Smelberger
Einzelpreis 15 Psg.
Burger-Zeitung
-
Nr. 20
von
allen Mitteln muß gegen das Vor-
der Einheitspreisunternehmen Front
werden. Am dringendsten notwendig
khrgang ^930
Sonntag, Mai.
stunden vom Arbeitsamt weg und legt dafür
einen Betrag von 60 Pfg. pro Stunde produk-
tiv an, so wäre damit der Zuschuß für eine
Wohnung gegeben. Reichstagsabgeordneter
Freidel, der den Wirtschaftsparteilichen Antrag
vor dem Plenum ausführlich begründete,
führte u. a. auch ein Beispiel aus dem Land-
kreise Hildesheim an. Dort wird als Zuschuß
für eine Wohnung der Betrag von 3000 bis
3600 Mark gezahlt, also die Summe, die wir
auch weiter oben zu Grunde legten. Im Land-
kreise Hildesheim liegen in diesem Jahre An-
träge und Baugesuche für Zuschüsse oder Ge-
währung von Hauszinssteuerhypotheken in
Höhe von 500 000 Mark vor. Dem Kreis bzw.
der Regierung stehen jedoch augenblicklich nur
100 000 Mark zur Verfügung. So wie hier
ist es in vielen Teilen unseres deutschen
Vaterlandes.
Es ist an der Zeit, daß endlich einmal der
Versuch gemacht wird, eineü Teil des Bauge-
werbes anzukurbeln, einen Teil der Gelder,
die heute an Erwerbslosenunterstützung für
Bauarbeiter unproduktiv ausgegeben werden,
produktiv anzulegen.
Wenn, wie es der wirtschaftsparteiliche
Antrag vorsieht, die Gelder in Form von
Hypotheken angelegt werden, so wird da-
durch nicht nur das Baugewerbe an sich neu
belebt, sondern darüber hinaus die vielen
Nebengewerbe, wie Ziegeleien, Zement¬
werke, Kalkwerke, die Fuhrunternehmungen,
Sägewerke usw.
Gleichzeitig muß gefordert werden, daß
allmählich die Fesseln der deutschen Bauwirt-
schaft gelöst werden, um zu einem freien Ar-
beiten auf dem Baumarkte zu kommen. Von
den im Baugewerkbund organisierten Bauar-
beiten fielen 92 Prozent, von den Zimmer-
leuten im Jahre 1928-29 95 Prozent, die im
Zentralverband der Zimmerer organisiert sind,
der Arbeitslosenversicherung bzw. der Krisen-
fürsorge zur Last. Daneben sind noch so und so-
viele Beliebe dagewesen, die solche Arbeiter
behielten und trotzdem vier bis fünf Monate
ohne jeglichen Verdienst waren. Außer ge-
ringfügigen Steuerstundungen sind solchen Un-
ternehmungen keinerlei staatliche Unterstützun-
gen zuteil geworden und wurden so auf die
Knie gezwungen. Die fortwährend steigende
Zahl der Konkurse und Zahlungseinstellungen
beweist nur zu deutlich, wie schwer die wirt-
schaftliche Not auf diesen mittelständischen Be-
trieben lastet. Durch die große Zahl der Aus-
gesteuerten sind die Ausgaben für Wohlfahrts-
pflege in den Etats außerordentlich gestiegen,
so daß wir in diesem Jahre mit einem Defi-
zit von 2S5 Millionen Mark in den städtischen
Haushaltungen rechnen müßen. Die Schwie-
rigkeiten können nicht beseitigt werden da-
durch, daß man eine Erhöhung der Beiträge
durchführt und die Arbeitslosenversicherung
in großem Maße abgebaut wird. Bor allen
Dingen ist es notwendig^ daß Arbeit geschaffen
wird und die Arbeitslosenversicherung in die
produktive Erwerbslosenfürsorge «mgewandelt
wird. Damit wird eine starke Entlastung der
Versicherungsanstaltskasse zum^ einen erreicht,
zum andern aber gibt man den Arbeitslosen
Arbeit und Brot und den Mittelstandskreisen
ihre Existenzmöglichkeit.
Kampf gegen die
heute unser wirtschaftliches Leben zu unter-
minieren droht. „Was drängt das Volk, was
wälzt sich dort —? Genau so geht es einem,
wenn man den Versuch macht, ein Einheits-
preisgeschäft in den Hauptverkehrsstraßen zu
betreten, ein Gedränge, ein Geschiebe, unmög-
lich an die Verkaufstische zu gelangen.
