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Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes: Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes — 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.42441#0165
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Jahrgang ^930

Seiüelberger
Bürger-Zeitung
Mittelstands-Zeitung
llMHSnises KnipsdlM stt die 3,Messe, ierlmtsW Mittelftudes
MelMIM-MWW MW .. M«MW MM-Mm
Zeitung für gesunde Wirlschaftsinteressen des gewerblichen Geschäftsstelle: Bezugspreis monatlich 0,60 Reichsmark. Bei Postbezug
Mittelstandes, des Handwerks, Handels, Haus-und Grund- .. ... . vierteljährlichL IOReichsmark. Für ausgefallene Nummern
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Mittelstand rechnenden Kopf- und Handarbeiter. Raum. Reklamen 0,40 RM. pro mm-Zeile.

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Anlurbelung der Wirtschaft.
Ser neue wirtschaftspolitische Kurs im Reiche.
Von MOsjustizminlster Pros. D. Nr. Är. Vredt, M. Ä.

Unser deutsches Volk steht in diesen Zeiten
K- schweren Entscheidungen. Die Folgen des
^wattigsten aller Kriege sind noch keineswegs
verwunden und es wird noch großer wirt-
Aaftlicher, aber auch gesetzgeberischer Tätigkeit
^dürfen, bis die alten normalen Zustände
Wieder hergestellt sind. Die Arbeitslosigkeit
st ein Problem, an dem man unmöglich vor-
der gehen kann, und das große Maßnahmen
Inwendig macht. Für den Unterhalt der Ar-
beitslosen muß gesorgt werden, und die dafür
mtwendigen Kosten müssen auf irgend eitle
speise aufgebracht werden. Unsere Wirtschaft
ssird dadurch schwer belastet und die damit zu-
Mmenhängende Verteuerung der Produktion
^trkt wieder hemmend auf unsere Ausfuhr.
muß daher alles aufgeboten werden, in
Pierer Wirtschaft nach aller Möglichkeit Ar-
beitsgelegenheit zu schaffen, denn nur auf diese
speise faßt man das llebel an der Wurzel und
^>cht nur bei den Symptomen.
Die neue Regierung hat es sich zur Auf-
Wbe gesetzt, nach aller Möglichkeit unsere
Wirtschaft wieder in Gang zu setzen und ihr
Ke Möglichkeiten zu erschließen. Man kann
'^Möglich die Augen verschließen vor der Tat-
Ache, daß weite Kreise des erwerbstätigen
Kolkes heute schlechthin nicht mehr in der Lage
,dd, die Aufgaben ihres Berufes zu erfüllen
Ad sich zu behaupten. Hierher gehört vor al-
Aw die Landwirtschaft. Hier müssen im Wege
K Gesetzgebung die ganzen Existenzbedingun-
K derart verändert werden, daß unsere na-
^nale deutsche Landwirtschaft wieder konkur-
Kzfähig wird auf dem eigenen deutschen Bo-
K! Dieser Aufgabe dient das „Agrarpro-
^arnm", das kürzlich vom Reichstag verab-
Aiedet wurde. Nebenher müssen aber weiters
Maßnahmen gehen, die auch andere Kreise be-
Ufen, die mit der Landwirtschaft ihrem
Ken nach verwandt sind.
Wir müssen nicht nur den landwirtschaft-
Ken, sondern auch den gewerblichen Mittel-
Kd schützen und erhalten! Man kann un-
Mlich tatenlos zusehen, wie die kleinen Ge-
aaste von großen Warenhäusern erdrückt
K lebensunfähig gemacht werden. Deshalb
K der Reichstag auf Antrag der Wirtschafts-
"^rtei beschlossen, die Umsatzsteuer derart aus-
bauen, daß Geschäfte, die im Absatz an die
Ke Hand einen Umsatz von mehr als einer
UUlion erzielen, eine höhere Umsatzsteuer zu
^Alen haben. Wir wollen in dieser Maß-
Kme keineswegs ein Allheilmittel erblicken,
Kr mir wollen sie begrüßen als ein Zeichen
ehrlichen Willens, den schwerringenden
Knen Geschäftsleuten in ihrem Kampfe ge-
K die großen Warenhäuser eine Unter-
."hung zuteil werden zu lassen. Daß daher
die Konsumvereine mitgetrofsen werden,
lK im Wesen der Sache. Gerade sie bedeu-
eine Gefahr für den selbständigen Mittel-
ebb, die vielleicht von den Verfechtern des
ebsumvereinswesens nicht genügend erkannt
gewertet wird.
tz, Es ist erfreulich, daß sich eine Reichstags-
-Drheit für solche steuerlichen Maßnahmen
Kunden hat. Auch diejenigen Abgeordneten,
sn selbst nicht zum erwerbstätigen Mittel-
Ke gehören, haben sich auf den Standpunkt
keilt, daß es sich hier um eine Angelegen¬

