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Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes: Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes — 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.42441#0315
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i .

«MIs

Jahrgang 1S3V

Sonntag, 23. November

Nr.«


vL8 8pivl mit MNionea.


Was wird aus der Zrischfleisch-VerbMgung für Minderbemittelte?

sei-


3

dic Deutschnationalen hatten sich der Stimme
enthalten.

Was sagt die Regierung?
Von besonderer Seite wird uns noch mit-
geteilt:

übliche Ttinkgeld für den bedienenden Kellner
der Steuer nicht unterworfen. Wenn also je-
mand Kaffee mit Milch bestellt, dann ist das
bißchen Milch steuerpflichtig. Bestellt sich am
Sontagnachmittag eine Familie eine Kanne
schwarten Kaffee und daneben ein Glas Milch,

Der am 14. November vom Haushaltsaus-
schuß des Reichstages angenommene kommu-
nistische Antrag, die F r i s ch f l e i sch v er-
bt l l i g u n g s a k t i o n für Minderbe-
mittelte soweit wir irgend möglich auszu-
dehnen, der zur Ablehnung aller übrigen vor-
liegenden Anträge führte, hat zunächst die
praktische Bedeutung, daß eine -Abänderung
des K 12 des Fleischbeschaugesetzes und damit
die Wiedereinführung des Gefrierfleisches vor-
läufig nicht mehr in Frage kommt. Wie wir
ferner erfahren, hat man sich in Regierungs-
kreisen noch nicht darüber entschieden, ob ange-
sichts dieses Beschlusses des Reichstaqsaus-
schusses am 1. Dezember mit der Ausgabe von
Fleischbons begonnen werden soll. Wir wer-
den, sobald innerhalb der Regierung diese
Frage geklärt ist, darüber berichten.
--- > ? -
Seltenes Schauspiel
Gestern konnte man im Reichstag ein
tenes Schauspiel erleben: Ein kommunistischer
Antrag wurde a n g e n o m men! Man wird
zugeben, daß das nicht jeden Tag vorkommt.
Ja, soviel wir wissen, ist ein solches Ereignis
schon seit Jahren nicht zu verzeichnen gewesen.
Landvolk, Nationalsozialisten, Sozialdemokra-
ten und Christlich-soziale Volkspartei Arm in
Arm mit den Vorkämpfern der Weltrevolution.
Wahrlich, ein seltenes Schauspiel.
Ä» .. .
- '' 's ' . ,'F- . ' -,/s / . '
Um was ging es denn bei dieser Verbrüde-
rung? Der Haushaltsauschuß des Reichstages

das verbilligte Frischfleisch darf auch nicht
teuerer sein als das bisherige zollfreie Gefrier-
fleisch. Auch diese Differenz soll also die Re-
gierung tragen resp. Bons dafür ausgeben.
Der Reichsfinanzminister Dr. Dietrich hatte
schon recht, als er etwas verwundert dieFrage
stellte, aus welchem Aermel er denn die 640
Millionen Mark schütteln solle, die zur Durch-
führung dieser großartig inszenierten Pro-
pagändaangelegenheit für die Kommunistische
Partei notwendig seien. Darüber haben sich
aber die Parteien, ditz sich so dienstbeflissen
hinter die Kommunisten und ihre Forderun-
gen gestellt haben, anscheinend den Kopf nicht
zerbrochen.

und man schüttet die Milch in die Kanne, dann
ist diese Milch N i ch t zu versteuern. Wer eine
Flasche Selters mit Zitronengeschmack bestellt,
muß Steuern zahlen. Wer aber ein Glas reines
Brunnenwasser bestellt und sich zuvor einen
Würfel Brausepulver im Schokoladengesck"'

Der
stimmte am Freitag vormittag über die zur
Frischfleischverüilligungs - Aktion vorliegenden
sechs verschiedenen Anträgen ab. Unter Ab-
lehnung aller anderen Anträge wurde folgen-
der kommunistischer Antrag angenommen:
Der Ausschuß wolle beschließen:
die Reichsregierung aufzufordern, die Ver-
billigung von Frischfleisch für die minder-
bemittelte Bevölkerung in der Weise vor-
zunehmen, daß der.Preis des verbilligten
Frischfleisches in keinem Falle höher sein
darf, als der bisherige Preis des zollfreien
Gefrierfleisches und der Kreis der Bezieher
von verbilligtem Frischfleisch alle Erwerbs-
losen, Sozial- und Kleinrentner sowie alle
Fürsorgeberechtigten umfassen muß.
Für den Antrag stimmten außer den An-
tragstellern die Nationalsozialisten, die Sozial-
demokraten, das Landvolk und die Christlich-
Sozialen, dagegen das Zentrum, die
Deutsche Volkspartei und die Wirtschaftspartei,