Die in den letzten Jahren neu entstande-
nen Organisationen beginnen sich zu einer
ernsthaften Gefahr auszmvachsen. Sie bedro-
hen unsere Wirtschaft auf das schwerste, wenn-
gleich unsere Branche weniger unter dieser
Konkurrenz zu leiden hat als andere Zweige.
Um das Resultat einer genauen Beobachtung
vorwegzunehmen, ich habe festgestellt, daß der
Papier- und Schreibwarenhandel jederzeit in
der Lage ist, dem kaufenden Publikum für
gleiches Geld bedeutend Besseres zu liefern,
und wenn er es bisher nicht getan hat, so ist
es nur die hohe Auffassung, die der Händler
von seiner volkswirtschaftlichen Mission hat.
Er lehnt es ab, dem Käufer Schund zu ver-
kaufen, wenn er auch billig ist.
Trotzdem soll man die Konkurrenz der Ein-
heitspreisgeschäfte nicht unterschätzen. Sie wir-
ken schon in der äußeren Aufmachung unbe-
dingt anziehend. Sorgfältig dekorierte Schau-
fenster, einer der jüngsten Läden hat sogar
14 Stück, die alle paar Tage gewechselt wer-
den, übersichtliche klareAnordnung im Inneren
und vor allem Licht. Es ist eine alte Weis-
heit: „Licht zieht die Motten an," und diese
Erkenntnis auf das Wirtschaftliche übertragen,
zeigt eines der Geheimnisse, welche den An-
klang der Einheitspreisläden erklären. Der
zweite Faktor ist die offene Auslage. Welche
Frau kann widerstehen. Hvenn sie Ware auf-
Geschäftsstelle:
Heidelberg, Hauptstraße LOO
kann? Und dann die Suggestion der „so bil-
ligen" drei Preise: 25, 50 Pfennig und 1 NM'.
Nur 25 Pfennig, diese Versuchung ist für Eva
zu groß, und sie kauft, kauft mehr als sie
wollte, unnütze Sachen, oft ohne jeden Wert
für sie, Kaufrausch!
Ich habe in den verschiedensten Teilen.
Berlins zu allen möglichen Stunden diese Ge-
schäfte ausgesucht, stets waren sie voll, vor al-
lem von Frauen. 95 Prozent der Kundschaft
sind Frauen, unter den Männern habe ich be-
sonders kleine Beamte, Eisenbahner, Straßen-
bahnangestellte usw., festgestellt, die sich, man-
gelnden Verständnisses halber, durch die billi-
gen Preise verführen lassen. Die Auswahl
der zum Verkauf gestellten Waren ist gering,
jedes Lager hat nur wenige Meter Umfang.
Immerhin sind durchschnittlich in jeder Abtei-
lung zwei Verkäuferinnen beschäftigt. Unter
Berücksichtigung der verschiedenen Waren, die
von dem Schreibwarenhändler geführt werden,
sind an den diversen Lägern immerhin sechs
bis acht Verkäuferinnen tätig. Setzt man den
Tagesumsatz einer jeden nur mit 50 Mark an,
was wahrscheinlich äußerst niedrig ist, so er-
halten wir immerhin einen Tagesverkauf
300 bis 400 Mark, der den in der Nähe be-
findlichen Papiergeschäften verloren geht. Die
Bedienung selbst ist sehr primitiv, von Ver-
kaufskunst kann keine Rede sein, von Waren-
kenntnis und entsprechenden Auskünften noch
weniger. Sie zahlen direkt an dieVerkäuferin,
die auch die Waren, in eine Tüte verpackt,
gleich aushändigt. Eine Kontrolle, ob sie das
Gewünschte und die entsprechenden Bonquit-
tungen richtig erhalten haben, ist infolge des
Drängens und Schiebens meistens unmöglich.
Sie bezahlen, die Ware wird ihnen in dis
Hand gedrückt und sie können gehen. Die Ver-
packung ist wohlweislich neutral, denn schließ-
lich gefällt es „ihr" doch nicht, wenn man
gleich erkennt, daß die Ware aus dem Schund-
bazar stammt.
Der Verkauf dieser Geschäfte ist auf die
Unwissenheit des Publikums zugeschnitten und
erzieht die Käufer zum Schund. Auch die Fa-
brikanten sollten es sich sehr stark überlegen,
dieser Verschlechterung des Geschmacks Vor-
schub zu leisten. Ihre Sünden fallen auf sie
zurück. Es mehren sich die Zeichen, daß die
kapitalgewaltigen Großorganisationen immer
stärker zur Selbstfabrikation übergehen. Und
dann?
