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Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes: Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes — 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.42441#0307
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Sonntag/16. November

Nr. 48

SMlelag und Arbeitslosigkeit

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je

enn die Ortskrankenkasse baut.
Es ist nicht wegzuleugnen, das; die Kran-
enkassen mit ihren zu treuen Händen über-

der Städte zu verantworten,
derartige Massenversammlung
aufgewandt werden?
besondere Enttäuschung war

-lüge

daß
viele

gleichzeitig ein Wohlfahrts-Defizit von 8,5
Millionen Mark oorlegt und zur Deckung des-
selben eine Erhöhung der Gewerbesteuer von
450 auf 550 v. H. und der Grundsteuer von
225 auf 275 o. H.. sowie außerdem die Ein-

Geschäftsstelle:
Heidelberg, Hauptstraße lvv

führung der Bier- und Getränkesteuer bean-
tragt. Mit diesen Tatsachen steht die Errichtung
des Prunkbaues der Ortskrankenkasse denn
doch in einem ausserordentlich schreienden
Widerspruch.

Jahrgang 1930

MttchWlerW-VlrtsAWA Zeitung
Zeitung für gesunde Wirtschaftsinteressen des gewerblichen
Mittelstandes, des Handwerks, Handels, Haus- und Grund-
besitzes, der Landwirtschaft, freien Berufe und aller sich zum
Mittelstand rechnenden Kopf- und Handarbeiter.

Existenzkampf
der Eisenindustrie.
Ein Bild aus der Preispolitik.
Eine Beseitigung unserer sich von Monat
zu Monat mehr zuspitzenden wirtschaftlichen
Lage ist nur möglich durch eine sehr beträcht-
liche Vergrösserung unseres Produktionsvolu-
mens. Es ist dies zwar eine allgemein aner-
kannte Theorie, doch vermisst man in der
Oeffenllchkeit noch immer ein verständnisvol-
les Eingehen auf diese Frage. Damit, dass
lediglich die Folgen unserer Wirtschaftsnot
kritisiert werden, kommt man nicht weiter. Noch
nie hat inan eine Krankheit sund alles das,
was sich heute im deutschen Wirtschaftsleben
als Kampf des Einzelnen, als Massnahmen
von Wirtschaftsgruppen in Form von Aussper-
rungen, Streiks usw. zeigt, ist nichts anderes
als ein Zeichen wirtschaftlicher Zerrüttung)
dadurch vertrieben, dass man das Fieber zu«
rückdrängtc, sondern lediglich dadurch, dass man
den Krankheitsherd ausmerzt. Alle Welt ist
voll von dem Berliner Streik, je nach der poli-
tischen und wirtschaftlichen Einstellung steht
man ihm sympatisch oder ablehnend gegenüber,
wer fragt aber nach dem intellektuellen Ur-
heber, wer fragt nach dem einfachen
„wie kommt das alles, warum Lohn-
abbau. warum verdient die Eisenindu-
strie nicht mehr, damit sie wenigstens
die bisherigen Löhne zahlt."
Es ist das Verdienst einer Untersuchung
(Schneider, Wiederaufbau der Grosseisenindu-
strie an Rhein und Ruhr) hier einmal, ohne
Zusammenhang allerdings mit den Berliner
Vorfällen, hinter die Kulissen eines Wirt-
schaftszweiges zu- leuchten, der mehr als andere
das Vorrecht für sich in Anspruch nehmen
darf, dafür berufen worden zu fein, den Haupt-
teil deutscher Wirtschaftsgeltung geschaffen zu
haben. In dieser Schrift entsteht ein gerahm-
tes Bild des schweren Kampfes, es läuft rol-<
lend das Band ab mit Tatsachen, die beweisen,
dass es einmal so kommen musste, wie es jetzt
geworden ist, und dass es aber auch nicht mehr
so wie bisher weitergehen kann. Das kleine
Buch ist eine Beschämung für alle die, die an-
geblich wirtschaftspolitisch geschult dem schein-
bar neudeutfchen Erbfehler verfallen sind,
Symptome und Ursachen zu verwechseln.
Das A und O jeder Wirtschaft ist der Ab-
satz. Nicht die Qualität irgendeines Produktes
ist für das Florieren einer Wirtschaftsgruppe
allein massgebend, es muss auch noch ein mög-
lichst grosses Absatzvolumen hinzukommen. Und
der Kampf um die Aufnahmefähigkeit des in-
und ausländischen Marktes ist wegen der stän-
dig falschen Beurteilungen von Kritikern. Gut-
achtern und z. T. auch Verbraucherkreisen so
schwierig geworden, dass er heute das Problem
der Eisenindustrie und damit, da sie eine
Schlüsselstellung einnimmt, der deutschen Wirt-
schaft ist. Man wird sich deshalb hier fragen
müssen, war und ist die Preispolitik richtig.
Hat die Industrie nicht durch allzugrosses Her-
vorkehren ihres privatwirtschaftlichen Charak-
ters die Aufnahmeunlust auf den alten Märk-
ten selbst herbeigeführt. Man wird dabei aller-
dings zunächst den Einwand abtun müssen,
der in jüngster Zeit wieder häufiger aufs Ta-
pet gebracht wird, den Einwand vom Unberech-
tigtsein einer pritvatrvirtschaftlieheir Kalkula-
tion an sich. Es ist selbstverständlich, dass in
Deutschland nichts anderes in Frage kommen
kann: mit den gegebenen Verhältnissen muss
man sich abfinden, genau so wie der Einzelne

