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Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes: Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes — 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.42441#0275
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Mittelstands-Zeitung
llnWuitt» KnWIitt str die Ziiercüei des deiischei RillelftMes

MelMMBEOW MW
Zeitung für gesunde Wirtschaftsinteressen des gewerblichen
Mittelstandes, des Handwerks, Handels, Haus- und Grund¬

besitzes, der Landwirtschaft, freien Berufe und aller sich zum
Mittelstand rechnenden Kopf* und Handarbeiter,

Geschäftsstelle:
Heidelberg, Hauptstraße LOO

MmWkWe BiiM-zeUmz
Bezugspreis monatlich 0,60 Reichsmark. Bei Postbezug
vierteljährlich 2,10 Reichsmark. Für ausgefallene Nummern
wird kein Ersatz geleistet. Der JnsertlonSpretS ist 10 Reichs-
pfennig für die achtgespaltene Millimeterzeile oder deren
Raum. Reklamen 0,40 RM. pro mm«Zeile.

Jahrgang 1930

Gormiag, 19. Oktober

Ar. 42

Goll wieder der Mittelstand der Leidtragende sein?


Deutschland und die gesamten


endgültige Liquidierung des
wirtschaftlicher Beziehung zu

Zn Nr. 470
gers" findet sich

Lsilung!

des „Berliner Lokal-Anzei-
derselben Frage ein wei'-
folgender Appell an die
wird:
irgend etwas kaufst, so

Händlers, alles ist verloren-
öffentlichen Beurteilung."

tat ganz oder teilweise aufzuschieben, tritt
dann der im Poungplan vorgesehene Sonder-
ausschuß bei der Bank für den internationa-
len Zahlungsausgleich in Aktion: in ihm ist
auch Deutschland vertreten. Er prüft die ent-
standene Sachlage und erstattet der Inter-
nationalen Bank und den beteiligten Regie-
rungen Bericht. Somit erwüchse aus dem
Jnitiativschritt Deutschlands, sofern er ein-
mal notwendig werden sollte, zweifellos ein
weltpolitisch und weltwirtschaflich höchst wich-
tiger Akt, der in seinen Auswirkungen von
tiefeinschneidender Bedeutung werden könnte.

Das .Meichskartell des selbständigen Mit-
telstandes", das sich intensiv mit allen Lebens-
fragen des deutschen Mittelstandes beschäftigt
und bereits schöne Erfolge durch Interventio-
nen Lei Regierung und Parlamenten zu ver-
zeichnen hat, nahm im Rahmen einer Delegier-
tenkonferenz zur Frage des Preisabbaues, die
ja jetzt im Vordergrund des öffentlichen In-
teresses steht, Stellung. Das Referat hatte
Herr König, Direktor der Edeka-Genossenschaf-
ten, übernommen, der in sehr interessanten
Darlegungen das ganze Gebiet erschöpfend be-
handelte.
Ausgehend davon, daß die wirtschaftlichen
Verhältnisse in Deutschland nicht nur territo-
rial betrachtet werden können, sondern inter-
national verstanden und untersucht werden
müßten, erläuterte der Referent die wirtschaft-
liche Entwicklung und gab einen Aeberblick
über die gegenwärtige Weltwirtschaftskrise.
Bezeichnend für diese Krise sei der Zusammen-
bruch der amerikanischen „Prosperity", dar-
über hinaus aber der Preissturz auf dem ge-
samten Weltmarkt, für die der Redner viele
interessante Beispiele anführte. Diese Bor'
gäuge seien, so führte der Redner aus, wahr-
scheinlich als
Weltkrieges in
deuten.
D,e Krise in
wirtschaftlichen Verhältnisse haben zu der For-
derung nach einem Preisabbau geführt. Nun
sei aber der Preisabbau nicht als eine Sondcr-
frage zu betrachten, sondern nur als ein Glied
in der 'Kette der wirtschaftlichen Erscheinungen.
Es könne nicht so verfahren werden, daß man
einfach erkläre: heute und in dieser ganz be-
stimmten Form beginne in Deutschland ein all-
gemeiner Preisabbau. Um das zu erreichen,
müssen noch eine Reihe anderer Faktoren be-
rücksichtigt werden. Einer davon sei
die Zinspolitik.
Zn Deutschland fehle das Vertrauen der Spa-
rer und Geldgeber in die deutsche Wirtschaft.
Das sei die Ursache für das Fehlen jeder Ka-
piralneubildung, aber auch die Ursache für die
jetzt wieder einsetzende Kapitalflucht. Die
Mißwirtschaft in Ländern und Gemeinden, ja
überhaupt in der öffentlichen Wirtschaft und
Verwaltung lähme jedes Vertrauen. Daher
müsse zunächst eine Rückkehr zu gesunden und
normalen wirtschaftlichen Verhältnissen erfol-
gen. Die Voraussetzung dafür aber sei eine
Revision der heutigen Zinspolitik, die für weite
wirtschaftliche Schichten, insbesondere für den
Mittelstand untragbar sei.
Der Redner beleuchtete sodann die gesamte
wirtschaftliche Lage in Deutschland, die ihre
Kennzeichnung durch die Konkurse, Zusammen-
brüche, Vergleiche, Pumpwirtschaft usw. finde.
Nun werde aber in erhöhtem Maße von der
Preissenkung gesprochen. Da müsse man doch
in erster Linie die Frage aufwerfen:

