 1927 entstanden waren und- bis-
her nicht abgewälzt werden konnten. Ein an-
derer Teil der Gast- und Schankwirte hat nicht
einmal den Mehrertrag in vollem Umfang
aufgeschlagen, sondern ist noch darunter geblie-
ben, nicht wenige haben sogar die alten Preise

beibehalten müssen. Das wird heute sogar von
den Brauereiverbänd-sn zugegeben, die anfangs
die mastvolls Preispolitik der Gastwirte zu
Unrecht aufs heftigste angefeindet haben.
Angesichts dieser Tatsachen find die Behaup-
tungen des Reichsfinanzministers geradezu un-
verständlich. Wie soll das Gastwirtsgewerbe
in der Lage sein, eine weitere Erhöhung der
Viersteuer zugunsten der Gemeinden um rund
100 Prozent und daneben noch eine gemeind-
liche Besteuerung der anderen Getränke mit 5
Prozent des Kleinhandelspreises selbst zu tra-
gen? Das ist Lei dem katastrophalen Rückgang
der gastgewerblichen llmsatzziffern und dem mit
Sicherheit zu erwartenden weiteren Nachlassen
des Konsums vollkommen ausgeschlossen. Ein
Reichsfinanzminister, der überdies vorher be-
reits das Amt des Reichswirtschaftsministers
bekleidet hat, sollte über die Lage unseres Ge-
werbes besser unterrichtet sein, als man auf
Grund der jetzt erlassenen Notverordnung lei-
der annehmen must. Zum mindesten hätte er
sich bei den Finanzämtern über den Rückgang
der aastoewerblichen llmsatzziffern und über
die Verschuldung unseres GewerbesAufklärung
verschaffen können, statt auf unwahre Behaup-
tungen ausgesprochener Gegner des Wirtege-
werbes hin Verordnungen zu erlassen, die nach
jeder Richtung ein Fiasko bedeuten. Auch die
groste Zahl der Zusammenbrüche im Gastwirts-
gewerbe beleuchtet dessen Notlage in ernstester
Weise.
Von den 259 000 Gast- und Schankwirt-
schaften des Reiches sind nach den Hauptergeb-
nissen der Statistik der Einheitswerte für den
ersten Feststellungstermin 1925 bis 1927 ins-
gesamt 165 963 Gast- und Schankwirtschaften
mit einem Rohvermögen von 2,79 Milliarden
Reichsmark festgestellt worden. Rund der dritte
Teil dieser Betriebe war mit insgesamt 556
Millionen Reichsmark Schulden belastet, die in
der Zwischenzeit sich noch erheblich vermehrt
haben. Die Brauindustrie beziffert die Ver-
schuldung unseres Gewerbes mit 20 RM auf
den Hektoliter, und bei den Beherbergungsbe-
trieben rechnet man mit einer Verschuldung
von 200 Reichsmark auf das Bett.
Auch diese betrübenden Tatsachen schliesten
eine llebernahme der neuen Steuerlasten
durch die Gastwirte aus.
Die bedenklichste Wirkung der Verordnung
zur Erschliestung von Einnahmen für die Ge-
meinden wird eine glänzende Umschaltung des
Konsums von Bier, Wein, Schaumwein, Trink-
branntwein und Mineralwasser auf den Klein-
handel sein. Der Konsument wird in Zukunft
in erheblichem Umfange diese Getränke direkt
vom Produzenten beziehen und sie im eigenen
Heim geniesten.
Unsere Gaststätten- werden dadurch noch
mehr veröden und nach und nach zum Erliegen
kommen, während die erhofften Einnahmen
für die Gemeinden grösttenteils ausbleiben
w-erden. Dast sie ohnehin nicht sonderlich grost
sein werden, läßt sich aus den Ergebnissen der
früheren Gemeindegetränkesteuer ohne weite-
res schliesten. Inzwischen ist aber der Ver-
brauch alkoholischer Getränke noch weiter stark
zurückgegangen.
Das Steueraufkommen aus der Biersteuer
z. V. ist infolge der letzten Erhöhung im Mo-
nat Mai nicht gestiegen. Denn bei gleichblei-
bendem Verbrauch hätte der Steuerertrag von
32,92 Millionen Reichsmark im Mai 1929 um
rund 50 Prozent oder 16,46 Millionen Reichs-
mark höher sein müssen. Die Maieinnahme an

Petition des Deutschen Gastwirts-Verbandes
an den 1. Ausschuß des DeuWen Reichstages
zur Wahrung der Volksrechte.
 
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