Mit
dringen
gemacht
ist die Aufklärung des Publikums, durch Ver-
gleiche zu beweisen, daß jeder von uns viel
leistungsfähiger ist als diese Unternehmen.
Persönliche Bedienung und Beratung sind mit
die stärksten Waffen in diesem Kampf. Dar-
über hinaus muß aber auch der Staat ein-
greifen. Es geht nicht an, daß die Steuer-
kraft desEinzelhandels immer mehr geschwächt
wird, der Staat selbst kann daran kein Inter-
esse haben. Der jüngst veröffentliche Geschäfts-
bericht der Karstadt-A.-G., der von 15 neuen
Einheitspreisläden allein in Berlin berichtet,
die neue Ausdehnung des Woolwortch-Kon-
zerns, der soeben wieder neue Ableger zeitigt,
alles dies verlangt gebieterisch, daß diese
Großunternehmen sich nicht mehr ungestraft
zum Schaden der Allgemeinheit ausdehnen.
Die Abschaffung der Filialsteuer war ein Ge-
schenk an die „Eroßkopfeten" auf Kosten des
Einzelhandels, auf Kosten des Portemonnaies
jedes einzelnen von uns. Das dringendste Er-
fordernis ist also eine Warenhaussteuer oder
Wiederbelebung der Filialsteuer. Nicht nur
dem schwer ringenden Einzelhandel würde
hierdurch geholfen, auch den mit großen
Schwierigkeiten kämpfenden Kommunen würde
hier eine Steuerquelle erschlossen, die sie drin-
gend benötigen.
Das Gebot der Stunde heißt also, den
Kampf gegen diese neuen Formen der Waren-
? hatte man wenigstens einigermaßen sein
Aommee gewahrt und konnte es dem Kabi-
Brüning überlassen, hierin nun gründ-
ende Wandlung zu schaffen.
Bekanntlich war ja im Jahre 1927 die Er-
ebslosenfürsorge umgewandelt worden. Da-
^ls bei Schaffung des neuen Arbeitslosen-
'ksicherungsgesetzes wurden der Kasse 50 Mil-
den Mark als Notstock zugewiesen, so daß
dem Restbestand aus der Erwerbslosen-
slorge der Kassenbestand zusammen 58 Mill.
?rug. Das folgende Jahr wies dann noch
Ae verhältnismäßig gute Beschäftigung auf.
Restbestand erhöhte sich auf 108 Millionen
^»rk. Anscheinend war damals die Unter-
atzung gewissen Elementen noch nicht so ge-
^fig, die inzwischen es mit sehr viel Geschick
«^standen, die Staatskasse als allgemeine
?Nstonskasse auszubeuten. Im Jahre 1929
Arden im Etat 150 Millionen Mark für die
?beitslosenversicherung eingestellt. Durch Ge-
d^migung des Nachtragshaushaltes erhöhten
A die Reichszuschllsse auf 380 Millionen M.
?eilich waren die 150 Millionen Mark nicht
Aa Steuergeldern entnommen, sondern
hinten aus der Invalidenversicherung. Auf
wurden Reichsschatzstempel gegeben, die
Laufzeit von 5 Jahren haben. In knap-
A 4 Jahren müssen also diese 150 Mill, doch
'°der zurllckgezahlt werden.
Es ist offensichtlich, Laß mit einer solchen
Bolitik nicht weiter zu kommen ist. Damit
ist auch nicht den Arbeitslosen geholfen,
feren größter Teil nicht Unterstützungen,
sondern Arbeit und Brot will.
h Die wirtschaftsparteiliche Reichstagsfraktion
Ate darum bereits Ende vorigen. Jahres
Aen Antrag eingebracht, die Arbeitslosen-
.Jsicherung produktiv zu gestalten. Es geht
Arklich auf die Dauer nicht an, alljährlich
i,8 Milliarden Mark zum Fenster hin-
^szuwerfen, ohne damit irgendwelche bleiben-
A Werte zu schaffen. Der wirtschaftspartei-
Ae Vorschlag, der auch heute noch der inten-
?sten Beachtung des Reichsarbeitsministeri-
Ms zu empfehlen ist, sah damals vor, 50
M illionen Mark von der Reichskasse abzu-
zeigen und diese Gelder als zweite Hypothe-
A oder als sogenannte Zusatzhypotheken zins-
Ai auf zehn Jahre zu begeben. Sie können
Nz zinsfrei gewährt werden und gleich amor-
wert werden, um sie so allmählich wieder zu-
i^Ezuerlangen. Man würde auf diese Weise
^ifellos bleibende Werte für das Reich
A?ffen. Wenn diese Zusatzhypotheken bei-
. leihweise in der Höhe von 3000—3500 Mark
Elleben würden, so entspräche das ungefähr
A Aufwendung, die für die Erstellung als
tzMußhypothek einer Wohnung notwendig
w Nehmen wir die Stunde mit 60 Pfennig
" und berechnet man die Arbeitslüsenunter-
Jn unserem auf der Hauptversammlung in
Düsseldorf erstatteten Geschäftsbericht haben
wir darauf hingewiesen, daß die Dundeslei-
tung seit Jahren der Entwicklung der neu¬
zeitlichen großkapitalistischen Formen des Han¬
dels, der Warenhäusern und besonders der
Einheitspreisgeschäfte ein besonderes Augen¬
merk zuwendet. Zwecks Schutzmaßnahmen ge¬
gen die Gefährdung unserer Mitglieder durch
die Einheitspreisgeschäfte sind wir auch mit
den übrigen Reichsfachverbänden in' Schrift¬
wechsel getreten. Viele Fabrikantenfirmen
unseres Faches haben wir ersucht, von einer
Belieferung dieserUnternehmungen abzusehen.
