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Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes: Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes — 1930

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I

Nr. 24

Sonntag, 4S. Luni

Jahrgang 1L930

wer
was
. R.

Geschäftsstelle:
Heidelberg, Hauptstraße LO«

SMeKMe WM-MW
Bezugspreis monatllch 0,60 Rei h nark. Bei Postbezug
vierteljährlich 2,10 Reichsmark. Für ausgefallene Nummern
wird kein Ersatz geleistet. Der Jnsertionspreis ist 10 Reichs-
pfennig für die achtgespaltene Millimeterzeile oder deren
Raum. Reklamen 0,40 RM- pro mrn-Zeile.

Heidelberger ...«.
Bürger-Zeitung
Mittelstands-Zeitung
IliMSWies 8»?sd>lM sik die ZUeresse« -es tcUs-k« UiNOßiNks
MeWMeriB-wilWWe MW
Zeitung für gesunde Wirtschaftsinteressen des gewerblichen
Mittelstandes, des Handwerks, Handels, Haus- und Grund-
besitzes, der Landwirtschaft, freien Berufe und aller sich zum
Mittelstand rechnenden Kopf- und Handarbeiter.



y. Verbandstag des
Reichsverbandes der Deutschen Mrgerjngend
in Dresden vom 7.—P. Juni MV.

Aus allen Teilen des Reiches waren die
^ertreter dieser Mittelstandsjugend herbeige-
^t, um mit zu raten und zu taten über die
Morgen des Mittelstandes und über die Not-
wendigkeit festen Zusammenschluffes auch in
Reihen der jungen Kämpfer des deutschen
Mittelstandes.
v Am Sonnabend, dem 7. Juni, fand im
Aalienischen Dörfchen eine Begrünung der
w^iste und eine Reichsverbands-Vorstands-
'^lrng statt.
In einer öffentlichen Tagung am Sonntag-
RNnittag im Italienischen Dörfchen wurden
^bedeutende Referate geboten.
> Der 1. Vorsitzende des Reichsverbandes der
Zutschen Bllrgerjugend,
Martin Neumann-Berlin
^grüßte mir herzlichen Worten die Erschiene-
Aus dem Referat des
^rteivorsitzenden Hermann Drewitz, M. d. R.
Berlin,
^er das Thema: Was erwartet dre
putsche Mittelstandsjugend vom
/Mutigen Staate sei das Folgende ge-
M:
In einer Zeit politischer Kopfrosigkeit, wo
Jugend nach neuen Wegen sucht, weil sie
politische Phrasendrescherei satt Hai, tritt
deutsche Mittelstandsjugend zu ihrer 9.
^rbandstagung zusammen. Die Reichspartei
Jb deutschen Mittelstandes hat ein großes
Eerefse an einer starken gesunden Entwick-
der Bewegung der deutschen Bürger-
wend. denn was die Wirtschaftspartei poli-
zu erstreben sucht, das soll der Zukunft,
heutigen Jugend, die später inmitten des
^seinskampfes steht, menen.
Was sich jetzt in Deutschland alffpielt, ist
n Verzweiflungskampf, lei dem
W Jugend fühlt, daß sie nicht mehr recht mit-
E'Urnen kann. Das Eejühl, daß die Decke, un-
W der wir uns zu strecken haben, viel zu kurz
^worden ist, drängt zu gewaltsamer Aende-
Mg der Verhältnisse.
. Die Jugend wird politisch kopflos. Sie hat
Aeben müssen, daß ein furchrbarer Krieg
^nschheitswerte sinnlos und planlos ver-
achtet und zerstört hat, und daß aus diesem
.chchehen doch nicht das herausgewachien ist,
für den neuen Aufbau der Nation und
* Wirtschaft so nötig ist.
s, Die Jugend fühlt den Widersinn, der
^*in liegt, daß man in allerhand politischen
^.bänden, mjj. Uniformen angezogen, Herum-
ost und ausgerechnet das macht, was man
sicher mit allen Mitteln bekämpft hat. Das
Astete und Ungesunde in allem Politischen
d " ^der Jugend nicht in den Kopf. Schon
x-Jahren habe ich darauf hrngewiesen, daß
Stabilisierung unserer Währung zwecklos
j? ' wenn nicht zugleich eine Stabilisierung un-
gesamten politischen Verhältnisse kommt,
kte die Reichspartei des deutschen Mittel-
» ddxg ihrem Eintritt in die Rcichsregie-
^9 ein schlimmes Erbe übernehmen müssen,
sK in seiner Art und Last von der Partei
lange vorausgesehen wurde.
h Eins muß einmal ganz deutlich gesagt
ltnr Der Staat ist keine Versorgungsan-
"'t, er ist nicht dazu da, die Sorgen und Nöte