heit handelt, die weit über ein besonderes
Eigeninteresse hinausreicht. Wenn der selb-
ständige geschäftliche Mittelstand zerrieben und
nur erheblich geschwächt wird, entfällt ein
Stand, der in erster Linie berufen ist, die-
jenigen Mittel aufzubringen, die zur Aufrecht-
erhaltung unserer Sozialpolitik notwendig
sind. Wenn schließlich einmal die ganze Be-
völkerung durchKonfumvereine bedient würde,
wären entweder die notwendigen Steuerein-
gänge überhaupt nicht mehr vorhanden, oder
man müßte die Konsumvereine mit einer
Steuer belasten, der gegenüber die jetzt neu
eingeführte Steuer gänzlich belanglos er¬

schiene. Bei diesem Punkte liegt der Kern der
ganzen Frage, und hierauf muß daher die
Aufmerksamkeit konzentriert werden.
Unsere nationale Volkswirtschaft ist ein
Ganzes und muß als Ganzes angesehen wer-
den. Ein Stand muß den anderen tragen,
sonst leidet das Ganze Schaden. Wenn der
Mittelstand die Steuer aufbringen helfen soll,
aus denen zum großen Teil die Gehälter, die
Pensionen, die sozialen Leistungen gezahlt
werden, dann müssen die anderen Kreise ihm
die Möglichkeit schaffen, sich zu behaupten und
die Kräfte zu sammeln, die zur Erfüllung der
großen steuerlichen Pflichten notwendig sind.

Preisrückgang und
Reparaiionsrevision

In den letzten Tagen ist in den Ver. Staa-
ten ein neuer Preiseinbruch erfolgt: Weizen,
Baumwolle und Gummi sind aus den niedrig-
sten Stand dieses Jahres gefallen: für Juli-
Weizen gilt zurzeit die niedrigste Notierung
seit 9 Jahren. So lang dauernde und ein-
schneidende Preisrückgänge wie die letzthin zu
beobachtenden hat die Weltwirtschaft in diesem
Jahrhundert noch nicht zu verzeichnen gehabt:
erst in den 70 und 80er Jahren des vorigen
Jahrhunderts findet man ähnliche Vorgänge.
Allein im letzten Jahr sind zurückgegangeiw
Grobhandelsindex April/Mai192g April/Mai 1930
Ver. Staaten (1929-100) 97,8— 95,6 91,3— 87,8
Grotzbritannien(1913^I00) 131-7-128.2 117,4—114,4
Eine ähnliche Entwicklung findet man auch in
Frankreich und in den Niederlanden mit
einem Rückgang von je 15 Prozent, in Italien
mit sogar 25 Prozent. Gegenüber dem Höchst-
stand von 1929 sind in runden Zahlen zurück-
gegangen die Preise für Weizen auf 60 Pro-
zent, für Roggen auf 70 Prozent, für Zucker
auf 55 Prozent, für Kupfer auf fast 50 Pro-
zent, für Zinn auf 60 Prozent, für Baum-
wolle auf 65 Prozent, für Kautschuk auf 55
Prozent usw.: einige der wichtigsten Welthan-
delsartikel wie Kaffee, Zucker, Butter, Gummi
und Kupfer sind heute billiger als im Jahre
1919
Diese Entwicklung ist für das deutsche Re-
parationsproblem von besonderer Bedeutung.
Der Dawesplan bestimmte, daß Deutschland
das Recht haben sollte, aus dem alleinigen
Grunde einer Veränderung des Goldwertes
um mehr als 10 Prozent eine Reparations-
revision zu verlangen. Diese Aenderung ist
aber gemessen am internationalen Großhan-
delsindex, der für den Goldwert maßgebend
ist, nicht nur erreicht, sondern sogar über-
schritten worden. Leider ist in den Poung-
Plan trotz verschiedentlicher Mahnungen diese
Revisionsmöglichkeit des Dawesplanes nicht
mit ausgenommen worden, sodaß Deutschland
zurzeit dafür nur noch ein moraUsches Revisi-
onsrecht in Anspruch nehmen kann, das ihm
allerdings gelegentlich der Pariser Verhand-
lungen zugesichert worden zu sein scheint. Nun
scheint die allgemeine Preisentwicklung weiter
nach unten zu gehen. Das ständige Zurück¬