Während einerseits besonders die führenden
Firmen unseres Faches sich dazu entschieden
haben, lieber das Geschäft mit dem Fachhan¬
del zu machen, gibt es auch Firmen, die sich zu
einer anderen Ansicht bekennen. Die Haupt¬
versammlung hat beschlossen, eine klare Stel¬
lungnahme von denjenigen Firmen zu erhal¬
ten, bei denen eine Belieferung der Einheits¬
preisgeschäfte festgestellt wurde. Wir verlan¬
gen von unseren Fabrikanten, daß sie ihre
Qualitätserzeugnisse nicht an solche Einheits¬
preisgeschäfte liefern. In der „Wochenschrift
für Papier" ist ein Artikel unter obigem Ti¬
tel enthalten. Mit Genehmigung dieser Fach¬
zeitschrift veröffentlichen wir denselben nach¬
stehend, um unseren Mitgliedern auch die
Stellungnahme einer neutralen Fachzeitschrift
bekannt zu machen. Es heißt dort:
Die Sehergabe des Dichters wird wohl
immer ein Geheimnis des Genies bleiben: als
Schiller seinen „Kampf mit dem Drachen"
schuf, kannte er bestimmt noch keine Einheits¬
preisläden. Der Beginn seiner Ballade aber
charakterisiert treffend den „Drachen", der gehäuft sieht und frei darinnen herumwühlen
Mittelstands -Zeitung
llnbMMs KnWIM ftk du zyeressei des deMei WNWndes
MeWMW-MWWe KilW MidOenIW »ger-MW
Zeitung für gesunde Wirtschaftsinteressen des gewerblichen Geschäftsstelle: Bezugspreis monatlich 0,60 Reichsmark. Bei Postbezug
Mittelstandes, des Handwerks, Handels, Haus- und Grund- _ _, .... vierteljährlich 2,10 Reichsmark. Für ausgefallene Nummern
besitzes, der Landwirtschaft, freien Berufe und aller sich zum Heidelberg, Hauptstraße LOO ^ keln Ersatz geleistet. Der Jnsertsonspreis ist 10 Reichs-
„„A pfenmg für die achtgespaltene Millimeterzcile oder deren
Mittelstand rechnenden Kopf- und Handarbeiter. Raum. Reklamen 0,40 RM- pro mm-Zeile.
Wes auch der Anlaß dazu, daß das soziali-
W eingestellte Kabinett Hermann Müller,
Adem es mit viel Glück um die zahlreichen
'»Pen herumlaviert worden war, doch noch
Schönheit" sterben mußte. Denn es war
A. daß ein sozialistischer Kanzler einer Re-
M der Arbeitslosenversicherung im Rahmen
Reichsfinanzreform mit einschneidenden
Abnahmen schon mit Rücksicht auf die sozia-
rischen Wählermassen nicht zustimmen durfte.
A der einen Seite, eine willkommene Eele-
Meit, sich aus der Verantwortung zu drllk-
A ausnutzend, zog man sich gröhlend aus
^Regierung zurück und erklärte zudem noch,
tz man einer Leistungsminderung der Ar-
Aslosenverficherung aus sozialen Gründen
^er keinen Umständen zustimmen könnte.
Wirtschaftspartei
und die Arbeitslosenversicherung.
Neformvorschläge der Wirtschaftspaktes.
Die Arbeitslosenversicherung ist von jeher I stlltzung, die im Baugewerbe im Durchschnitt
' heiß umstrittenes Problem und war letzten gezahlt wird, d. h. nimmt man 5500 Arbeits-
Einzelpreis 15 Psg.