Zur jüngsten Tagung des Deutschen Städte-
tages in Dresden wird uns geschrieben:
„Brauchen wir zu allen deutschen Parla-
menten noch eine grosse deutsche Stadtverord-
netenversammlung, gegliedert nach politischen
Fraktionen, einen Tummelplatz politischer Lei-
denschaften, die schon bei der Tagesordnung in
einer Brandrede des Berliner kommunistischen
Stadtverordneten Pick zum Ausdruck kamen.
Was mögen die führenden Köpfe des Städte,
tages, Adenauer, Blllher usw. — andere, wie
Jarres, Bracht fehlten — gedacht haben?
Kann auf solcher Tagung sachliche Arbeit ge-
leistet werden? Lohnt es sich und ist es bei der
Kreditnot
für eine
Tausende
Eine
Referat des Oberbürgermeisters Dr. Luppe
über „Arbeitslosenversicherung und Gemeinde-
haushalt." In normalen Zeiten wäre es viel-
leicht recht unterhaltsam gewesen, durch die
temperamentvollen Ausführungen des Herrn
Luppe, denen der Vertreter der Reichsregie-
rung, Ministerialdirektor Weigert vomReichs-
arbeitsministerium, ebenso nachdrücklich ent-
gegentrat. einen Einblick in die- Kämpfe zwi-
schen Ministerium und Grossstädten bei der Ge-
setzgebungsarbeit zu erhalten. Vielleicht hätten
sich in solch glücklichen Stunden die Zuhörer
auch dafür interessiert, dass schon vor Jahren
die Herren Luppe, Fischer, Israel in sozial-
politischen Fachblättern, die Herr Luppe vor-
las, alles prophetisch vorausgesagt haben. Die
Not der Zeit hätte dem Referenten Veranlas-
sung geben sollen, diesen historischen Rückblick
vielleicht als Einleitung zu bringen, dann aber
im Mittelpunkt seines Referats mit allem
Nachdruck die Möglichkeiten zu erörtern, welche
die allgemeine Kommunalpolitik zur Wirt-
schaftsförderung, zur Minderung der Arbeits-
losigkeit und zur Milderung der Not der Ar-
beitslosen entwickeln kann. Nichts von dem
geschah. Der Referent schien sich vielmehr mit
der Tatsache und dem Umfang der Arbeits-
lostgkeir abzufinden. Er hielt offenbar
auch den gegenwärtigen Aufwand für die Ar-
beitslosenhilfe, gleichviel von wem er getra-
gen wird, eher für zu niedrig als für zu
hoch. Ist es denn richtig, was Herr Luppe
ausführte, dass in einem so grossen Umfange
die Unterstützungsleistungen der Arbeitslosen-
versicherung und Krisenfürsorge sich als unzu-
reichend erweisen und die kommunale Wohl-
fahrtspflege mit Zusatzleistungen eingreifen
muss? Was nützen dann alle bekannten Be¬