Leider hat die Sache -einen Haken. Die
Kassen des Reiches sind leer,-die Schuldenlast
ist riesengroß, die Steuereinahmen gehen täg-
lich zurück, kurzum, das Messer fitzt usts am
Hals. Und in einer solchen Situation, dis
natürlich nicht nur jeden Abgeordneten, son-
dern überhaupt jedem Staatsbürger bekannt
ist. wird einem kommunistischen Antrag zuge-
stimmt, der, wenn man noch die Verwaltungs-
aufwendungen der Gemeinden für die vielen
Millionen von „Fleischbon-Berechtigten" hin-
zurechnet. fast 1 Milliarde Mark kostet. Für
einen solchen Salto mortale der Vernunft hat
das deutsche Fleischergewerbe keinerlei Ver-
ständnis, denn darüber wollen wir uns nichts
vormachen, — lebten Endes sind doch wir die-
jenigen, die die Zeche zu bezahlen haben.

Keine Lösung!
Mit der Annahme dieses kommunisti-
schen Antrages durch den Haushaltsausschuß
des Reichstages ist die Frage der Frischfleisch-
verbilligung für Minderbemittelte noch nicht
restlos gelöst. Wie wir erfahren, hat Reichs-
finanzminister Dr. Dietrich gleich nach der
Abstimmung darauf hingewiesen, daß die
Durchführung des kommunistischen Antrages
sofort 200 Millionen kosten würde. Die Re-
gierung müsse sich deshalb ihre Stellungnahme
zu dem Antrag Vorbehalten. Es ist nicht aus-
geschlossen, daß sich noch das Plenum des
Reichstages mit der ganzen Angelegenheit be-
schäftigen wird. Daß die Annahme des kom-
munistischen Antrages eine glückliche Lö-
sung darstellt, wird gewiß niemand behaupten
können.

Der Freitag vormittag im Haushaltsaus-
schuß des Reichstages angenommene kommu-
nistische Antrag wird in den Regierungskreisen
so angesehen, daß er dem Bedürfnis der
Agitation entsprungen ist. Es wird be-
rechnet, daß an dem Nutzen dieses Antrages
rund 16 Millionen Menschen in der deutschen
Bevölkerung beteiligt sein würde, und das
Reichsarbeitsministerium hat genau berechnet,
daß dadurch dem Reiche eine Gesamtausgabe
von 640 Millionen Mark erwachsen wird. Es
wird darauf hingewiesen, daß die Parteien,
die den Antrag angenommen haben, keinen
Weg gezeigt haben, wie eine solche Mehraus-r
gäbe im Etat gedeckt werden könnte. In der
jetzigen Zeit, wo jeder Pfennig gespart werden
müsse, sei es verantwortungslos, dem Reiche
eine solche Last aufzuerlegen, für die keine
Deckung vorhanden sei. Es sei aber eine un-
ausweichliche Notwendigkeit, den Reichseiat
balancieren zu lassen.
Angesichts dieser Sachlage dürfte dieser
Beschluß des Haushaltsausschusses eine
praktische Bedeutung vorläufig nicht
bekommen.