Burger-Zeitung
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Nr. 20
von
allen Mitteln muß gegen das Vor-
der Einheitspreisunternehmen Front
werden. Am dringendsten notwendig
khrgang ^930
Sonntag, Mai.
stunden vom Arbeitsamt weg und legt dafür
einen Betrag von 60 Pfg. pro Stunde produk-
tiv an, so wäre damit der Zuschuß für eine
Wohnung gegeben. Reichstagsabgeordneter
Freidel, der den Wirtschaftsparteilichen Antrag
vor dem Plenum ausführlich begründete,
führte u. a. auch ein Beispiel aus dem Land-
kreise Hildesheim an. Dort wird als Zuschuß
für eine Wohnung der Betrag von 3000 bis
3600 Mark gezahlt, also die Summe, die wir
auch weiter oben zu Grunde legten. Im Land-
kreise Hildesheim liegen in diesem Jahre An-
träge und Baugesuche für Zuschüsse oder Ge-
währung von Hauszinssteuerhypotheken in
Höhe von 500 000 Mark vor. Dem Kreis bzw.
der Regierung stehen jedoch augenblicklich nur
100 000 Mark zur Verfügung. So wie hier
ist es in vielen Teilen unseres deutschen
Vaterlandes.
Es ist an der Zeit, daß endlich einmal der
Versuch gemacht wird, eineü Teil des Bauge-
werbes anzukurbeln, einen Teil der Gelder,
die heute an Erwerbslosenunterstützung für
Bauarbeiter unproduktiv ausgegeben werden,
produktiv anzulegen.
Wenn, wie es der wirtschaftsparteiliche
Antrag vorsieht, die Gelder in Form von
Hypotheken angelegt werden, so wird da-
durch nicht nur das Baugewerbe an sich neu
belebt, sondern darüber hinaus die vielen
Nebengewerbe, wie Ziegeleien, Zement¬
werke, Kalkwerke, die Fuhrunternehmungen,
Sägewerke usw.
Gleichzeitig muß gefordert werden, daß
allmählich die Fesseln der deutschen Bauwirt-
schaft gelöst werden, um zu einem freien Ar-
beiten auf dem Baumarkte zu kommen. Von
den im Baugewerkbund organisierten Bauar-
beiten fielen 92 Prozent, von den Zimmer-
leuten im Jahre 1928-29 95 Prozent, die im
Zentralverband der Zimmerer organisiert sind,
der Arbeitslosenversicherung bzw. der Krisen-
fürsorge zur Last. Daneben sind noch so und so-
viele Beliebe dagewesen, die solche Arbeiter
behielten und trotzdem vier bis fünf Monate
ohne jeglichen Verdienst waren. Außer ge-
ringfügigen Steuerstundungen sind solchen Un-
ternehmungen keinerlei staatliche Unterstützun-
gen zuteil geworden und wurden so auf die
Knie gezwungen. Die fortwährend steigende
Zahl der Konkurse und Zahlungseinstellungen
beweist nur zu deutlich, wie schwer die wirt-
schaftliche Not auf diesen mittelständischen Be-
trieben lastet. Durch die große Zahl der Aus-
gesteuerten sind die Ausgaben für Wohlfahrts-
pflege in den Etats außerordentlich gestiegen,
so daß wir in diesem Jahre mit einem Defi-
zit von 2S5 Millionen Mark in den städtischen
Haushaltungen rechnen müßen. Die Schwie-
rigkeiten können nicht beseitigt werden da-
durch, daß man eine Erhöhung der Beiträge
durchführt und die Arbeitslosenversicherung
in großem Maße abgebaut wird. Bor allen
Dingen ist es notwendig^ daß Arbeit geschaffen
wird und die Arbeitslosenversicherung in die
produktive Erwerbslosenfürsorge «mgewandelt
wird. Damit wird eine starke Entlastung der
Versicherungsanstaltskasse zum^ einen erreicht,
zum andern aber gibt man den Arbeitslosen
Arbeit und Brot und den Mittelstandskreisen
ihre Existenzmöglichkeit.
Kampf gegen die
heute unser wirtschaftliches Leben zu unter-
minieren droht. „Was drängt das Volk, was
wälzt sich dort —? Genau so geht es einem,
wenn man den Versuch macht, ein Einheits-
preisgeschäft in den Hauptverkehrsstraßen zu
betreten, ein Gedränge, ein Geschiebe, unmög-
lich an die Verkaufstische zu gelangen.