Preisabbau mb
Tagespreise.
In der Nr. 231 des „Berliner Lokal-An-
zeigers" nimmt Frau Clara Mende zum Pro-
blem der Preissenkung u. a. wie folgt Stel-
lung:
„Die Frauen sind in jeder Beziehung an-
spruchsvoll geworden und verhindern so auch
durch ihre eigenen „Bedürfnisse und Anforde-
rungen" die notwendige Sparsamkeit im Ee-
schäftsleben. Statt dessen erwarten sie bei
gleichbleibenden Leistungen und Befriedigung
aller ^Wünsche billigeren Einkauf. Dieser
fatsche Eedankengang ist nur erklärlich durch
die vorhandene Begriffsverwirrung, hervor-
gerufen? durch „billige Ausverkäufe", bis „zur
Hälfte herabgesetzte Preise", also durch Schlsu-
derpreisoerkäufe, durch sie erscheint der nor-
male Qualitätspreis bereits als Wucherpreis.
Dir richtige Wertschätzung der Ware, ihre Her-
stellung, der berechtigte Anspruch der Fabri-
kation auf Verdienst, der normale Verdienst
des anständigen
gegangen in der

zu
terer Artikel, worin
Hausfrauen gerichtet
„Wenn Du Dir
legst Du Wert auf eine möglichst große Aus-
wahl. Du willst bei Deinem Kaufmann ein
paar Dutzend Sorten sehen und List dabei sehr
wählerisch. Wahrscheinlich wird es Dich über-
raschen. wenn ich Dir sage, daß gerade die
Herstellung vieler Sorten in unzähligen Spiel-
arlen und Qualitäten die Ware außerordent-
lich verteuert, denn der Fabrikant kann bei
20 verschiedenen Sorten nicht in gleicher Weise
in Serien Herstellen wie bei 2 bis 3 Sorten,
und der Kaufmann muß größere Vorräte auf
Lager halten, die ebenfalls verteuern. Die
Vielzahl von Qualitäten hat außerdem noch
den Nachteil, daß es oft sehr schwer ist, fest-
zustellen, ob eine Verbilligung oder Quali-
tätsverbesserung der Ware eingetreten ist. Tu
weißt ;a gar nicht, ob Du das letztemal von
eurer Ware die gleiche Qualität hattest. Wenn
Du Drr auf diesem Gebiete etwas vernünftige
Zurückhaltung aufcrlegst, dann tust Du für
ine Volkswirtschaft sehr viel. Die amerikanische
Frau ist Dir darin schon etwas überlegen, mir
dem Ergebnis, daß es in Amerika von den
meisten Waren nur drei Sorten gibt, die ganz
billige, die teuerste in bester Ausführung und
eine Mittelsorte."
Es ist erfreulich, daß sich auch die Tag'es-
presst in objektiver Weise mit dem Problem
des Preisabbaues beschäftigt. Die Ge-
schäftsleute jedenfalls wissen ein Lied davon
zu singen, wie groß trotz der Nöte der Zeit
noch immer die Ansprüche sind, die von den
Hausfrauen nicht nur an die Qualität, son-
dern auch an Reichhaltigkeit und Verschieden-
artigkeit der feilgehaltenen Waren gestellt
werden. Würde man sich hierbei Beschränkun-
gen auferlegen, also nicht zu anspruchsvoll sein,
so wäre es in der Tat möglich, die Preise zu
ermäßigen, allerdings Mcht in dem von der
'Verbraucherschaft gewünschten Maße, da viele
andere Momente (wie Steuern und sonstige
Abgaben uswZ eine durchgreifende Senkung
des Niveaus der Kleinhandelspreise nicht zu-
lassen.