Staatsbürger möchte heutzutage ein mühe-
loses, angenehmes Dasein haben, möglichst in
eins Veamtenstellung hineinrutjchen und dann
den Staat für sich sorgen lassen. Dabei ist es
so, daß der Staat beim besten Willen nicht
mehr diei Gelder aufbringen kann, die feden
dem einzelnen Menschen abzunehmen. Jeder
Monat notwendig sind, um die Gehälter und
Löhne für die Beamten, Angestellten und Ar-
beiter zahlen zu können. So verlangc das
Reich nun ein Notopfer, um aus der Finanz-
misere herauszukommen. Ob es für die Wirt-
schaftspartei tragbar ist, den Plänen der
Reichsregierung in allen Punkten zuzustim-
men, bedarf erst noch der gründlichen Nach-
prüfung.
Fest steht für uns, daß der Staat einen
Verwaltungsapparat aufgezogen hat, der viel

Es hat noch nichts in Deutschland eme so
große Enttäuschung hervorgerufen wie die jetzt
bekanntgewordene „Finanzreform". Man muß
sich ganz nüchtern einmal folgendes klar ma-
chen: Die Verminderung der Leistungen des
Poung-Planes gegenüber dem Dawes-Plan
beläuft sich auf 750 Millionen Mark, ein Be-
trag, der nach wiederholten Versicherungen zu
Steuersenkungen verwandt werden sollte.
Statt dessen sind zunächst durch das ioa. Fi-
nanzkompromis 750 Millionen Mark an neuen
Steuern ausgeschrieben worden: dazu tritt
jetzt erneut ein Betrag von rund 620 Milli-
onen Mark an Steuern und sozialen Versiche-
rungsbeiträgen: gleichzeitig ist ui Preußen
die Grundvermögenssteuer um 116 Millionen
Mark erhöht worden und es sind n den übri-
gen Ländern, in den Kommunen, Provinzial-
verwaltungen usw. neue Steuern im Umfang
von mindestens 150 Millionen Mark beschlos-
sen worden. Insgesamt ist also statt einer
Entlastung von 750 MillionenMark eine neue
zusätzliche Belastung von 1630 MillionenMark
sd. h. ein Unterschied von fast 2,5 Milliarden
Mark gegenüber den ursprünglichen Verspre-
chungen) eingetreten: dabei ist in dieser
Summe die vor einigen Monaten bereits vor-
genommene Erhöhung der Beiträge zur Ar-
beitslosenversicherung, die Tabaksteuer usw.
noch nicht einmal berücksichtigt. Diesem Milli-
arden-Betrag stehen an Einsparungen aus
dem Reichsetat, Steuersenkungen usw. ganze
65 Millionen Mark gegenüber. Obwohl der
Fehlbetrag im Reichshaushalt, in derArbeits-
losenversicherunq usw. 850 Millionen Mark be-
trägt, sollen für ein ArbeUsbeschaffungspro-
gramm 200 Millionen Mark flüssig gemacht
werden: wie dieser Betrag finansiert werden
soll, ist vorläufig ein Geheimnis. Dabei stehen
in vielen Gemeinden noch Steuererhöhungen
bevor.
Mit dieser Situation müßte man sich ab-
finden, wenn die Aufbringung der neuen
Steuern die Voraussetzung für eine endgül-
tige Sanierung der öffentlichen Finanzen bil-
dete. Das ist aber in keiner Weise der Fall,
weil eine Beseitigung der eigentlichen Gründe
des Zusammenbruchs der öffentlichen Finan-
zen (nämlich eine grundlegende Sanierung der