Die in den letzten Jahren neu entstande-
nen Organisationen beginnen sich zu einer
ernsthaften Gefahr auszmvachsen. Sie bedro-
hen unsere Wirtschaft auf das schwerste, wenn-
gleich unsere Branche weniger unter dieser
Konkurrenz zu leiden hat als andere Zweige.
Um das Resultat einer genauen Beobachtung
vorwegzunehmen, ich habe festgestellt, daß der
Papier- und Schreibwarenhandel jederzeit in
der Lage ist, dem kaufenden Publikum für
gleiches Geld bedeutend Besseres zu liefern,
und wenn er es bisher nicht getan hat, so ist
es nur die hohe Auffassung, die der Händler
von seiner volkswirtschaftlichen Mission hat.
Er lehnt es ab, dem Käufer Schund zu ver-
kaufen, wenn er auch billig ist.
Trotzdem soll man die Konkurrenz der Ein-
heitspreisgeschäfte nicht unterschätzen. Sie wir-
ken schon in der äußeren Aufmachung unbe-
dingt anziehend. Sorgfältig dekorierte Schau-
fenster, einer der jüngsten Läden hat sogar
14 Stück, die alle paar Tage gewechselt wer-
den, übersichtliche klareAnordnung im Inneren
und vor allem Licht. Es ist eine alte Weis-
heit: „Licht zieht die Motten an," und diese
Erkenntnis auf das Wirtschaftliche übertragen,
zeigt eines der Geheimnisse, welche den An-
klang der Einheitspreisläden erklären. Der
zweite Faktor ist die offene Auslage. Welche
Frau kann widerstehen. Hvenn sie Ware auf-
Geschäftsstelle:
Heidelberg, Hauptstraße LOO
kann? Und dann die Suggestion der „so bil-
ligen" drei Preise: 25, 50 Pfennig und 1 NM'.
Nur 25 Pfennig, diese Versuchung ist für Eva
zu groß, und sie kauft, kauft mehr als sie
wollte, unnütze Sachen, oft ohne jeden Wert
für sie, Kaufrausch!
Ich habe in den verschiedensten Teilen.
Berlins zu allen möglichen Stunden diese Ge-
schäfte ausgesucht, stets waren sie voll, vor al-
lem von Frauen. 95 Prozent der Kundschaft
sind Frauen, unter den Männern habe ich be-
sonders kleine Beamte, Eisenbahner, Straßen-
bahnangestellte usw., festgestellt, die sich, man-
gelnden Verständnisses halber, durch die billi-
gen Preise verführen lassen. Die Auswahl
der zum Verkauf gestellten Waren ist gering,
jedes Lager hat nur wenige Meter Umfang.
Immerhin sind durchschnittlich in jeder Abtei-
lung zwei Verkäuferinnen beschäftigt. Unter
Berücksichtigung der verschiedenen Waren, die
von dem Schreibwarenhändler geführt werden,
sind an den diversen Lägern immerhin sechs
bis acht Verkäuferinnen tätig. Setzt man den
Tagesumsatz einer jeden nur mit 50 Mark an,
was wahrscheinlich äußerst niedrig ist, so er-
halten wir immerhin einen Tagesverkauf
300 bis 400 Mark, der den in der Nähe be-
findlichen Papiergeschäften verloren geht. Die
Bedienung selbst ist sehr primitiv, von Ver-
kaufskunst kann keine Rede sein, von Waren-
kenntnis und entsprechenden Auskünften noch
weniger. Sie zahlen direkt an dieVerkäuferin,
die auch die Waren, in eine Tüte verpackt,
gleich aushändigt. Eine Kontrolle, ob sie das
Gewünschte und die entsprechenden Bonquit-
tungen richtig erhalten haben, ist infolge des
Drängens und Schiebens meistens unmöglich.
Sie bezahlen, die Ware wird ihnen in dis
Hand gedrückt und sie können gehen. Die Ver-
packung ist wohlweislich neutral, denn schließ-
lich gefällt es „ihr" doch nicht, wenn man
gleich erkennt, daß die Ware aus dem Schund-
bazar stammt.
Der Verkauf dieser Geschäfte ist auf die
Unwissenheit des Publikums zugeschnitten und
erzieht die Käufer zum Schund. Auch die Fa-
brikanten sollten es sich sehr stark überlegen,
dieser Verschlechterung des Geschmacks Vor-
schub zu leisten. Ihre Sünden fallen auf sie
zurück. Es mehren sich die Zeichen, daß die
kapitalgewaltigen Großorganisationen immer
stärker zur Selbstfabrikation übergehen. Und
dann?
Mit
dringen
gemacht
ist die Aufklärung des Publikums, durch Ver-
gleiche zu beweisen, daß jeder von uns viel
leistungsfähiger ist als diese Unternehmen.