Wo bleibt eine Senkung der Zinsen,
wo bleibt der Preisabbau der Be-
hörden, der öffentlichen Wirtschaft?
Während vom Preisabbau gesprochen werde,
erfolge eine Erhöhung der Tarife, Steuern,
Abgaben und Gebühren nach der anderen.
Wenn Preisabbau erfolge, dann müsse er
gleichmäßig bei allen erfolgen!
Hier sei gleich die Frage zu untersuchen,
ob — wie es in der Oeffentlichkeit gefordert
werde, ein Preisabbau beim Einzelhandel
möglich sei. Es müsse dabei festgestellt werden,
daß hier der Hebel nicht angesetzt werden
könne. Der Einzelhandel unterliege der freien
Konkurrenz, die noch durch die Warenhäuser,
Konsumvereine usw. verschärft werde und die
ihn ohne gesetzlichen Eingriff zwinge, seine
Preise aufs allerschürfste zu kalkulieren. So
sei festzustellen, daß der Einzelhandel bei einer
ganzen Reihe von Artikeln des täglichen Be-
darfs, bei Lebensmitteln usw. die Preise von
selbst gesenkt habe. (Redner führt zahlenmä-
ßige Beispiele dafür an.s Darüber hinaus
aber habe ja ohnehin schon eine ganz allge-
meine Preissenkung bei wichtigen Artikeln
(Butter, Kaffee, Zucker, Textilien uswZ statt-
gefunden — eine Wirkung der zwangsläufigen
Preisstürze auf dem Weltmärkte.
Vor allem aber müsse unter allen Ilm-
ständen gefordert werden, daß eine
Preissenkung nicht beim Einzelhandel,
also beim Mittelstand 'beginnen könne,
sondern daß sie bei der Produktion
einse^en müsse.
Vor allem könne nicht einseitig eine Preis-
senkung diktiert werden, ohne daß nicht gleich-
zeitig eine Senkung der Löhne und Gehälter
— der wichtigsten und bestimmendsten Fakto-
ren bei der Preisbildung — erfolge! Dann
aber müsse der Anfang einer Preissenkung vor
allem bei den Kartellen und Konzernen ge-
macht werden, die sich auch heute kaum an die
Maßnahmen der Reichsregierung kehrten, son-
dern ihre eigene Preispolitik machten.
Die Ausführungen des Redners, die mit
großem Beifall aufgenommen wurden, gaben
Anlaß zu einer eingehenden Aussprache, die
der Reichstagsabgeordnete Drewitz mit einem
Ueberblick über den Stand der Preissenkungs-
aktion der Reichsregierung eröffnete.
Eine Aussprache über das Regierungspro-
gramm, über welches der Reichstagsabgeoro-
nete Drewitz referierte, sowie über Kampf- und
ALwehrmaßnahmen gegen Warenhäuser und
Konsumvereine schloß sich an. Es wurde be-
schlossen, den Steuerausschuß des Kartells so-
fort einzucherufen. der im einzelnen zum Re-
gierungsprogramm Stellung nehmen und die
Forderungen des Kartells an die zuständigen
Srellen weiterleiten soll.