zu groß und zu kostspielig ist. Die Lasten für
ihn sind einfach nicht mehr aufzubringen. Da-
zu kommt, daß wir in Deutschland einen ver-
edelten Bolschewismus haben. Vorwärts
kommt aber ein Volk nur dann, wenn es sich
für den einzelnen Staatsbürger als Ziel setzt,
das beste Können des einzelnen in den Dienst
der Allgemeinheit zu stellen. In der Verbun-
denheit dieses Dienstes für die Allgemeinheit
muß auch liegen der Willen, den Kampf mit
dem Dasein aufzunehmen, nm sich und seinem
Haus eine bessere Zukunft zu zimmern.
Immer war der Mittelstand die Eliis des
deutschen Bürgertums. Nun ist aber heute auch
die Frage aufzuwerfen, warum denn io viele
in dem Kampf ums Dasein verzweifeln wol-
len in dem Gefühl, wirtschaftlich nicht frei zu
werden. Die furchtbare Arbeitslosigkeit, beför-

Arbeitslosenversicherung in Verbindung mit
einer durchgreifenden Staatsreform) über-
haupt nicht beabsichtigt ist. Deshalb wird schon
bald ein neuer Zuschußbedarf sich einstellen,
zumal die Zahl der Beitragspflichtigen zur
Arbeitslosenversicherung immer geringer wrrd.
Dazu kommt die zunehmende Zahl der Aus-
gesteuerten, die an die kommunale Wohl-
fahrtspflege überführt werden. Selbst wenn
ein Mehrbedarf bei den Reichsfmanzen sich
nicht ergeben sollte, wird dieser sicher eintre-
ten bei den Kommunalfinanzen. Wo er ent-
steht, ist für die Praxis und für den Steuer-
zahler aber gleichgültig.
Wie mit einer solchen Finanzreform, die
Belastungen von mehr als der doppelten Höhe
der Poung-Ersparnisse auferlegt und die den
öffentlichen Etat einschl.Sozialversicherung auf
27—28 Milliarden Marl (gegenüber 8,5 Mil-
lionenMark 1913) bringt, ein moralischer An-
spruch auf Reparationsrevision gerechtfertigt
und wie mit einer solchen zusätzlichen Be-
lastung eine Preisjenkungsaktion durchgeiührt
werden soll, bleibt unerfindlich. Am bedauer-
lichsten ist aber die auch in diesem kritischen
Zeitpunkt noch angewandte Verschleierungs-
taktik. Es wird immer noch von Notopfer
bezw. Reichshilfe gesprochen. Dabei handelt es
sich um eine Zwangsmaßnahme, die eine sehr
wesentliche und in ihrer Dauer überhaupt
nicht befristete Einkommensteuererhöhung (um
40 bezw. 50 Prozent) bezw. eine recht fühl-
bare Gehaltskürzung bedeutet, zu Gunsten
einer Einrichtung, deren mißbräuchliche Aus-
nutzung niemand abzuleugnen wagt, die aber
niemand aus politischen Gründen anzutasten
riskiert: sie soll auferlegt werden solchen Krei-
sen, die mit der Arbeitslosenversicherung über-
haupt nichts, zu tun haben, während die Or-
ganisationen. die die Beibehaltung des fal-
schen Systems fordern und deren Vermögen
Hunderte von Millionen Mark beträgt, an
eine Beteiligung überhaupt nicht denken. Ge-
rade eine Regierung wie die jetzige hat die
Pflicht, sich Lieser Tatsachen klar zu werder
und alles zu tun, um den jetzigen Zustand, den
ihr die sozialistisch orientierte Mißwirtschaft
früherer Zeiten überliefert hat, möglichst bald
zu beseitigen.