Persönliche Bedienung und Beratung sind mit
die stärksten Waffen in diesem Kampf. Dar-
über hinaus muß aber auch der Staat ein-
greifen. Es geht nicht an, daß die Steuer-
kraft desEinzelhandels immer mehr geschwächt
wird, der Staat selbst kann daran kein Inter-
esse haben. Der jüngst veröffentliche Geschäfts-
bericht der Karstadt-A.-G., der von 15 neuen
Einheitspreisläden allein in Berlin berichtet,
die neue Ausdehnung des Woolwortch-Kon-
zerns, der soeben wieder neue Ableger zeitigt,
alles dies verlangt gebieterisch, daß diese
Großunternehmen sich nicht mehr ungestraft
zum Schaden der Allgemeinheit ausdehnen.
Die Abschaffung der Filialsteuer war ein Ge-
schenk an die „Eroßkopfeten" auf Kosten des
Einzelhandels, auf Kosten des Portemonnaies
jedes einzelnen von uns. Das dringendste Er-
fordernis ist also eine Warenhaussteuer oder
Wiederbelebung der Filialsteuer. Nicht nur
dem schwer ringenden Einzelhandel würde
hierdurch geholfen, auch den mit großen
Schwierigkeiten kämpfenden Kommunen würde
hier eine Steuerquelle erschlossen, die sie drin-
gend benötigen.
Das Gebot der Stunde heißt also, den
Kampf gegen diese neuen Formen der Waren-
? hatte man wenigstens einigermaßen sein
Aommee gewahrt und konnte es dem Kabi-
Brüning überlassen, hierin nun gründ-
ende Wandlung zu schaffen.
Bekanntlich war ja im Jahre 1927 die Er-
ebslosenfürsorge umgewandelt worden. Da-
^ls bei Schaffung des neuen Arbeitslosen-
'ksicherungsgesetzes wurden der Kasse 50 Mil-
den Mark als Notstock zugewiesen, so daß
dem Restbestand aus der Erwerbslosen-
slorge der Kassenbestand zusammen 58 Mill.
?rug. Das folgende Jahr wies dann noch
Ae verhältnismäßig gute Beschäftigung auf.
Restbestand erhöhte sich auf 108 Millionen
^»rk. Anscheinend war damals die Unter-
atzung gewissen Elementen noch nicht so ge-
^fig, die inzwischen es mit sehr viel Geschick
«^standen, die Staatskasse als allgemeine
?Nstonskasse auszubeuten. Im Jahre 1929
Arden im Etat 150 Millionen Mark für die
?beitslosenversicherung eingestellt. Durch Ge-
d^migung des Nachtragshaushaltes erhöhten
A die Reichszuschllsse auf 380 Millionen M.
?eilich waren die 150 Millionen Mark nicht
Aa Steuergeldern entnommen, sondern
hinten aus der Invalidenversicherung. Auf
wurden Reichsschatzstempel gegeben, die
Laufzeit von 5 Jahren haben. In knap-
A 4 Jahren müssen also diese 150 Mill, doch
'°der zurllckgezahlt werden.
Es ist offensichtlich, Laß mit einer solchen
Bolitik nicht weiter zu kommen ist. Damit
ist auch nicht den Arbeitslosen geholfen,
feren größter Teil nicht Unterstützungen,
sondern Arbeit und Brot will.
h Die wirtschaftsparteiliche Reichstagsfraktion
Ate darum bereits Ende vorigen. Jahres
Aen Antrag eingebracht, die Arbeitslosen-
.Jsicherung produktiv zu gestalten. Es geht
Arklich auf die Dauer nicht an, alljährlich
i,8 Milliarden Mark zum Fenster hin-
^szuwerfen, ohne damit irgendwelche bleiben-
A Werte zu schaffen. Der wirtschaftspartei-
Ae Vorschlag, der auch heute noch der inten-
?sten Beachtung des Reichsarbeitsministeri-
Ms zu empfehlen ist, sah damals vor, 50
M illionen Mark von der Reichskasse abzu-
zeigen und diese Gelder als zweite Hypothe-
A oder als sogenannte Zusatzhypotheken zins-
Ai auf zehn Jahre zu begeben. Sie können
Nz zinsfrei gewährt werden und gleich amor-
wert werden, um sie so allmählich wieder zu-
i^Ezuerlangen. Man würde auf diese Weise
^ifellos bleibende Werte für das Reich
A?ffen. Wenn diese Zusatzhypotheken bei-
. leihweise in der Höhe von 3000—3500 Mark
Elleben würden, so entspräche das ungefähr
A Aufwendung, die für die Erstellung als
tzMußhypothek einer Wohnung notwendig
w Nehmen wir die Stunde mit 60 Pfennig
" und berechnet man die Arbeitslüsenunter-
Jn unserem auf der Hauptversammlung in
Düsseldorf erstatteten Geschäftsbericht haben
wir darauf hingewiesen, daß die Dundeslei-
tung seit Jahren der Entwicklung der neu¬
zeitlichen großkapitalistischen Formen des Han¬
dels, der Warenhäusern und besonders der
Einheitspreisgeschäfte ein besonderes Augen¬
merk zuwendet. Zwecks Schutzmaßnahmen ge¬
gen die Gefährdung unserer Mitglieder durch
die Einheitspreisgeschäfte sind wir auch mit
den übrigen Reichsfachverbänden in' Schrift¬
wechsel getreten. Viele Fabrikantenfirmen
unseres Faches haben wir ersucht, von einer
Belieferung dieserUnternehmungen abzusehen.