Herausgeber:
Curt Kiestz« «er

Sie Gemeilldegeträllkestevel.
Von Syndikus Karl Tögel, Coßmannsdorf.
In dem Blütenstrauß der neuen Steuern
nimmt die Getränkesteuer die letzte Stelle ein.
Nicht nur deshalb, weil sie als dritte beschei-
den zuletzt steht, sondern weil sich in ihr die
ganze Unfähigkeit offenbart, das katastrophale
Finanzproblem in Deutschland zu meistern.
Die Getränkesteuer, die den Gemeinden
als Geschenk in den Schoß gelegt wird,
ist nicht nur eine geradezu zerrüttende
Steuer für das Gaststättengewerbe, son-
dern sie zeigt auch^ wie weit sich eine
wirtschaftsfeindliche, vom Marxismus
angesteckte Politik verirren kann.
Neben der Biersteuer kann auf Grund
selbständiger, Beschlüsse in den Gemeinden eine
Getränkesteuer eingefllhrt werden, aber hur
dort, wo die Gemeinde durch Wohlfahrtslasten
in außerordentlichem Umfange belastet ist. Die-
ses dürfte für . die meisten sächsischen Gemein-
den ohne weiteres zütreffen. Da nun durch die
Notverordnung der sächsischen Regierung die
Bicrsteuer als Landeszwangssteuer eingeführt
worden ist, ergibt sich für alle Gemeinden die
Möglichkeit,, hie Eemeindegetränkesteuer zu be-
schließen. Diese. Steuer bedarf der Zustimmung
der Regierung,, welche zu prüfen hat, ob die
Wohlfahrtslasten eine Einführung dieser
Steuer bedingen.
Diese Getränkesteuer wird erhoben auf
Wein, weinähnliche und weinhaltige Getränke,
Schaumwein und schaumweinähnliche Getränke,
Trinkbranntwein, Mineralwasser, künstlich be-
reitete Getränke, Kakao, Kaffee, Tee und an-
dere Auszüge aus pflanzlichen Stoffen. Sagen
wir es negativ:
alles soll dieser Steuer unterworfen
werden außer reinem Brunnenwasser
und Milch,
Selbst wer sich erkältet hat und sich am Abend
i.n Gasthaus eine Tasse Kamillentee brauen
läßt, bezahlt dic Getränkesteuer.
Nun kommen die, Neunmalklugen und wei-
sen auf das Gaststättengesetz hin und sagen:
diese Getränkesteuer belastet nur den, der Vie
Last freiwillig aus sich nehmen will, denn nach
dem Haststättengesetz darf die Entnahme von
Speisen an die gleichzeitige Entnahme von Ge-
tränken nicht gebunden werden. Nun schön,
Ran denke an heiße Sommertage, man denke
an eiskalte Winterabende — muß nicht jeder,
der als Reisender. Arbeiter, Wanderer usw.
aus den Gasthof angewiesen ist, etwas zu rrin-
ten bestellen ?
So trifft also diese Steuer zunächst den
Kreis der Bevölkerung, der auf die Gast-
stätten angewiesen ist. Also eine Sonder-
steuer auf einzelne Gruppen unserer
Bevölkerung.
Die Sache wird aber noch schlimmer:
steuerpflichtig ist nämlich nur das, was „an
^rt und Stelle zum Verzehr entgeltlich ab-
gegeben" wird. Wenn sich jemand also eine
^owlc Wein über die Straße holen läßt, dann
'!t dies nicht steuerpflichtig. Wenn sich jemand
Einige Flaschen Wasser mit oder ohne Geschmack
'b seinen Schrebergarten holt, dann braucht er
leine Steuer zu zahlen, wenn er sie aber „an
^rt und Stelle" verzehrt, dann muß er
Steuern entrichten.
Weiter: Wenn jemand Kaffee bestellt oder
^se. wird ja in der Regel etwas Milch bei-

MittelstandeS, des Handwerks, Handels, HauS- und Grund- -
besitze?, der Landwirtschaft, freien Berufe und aller sich zum
. Mittelstand rechnenden Kopf« und Handarbeiter,
"/ f- ' - '

cMben. Ist diese nun steuerpflichtig? Ja. Die
Dürchführungsordnung des Reichsfinanzmini-
sters bestimmt mit abgrundtiefer Weisheit:
daß reglmäßige Beigaben von Milch. Zitrone
usw. von der steuerpflichtigen Summe nicht
abgezogen werden dürfen. Wohl aber ist das

sollte zu dem Antrag dec Regierung Stellung alle Fürsorgeberechtigte — und nicht nur das:
nehmen, nach Wegfall des Gefrierfleisches'
durch Einführung des Vonsystems ein gewisses
Quantum Frischfleisch verbilligt an Minderbe¬
mittelte abzugeben. Die dafür notwendigen
Beträge sollten durch die vor einiger Zeit vor¬
genommene Erhöhung des Weizenzolles aufge¬
bracht lüerden. im ganzen ungefähr 20 Millio¬
nen Mark. Nachdem sich der Haushaltsaus-
schuß bereits am Donnerstag mehr als aus¬
giebig über die ganze Angelegenheit unterhal¬
ten hatte, wurde die Abstimmung aus forma¬
len Gründen auf den nächsten Tag verschöben.
Es logen sechs Anträge der verschiedenen Par¬
teien vor, darunter auch einer von den Sozial¬
demokraten auf Wiedereinführung und Erhö¬
hung des Eefrierfleischkontingents. Als fünf
Anträge bereits abgelehnt waren, stimmten
die bereits oben erwähnten Parteien einem
kommunistischen Antrag zu, in dein es, wie be¬
reits mitgeteilt, heißt, „daß der Preis des
verbilligten Frischfleisches in keinem Falle hö¬
her sein darf als der bisherige Preis des zoll¬
freien Gefrierfleisches und daß der' Kreis der
Bezieher von verbilligtem Frischfleisch alle Er¬
werbslosen, Sozial- und Kleinrentner sowie
alle Fürsorgeberechtigten umfassen soll". Die
Kommunisten werden nicht schlecht gestaunt
haben, als sich eine Mehrheit für ihren An¬
trag fand. Eine derartige Agitationsmöglich¬
keit fällt einem nicht jeden Tag in den Schoß.
Man überlege sich, was das heißt, sämtliche
Erwerbslose. Sozial- und Kleinrentner sowie,


Einführung -es Kleischbons,
Der Preis des verbilligten Frischfleisches darf in keinem Falle höher sein als der bisherige Preis des zoll-
freien Gefrierfleisches.
Haushaltsausschuß des Reichstages

Heidelberger
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Mittelstands-Zeitung
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