mühungen der Reichsregierung und des Selbst-
verwaltungskörpers der Reichsanstalt, die zu
kurze finanzielle Decke soweit zu strecken, wie
es sozialpolitisch tragbar ist? Natürlich wird
in Einzelfällen beim Vorliegen besonderer
Notstände ein Eingreifen kommunaler Hilfe
nötig sein. Nehmen diese kommunalen Zujatz-
leistungcn jedoch allgemeinen Umfang an, wer-
den die Stadtverwaltungen durch Mehrheits-
beschlüsse ihrer politischen Stadtverordneten-
versammlungen zu diesen Regelleistungen ge-
drängt, dann sind alle zentralen Ersparnis-
massnahmen sinnlos.
Ueberhaupt war es erstaunlich, mit wel-
chen starken Worten der Redner sich gegen den
„Zentralismus" und das „bürokratische Ver-
halten" der Reichsanstalt und ihrer wirtschaft-
lichen Selbstverwaltung wandte. Kann man
diese sehr populären Vorwürfe vielleicht auch
übersetzen in „Sparsamkeit" derjenigen Wirt-
schaftskreise, die in Form von hohen Beiträ-
gen die Kosten der Arbeitslosenversicherung
aufzubringen haben?
Noch erstaunlicher waren die Ausführun-
gen des Redners über die „Notwehrmassnah-
men der Grossstädte" gegenüber der Reichsan-
stalt. Weil die Arbeitsämter ihre städtischen
Wohlsahrtserwerbslosen nicht auf dem freien
Arbeitsmarkt der Wirtschaft unterbringen
wollten oder könnten, seien die Städte genö-
tigt, sie in ihren kommunalen Betrieben jo
lange zu beschäftigen, bis sie einen Anspruch
aus Versicherungsunterstützungen hätten. Auch
als Auftraggeber veranlassten die Gemeinden
die Privatunternehmer, ausschliesslich oder vor-
wiegend solche Wohlfahrtserwerbslosen einzu-
stellen. Jeder, der im Wirtschaftsleben steht,
weiss, dass in Krisenzeiten, wie wir sie jetzt
durchleben, sich nur die fachtüchtigsten Arbeit-
nehmer durchsetzen können. Jeder Betrieb, der
zu Entlastungen kommt, fühlt sich moralisch
verpflichtet, bei Neueinstellungen auf seine er-
probten Arbeiter zurückzugreifen, und reicht
ihre Zahl nicht aus, so wählt er sich aus dem
grossen Angebot der Arbeitsämter die erfah-
rensten und leistungsfähigsten Arbeitskräfte
aus. Und nun kommen die Städte her und
wollen die Unternehmer in ihren Gemeinden
veranlassen, von dieser wirtschaftlich allein
möglichen Fachauswahl abzusehen und dafür
Wohlfahrtserwerbslose einzustellen, damit diese
dann nach einer Beschäftigung von 26 Wochen
von der Arbeitlosenversicherung Unterstützun-
gen erhalten können. Und das alles in Zei-
ten, in denen man von Verminderung der
Gestehungskosten, von P r e i s a b b a u spricht."