Vom ZaWngsmoratorium
des Noimgplans.
Das Moratorium, das als eine Art Not-
ventil zu Esunsten Deutschlands in das gel-
lende Reparationssystem eingebaut wurde,
kann — darüber bestehen vielfach Mißver-
ständnisse — nicht ohne weiteres mit einem
allgemeinen Zahlungsaufschub, wie er im pri-
vaten Wirtschaftsverkehr zu finden ist, vergli-
chen werden. Was zunächst seinen Umfang -
betrifft: nicht für die gesamte jährliche Repa-
rationsleistung kommt, nach den Bestimmun-
gen des Noungplans und des Haager Abkom-
mens. ein Aufschub in Frage. Die Jahresrate
- zerfällt unter diesem Gesichtswinkel vielmehr
'm zwei Teile. Der kleinere, der sich auf 812
Millionen RM zuzüglich des Zins- und Til-
gungsdienstes der Dawesanleihe beläuft, ist
Unbedingt zu leisten. Für den größeren hin-
gegen kann ein befristeter Uebertragungs-
Und Aufbringungsausschub erlangt werden..
Um diese Regelung an einem praktischen Bei-
spiel zu erläutern: von der gesamten Repara-
tionsleistung in der Zeitspanne vom 1. April
1930 bis zum 31. März 1931 sind 700 Millio-
nen ungeschützt, während rund 1 096 Millio-
nen RM. unter die Moratoriumsklausel fallen
würden.
Was besagt diese Klausel nun? Sehen
wir von dem Eonderabkommen mit den Ber-
llnigten Staaten ab und folgen wir lediglich
oen Bestimmungen des Poungplans, so ist
zunächst eine Unterscheidung von grundsätz-
licher Bedeutung z!u treffen: Aufbringung
Und Uebertragrng sind zwei verschiedene Sei-
len des gesamten Zahlungsvorgangs. Aufbrin-
gung bedeutet: die Reparationssummen wer-
ben mit Hilfe von Steuern oder auf dem
ÄKgc über die Einnahmen der Reichsbahn aus
lwr deutschen Volkswirtschaft entnommen. Na-
liirlich in Reichsmark, wie es im inländischen
Zahlungsverkehr üblich ist. Da wir diese Be-
lage nun ans Ausland zahlen müssen, ist es
Notwendig, sie in ausländischer Währung zu
übertragen, also in Devisen umzuwandeln.
Win Bebertragungsaufschub ist also in erster
Acjhe vom wahrungspolitischen Standpunkt
N beurteilen: er soll im Notfall einen zu star-
Een Devisenabzug unterbinden. Erst der Auf-
Mingungsaufschub bedeutet eine Entlastung
"er gesamten Volkswirtschaft, der gesamten
^rrverbsstände also, die letzten Endes die Re-
barationsbeträge aus ihren Einkünften Le,zäh-
en müssen.
Ucber die Inkraftsetzung des Uebertra-
Umgs- und Aufbringungsaufschubs ist im
Lvungplan folgendes vorgesehen: wenn die
Umwandlung der deutschen Reparationszahlun-
gen in ausländische Währung Schwierigkeiten
Wirtschaft und Währung verursacht, kann
Deutschland mit dreimonatlicher Voranzeige
Ze Bebertragung des geschützten Teils der
^stNuität für höchstens zwei Jahre ganz oder
^lweise aufschieben. Die aufkömmenden Rs-
^vationsbeträge würden dann lediglich in
Züscher Währung auf das Konto der Bank
internationalen Zahlungsausgleich bei der
s,?ichsbank eingezahlt werden. Erst nach
^Uem Jahre kann auch ein Aufschub der inne-
Aufbringung erfolgen, und zwar nur für
Iney der bereits dem Transferschutz un-
nwrfeneu Summe. Fünf Vierteljahre würde
also praktisch brauchen, ehe eine Entlastung
Volkswirtschaft tatsächlich einträte,
n Mit der Erklärung Deutschlands, die
Übertragung des geschützten Teils der Annui-




jl
 
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