dert auch durch ungesunde Rationalisierungs-
bestrebungen, unterstützt diesen Vrzweiflungs-
kampf. In den akademischen Kreisen wächst
ein neues Proletariat heran. Deshalb ist der
Zuzug nach den Universitäten einzudämmen.
Wenn dem Mittelstand noch mehr Mit-
streiter erstehen, dann wird es ihm auch mög-
lich werden, noch mancherlei durchzusetzen, was
im Interesse der gesamten Wirtschaft liegt.
Die Veredelung der Umsatzsteuer, die dieWirt-
schaftspartei im Reichstag durchgedrückt hat.
ist nur eine kleiner Ausschnitt aus dem Auf-
gabengebiet, das ihr obliegt zu erreichen. Es
ist unsinnig, der Wirtschaftspartei wegen die-
ser Umsatzsteuer Vorwürfe zu machen. Die
Partei vertritt denStandpunkt, der wirtschaft-
lich Schwache muß geschützt werden und der
Wirtschaftlich Leistungsfähigere kann auch fi-
nanziell mehr leisten. Und wenn durch die
Umsatzsteuer die Warenhäuser kaputt gemacht
werden könnten, wie es behauptet worden ist,
so wäre das für die Wirtschaft kein Schaden.
Denn für jedesWarenhaus können sofort 1000
mittelständische Geschäfte errichtet werden.
Der Redner wendet sich sodann der Bewe-
gung des Faschismus in Italien zu, die so
gern in eine Parallele mit der Bewegung der
Nationalsozialisten in Deutschland gebracht
wird. Keinesfalls ist damit zu rechnen, daß
durch eine etwaige verantwortliche'» Führung
der Nationalsozialisten eine wesentliche Aen-
derung des politischen Kurses eintreten könne.
Es fände eine Auswechselung der politischen
Führer und eine gewisse Umschichtung statt,
aber auch nicht mehr. Italien hat ein Ab-
satzgebiet für Menschen seines Landes, die
Kolonien. Dorthin kann es seine Bürger schik-
ken, um wichtige Arbeit für die Wirtschaft des
Landes und seine Kultur zu leisten. Deutsch-
land sind diese Kolonien genommen und es
fehlt ihm deshalb ein wesentliches Absatz-
gebiet.
Wie viele Mittelständler haben früher
Pionierarbeit für das deutsche Volk in den
Kolonien geleistet!
Zum Schluß richtet der Referent einen
warmen Appell an die Jugend. Im-
mer habe die Entwicklung der Privatwirtschaft
obenan zu stehen. Mit Gemeinwirtschaft ist
keinem Volke von Intelligenz gedient. Jeder
muß an seinem Schicksal selbst den Schmied
darstellen. Der ganze Handwerker-Nachwuchs
muß in die deutsche Bürgerjugend hinein. Aus
dieser Jugend heraus soll der neue Sturm-
trupp für den Mittelstand erstehen, der ene
gesunde wirtschaftliche Idee propagiert.
Für jeden Führer, der fällt, müssen 100
neue junge Führer bereit stehen. Ohne den
deutschen Mittelstand keine deutsche Zukunft!
Tragt Idealismus in eure Mittelstandsreihen.
Schließe dich zusammen, Mittelstandsjugend,
und glaube an deine Mission, du deutscher
Mittelstand!
Staatsminister a. D. Dr. Wilhelm-Dresden
„Das Recht des Deutschen auf Arbeit."
Staatsminister a. D. Dr. Wilhelm-Dresden,
der weithin bekannte Förderer der mittelstän-
dischen Jugend, der Schöpfer der Lehre von
der mittelständischen Weltanschauung, der
Lehre vom Stande, hielt zu obigem Thema
eine aufsehenerregende Rede, die von den Zu-

Das System des Zusammenbruchs.
 
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