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L-Äas nennt man
,5-/Sozialpolitik

naa- rucl zu miive uuge>proa)en in. -von
, iu Zeit ist in den letzten Monaten die
?effentlichkeit immer wieder mit Mitteilungen
^ber die Errichtung von Neubauten der Kran-
enkassen überrascht worden. In Köln, Nürn-
berg und in vielen anderen deutschen Städten
Wurden grosse Vcrwaltungspaläste seitens der
Krankenkassen errichtet, die in jedem Fall
Millionen von Mark verschlungen haben Ern
^uer Fall:
In Frankfurt a. M. ist jetzt ein neues Ver-
faltu-ngsgebäude für die Ortskrankenkasse fer-
>g geworden. Wie immer in solchen Fällen,
„Übersteigen die tatsächlichen Baukosten den
Voranschlag um viele Hunderttausende von
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„Während der Bau ursprünglich mit
3,3 Millionen Mark veranschlagt war,
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/Vsl^ zweckmässig sie auch verlegt sein mögen. Atan

er sich jetzt nach seiner Fertigstel-
auf 4,7 Millionen Mark, also um
1,5 Millionen Mark teurer als
vorgesehen war."
Einen Ueberblick über die unerhörte Art
Md Weise, in welcher mit öffentlichen Mir-
Un seitens der Krankenkassen gewirtschaftet
Mrd, geben die Auslassungen verschiedener öri-
cher Blätter, von denen wir nachfolgend aus-
^gsweife einen Artikel des „Frankfurter Ge-
^ral-Anzeigers" vom 7. Oktober folgen lassen:
„Derselbe Eindruck im Innern: imponie-
?Nd im Dimensionalen, schon in der ungczier-
ch Strenge des architektonischen Aufbaues, in
f höchsten Zweckbetonung auch bei der klein-
en Einzelheit. Am stärksten ist dieser Eindruck
stellt^ der grossen Schalterhalle, Zentrale und
fichzeitig Prunkstück des Ganzen. Ein Tri-
fph der Innenarchitektur. Jetzt in seiner un-
führten Stille geradezu feierlich wirkend.
Mft zu schön, um von hastenden, redenden und
inenden Menschen betreten zu werden.
> Kommen wir zu der technischen Ausstat-
?Ng. Ein Beispiel für viele: Jeder Ver-
fuensarzt hat neben einer Reihe von Licht-
-is^Ndal-Schellen auf seinem Schreibtisch eine
ch mtrufanlage, ja sogar einen Feuermelder!
(ft Allein die elektrischen und Rohrleitungen,
zu einem guten Teil durch eine solche
Überspitzung der Betriebsrationalisierung nö-
geworden sind, verschlingen ein Vermögen,
fe und staune: rund 60 Kilometer Rohrlei-
sAgen (die elektrischen Leitungen also ausge-
ft'vssen) liegen allein in den Kellerräumen,
90 Kilometer im ganzen Geschäfts-
faude. Eine Länge, die der Strecke Frank-
Heidelberg entspricht.
j. Alles in allem: Das neue Ortskrankenkas-
jMilebäude zeugt von grossem Können des aus-
ftrcnden Architekten: aber von wenig Ver-
sftddnis des Bauherrn für die Notlage der
f'ten Masse, der Bevölkerung, mit' deren
Loschen der Riesenbau ja schliesslich finanziert
d. Um so grotesker in einem Augenblick.
-Herunter mit den Beiträgen!" das Gebot
r Stunde ist."
ft Es sM nicht unerwähnt bleiben, dass die
tt^dt Frankfurt a. M., die heute die höchsten
terftützungssätze in ganz Deutschland hat,'

Seidelberger
Bürger-Zeitung
Mittelstands-Zeitung
llttMuher KaysttM str die Zttaessti des desisE" MiittWMs
MmMW Mger-Mn-
Bezugspreis monatlich 0,60 Reichsmark. Bei Postbezug
vierteljährlich 2,10 Reichsmark. Für ausgefallene Nummern
wird kein Ersatz geleistet Der Jnsertionspreis ist 10 Reichs-
pfennig für die 'aästgcspaltene Millimeterzelle oder deren
Raum. Reklamen 0,40 RM. pro mm-Zeile.

inri^
fnrassen mit ihren zu treuen Händen über-
denen Geldern in einer Art wirtschaften,
» mf-f mit dem Ausdruck „Verschwendungswirt-
fft ^ast" noch viel zu milde angesprochen ist. Von
 
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