Während einerseits besonders die führenden
Firmen unseres Faches sich dazu entschieden
haben, lieber das Geschäft mit dem Fachhan¬
del zu machen, gibt es auch Firmen, die sich zu
einer anderen Ansicht bekennen. Die Haupt¬
versammlung hat beschlossen, eine klare Stel¬
lungnahme von denjenigen Firmen zu erhal¬
ten, bei denen eine Belieferung der Einheits¬
preisgeschäfte festgestellt wurde. Wir verlan¬
gen von unseren Fabrikanten, daß sie ihre
Qualitätserzeugnisse nicht an solche Einheits¬
preisgeschäfte liefern. In der „Wochenschrift
für Papier" ist ein Artikel unter obigem Ti¬
tel enthalten. Mit Genehmigung dieser Fach¬
zeitschrift veröffentlichen wir denselben nach¬
stehend, um unseren Mitgliedern auch die
Stellungnahme einer neutralen Fachzeitschrift
bekannt zu machen. Es heißt dort:
Die Sehergabe des Dichters wird wohl
immer ein Geheimnis des Genies bleiben: als
Schiller seinen „Kampf mit dem Drachen"
schuf, kannte er bestimmt noch keine Einheits¬
preisläden. Der Beginn seiner Ballade aber
charakterisiert treffend den „Drachen", der gehäuft sieht und frei darinnen herumwühlen
Mittelstands -Zeitung
llnbMMs KnWIM ftk du zyeressei des deMei WNWndes
MeWMW-MWWe KilW MidOenIW »ger-MW
Zeitung für gesunde Wirtschaftsinteressen des gewerblichen Geschäftsstelle: Bezugspreis monatlich 0,60 Reichsmark. Bei Postbezug
Mittelstandes, des Handwerks, Handels, Haus- und Grund- _ _, .... vierteljährlich 2,10 Reichsmark. Für ausgefallene Nummern
besitzes, der Landwirtschaft, freien Berufe und aller sich zum Heidelberg, Hauptstraße LOO ^ keln Ersatz geleistet. Der Jnsertsonspreis ist 10 Reichs-
„„A pfenmg für die achtgespaltene Millimeterzcile oder deren
Mittelstand rechnenden Kopf- und Handarbeiter. Raum. Reklamen 0,40 RM- pro mm-Zeile.
Wes auch der Anlaß dazu, daß das soziali-
W eingestellte Kabinett Hermann Müller,
Adem es mit viel Glück um die zahlreichen
'»Pen herumlaviert worden war, doch noch
Schönheit" sterben mußte. Denn es war
A. daß ein sozialistischer Kanzler einer Re-
M der Arbeitslosenversicherung im Rahmen
Reichsfinanzreform mit einschneidenden
Abnahmen schon mit Rücksicht auf die sozia-
rischen Wählermassen nicht zustimmen durfte.
A der einen Seite, eine willkommene Eele-
Meit, sich aus der Verantwortung zu drllk-
A ausnutzend, zog man sich gröhlend aus
^Regierung zurück und erklärte zudem noch,
tz man einer Leistungsminderung der Ar-
Aslosenverficherung aus sozialen Gründen
^er keinen Umständen zustimmen könnte.
Wirtschaftspartei
und die Arbeitslosenversicherung.
Neformvorschläge der Wirtschaftspaktes.
Die Arbeitslosenversicherung ist von jeher I stlltzung, die im Baugewerbe im Durchschnitt
' heiß umstrittenes Problem und war letzten gezahlt wird, d. h. nimmt man 5500 Arbeits-