bleiben der Golderzeugung hinter dem Bedarf
(jährlich um 2—3 Prozent) in Verbindung
mit dem Uebergang wichtiger Länder zur
Goldwährung erzeugt eine dauernde Verknap-
pung an Gold, die in den Preisen entsprechend
zum Ausdruck kommen muß. Ganz abgesehen
davon scheint auch ein starker Preisdruck von
den Ver. Staaten her bevorzustehen, deren
Wirtschaftslage anscheinend viel schwieriger ist
als tue amtlichen Berichte wahrhaben möchten
und vom wo infolgedessen ein zunehmender
Export- und Preisdruck die Weltwirtschaft be-
unruhigen wird.
Aus dieser Entwicklung ergeben sich für
Deutschland insbesondere zwei Lehren. Die
eine besteht in der Notwendigkeit, die deutsche
Politik in ihrer Gesamtheit auf die Rechtferti-
gung eines moralischen Revisionsanspruches
abzustellen, dazu ist aber notwendig eine
grundlegende Aenderung der öffentlichen Fi-
nanzmißwirtschast, Vie (wie die Verhandlun-
gen um die Dawes-Revision gezeigt haben)
einem solchen moralischen Anspruch straks zu-
widerläuft. Die zweite Lehre besteht in dem
Streben auf Anpassung des deutschen Preis-
niveaus an das internationale, um d^n An-
schluß an den Weltmarkt, der Deutschland ver-
loren zu gehen droht, miederzugewinnen. Die
bisherige mangelnde Anpassung erklärt sich
aus einer zu großen Starrheit der deutschen
Selbstkostenelemente: diese hängt zusammen
mit der Aufblähung der Selbstkosten, die ent-
standen ist aus der von politischen Beweg-
gründen bestimmten Inanspruchnahme eines
zu großen Teiles (rund 40 Prozent) des deut-
schen Gesamtvolkseinkommens, das den Unter-
schied zwischen den politisch bestimmten und
den wirtschaftlich tragbaren Selbstkosten im-
mer größer werden ließ. Diese Starrheit
'und diese politische Bindung auf ein wirt-
schaftlich erträgliches Maß zurückzuführen, ist
das wichtigste Erfordernis der Jetztzeit. Schon
deshalb ist es notwendig, den Vorgang in der
Eisenindustrie in einen allgemeinen Prozeß
umzuwandeln, weil für Deutschland die Pflicht
besteht, alles zu tun. um die internationale
Diskussion über die Revisionsbedürftigkeit der
deutschen Reparationsverpflichtungen in Gang
zu halten.

In dieser Beziehung ist auch noch auf et-
was anderes hinzuweisen. Es darf nicht da-
hin kommen, daß durch geschäftliche Reklame-
Machenschaften dem Publikum ganz falsche Be-
griffe vom Wesen des Geschäftes beigebracht
werden. Es ist daher dringend geboten, daß
das immer mehr um sich greifende „Zugabe-
wesen" eine gesetzliche Regelung erfährt. Diese
Aufgabe ist schon in Angriff genommen.
Aber nicht vom geschäftlichen, sondern auch
vom staatsbürgerlichen Standpunkte aus ist
solche Politik notwendig. Unser deutsches Va-
terland kann nicht bestehen ohne eine große
Schicht von selbständigen Leuten, die mit eige-
ner Verantwortung ganz auf sich selbst gestellt
sind. Viel zu groß ist schon die Masse derer
geworden, die vom Staate leben und leben
müssen. Es darf nicht dahin kommen, daß die
junge Generation nur noch das Heil in einer
Staatsstellung mit festem Gehalte sieht. Es
muß auch noch die Möglichkeit gegeben sein,
sich mit eigener Kraft im eigenen Geschäft
empor zu arbeiten. Es braucht gar nicht jeder
heute ein Akademiker zu sein. Es muß auch
möglich bleiben, gute Fähigkeiten auf ge-
schäftlichem Boden zur Geltung zu bringen.
Wer selbst aus einer Kaufmannsfamilie
stammt, der weiß es zu beurteilen, welche gei-
stigen Kräfte dazu gehören, sich im schweren
Wettkampfe auf geschäftlichem Gebiete zu be-
haupten.
Unser Wunsch für das deutsche Vaterland
geht daher dahin,, daß es gelingen möge, dem
gewerblichen Mittelstand die Bahn frei zu
chalten für ein kräftiges Vorwartskommen.
Das soll auch der Inhalt der Politik sein, die
wir jetzt betreiben. Es soll keine einseitige
egoistische Politik sein, sondern eine wahre
nationale Politik, die vor allem diejenigen
Kräfte schont und pflegt, auf denen in letzter
Linie auch aller sozialer Fortschritt beruht.


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