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Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes: Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes — 1930

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rostdezug

Nr. 16

Sonntag, 26. April.

Jahrgang /L930

Mittelstands-Zeitung
IlMb^üsises !»k die Zilcttsse« desdechW MittelftNdcs
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Mittelstandes, des Handwerks, Handels, Haus- und Grund- Heidelberg, Hauptstraße 1«« wird kein Ersatz geleistet. Der Jnsertionspreis ist 10 Reichs-
besitzes, der Landwirtschaft, freien Berufe und aller sich zum Pfennig für die achtgespaltene Millimeterzeile oder deren
Mittelstand rechnenden Kopf- und Handarbeiter. , Raum. Reklamen 0,40 RM- pro mm-Zeile.

derufsgedaiike lind parleireform.

ist in großem

. Professor v. Dr. Joh. Viktor Vredt, M.
' R., schreibt in der „Kölnischen Zeitung":
.. Die Frage einer Reform des Parteiwesens
" mit einem Male in den Mittelpunkt des
Uitischen Interesses bei den bürgerlichen
Parteien getreten. Von den verschiedensten
^iten aus werden Anläufe genommen und
Erschlüge ausgearbetet. Es soll eine große
^atspolitische Partei der Mitte geschaffen
^rden, sei es im Weg der Verhandlung zwi-
Mn den Parteien, sei es mit dem äußersten
Mittel des Volksentscheids. Daß die Kölnische
^itung diese Frage zur Aussprache stellt, ist
^hr dankenswert, und es sei gestattet, hier in
.'lex Offenheit Stellung zu nehmen. Es muß
^ei in den Kauf genommen werden, daß
^erlich nicht alle Leser mit dem Folgenden
Unverstanden sind.
Es scheint, daß bei dem Bestreben nach
Aarteireform in starkem Maße Ursache und
Wirkung verwechselt wird. Die Sache liegt
^cht so, daß jetzt die Reform von den Par-
ken der Mitte in Fluß gebracht wird: sie
vielmehr so, daß die Frage längst in
l^uß ist und daß fetzt die Parteien der Mitte
^hen müssen, wie sie sich mit den in der Ent-
wicklung begriffenen Dingen abfinden können.
letzte Ursache für den heutigen Stand des
Mrteiwesens liegt darin, daß im Jahre 1919
ersten Wahlen getätigt wurden im wesent-
^chen auf Grund der alten Parteiprogramme.
Parteien bekamen zwar neue Namen, es
Aaren aber doch im Grunde noch die alten
Parteien. Deren Anfänge reichen zurück bis
^48, als sich Konservative und Liberale
^llenübertraten. Dann kam im Jahre 1867
M beiden eine Absonderung der gemäßigten
Zemente welche die Freikonservative und die
mtionalliberale Partei begründeten. Wesent-
U auf diesen Parteiprogrammen stehen die
Karteien noch heute.
, Die Gegensätze von konservativ und liberal
Grafen die Staatsform. Um diese wurde ge-
lten bis zum Jahre 1918: die Frage ist
l er heute praktisch nicht mehr sehr von Be-
k»^-. Der katastrophale Rückgang der Demo-
, fischen, Partei ist darauf zurllckzuführen,
ihr altes Programm heute so gut wie
estlos erfüllt ist. Die Partei hat keine Werbe-
ost mehr, kaum noch ein wirklich eigenes
Programm: sie hat sich mehr und mehr in die
.efolgschaft der Sozialdemokratie begeben.
Begriff des Liberalismus ist heute über-
Mupt nicht mehr geeignet zur Parteibildung:
nicht für die zur Erörterung stehende
zu gründende Partei. Auf staatspoliti-
Gebiet ist hier so gut wie alles erfüllt,
stur auf kulturpolitischem Gebiet kann man
von liberalen Ansichten^ reden, beim
^ichsschulgesetz, beim Konkordat und ähn-
chen Angelegenheiten. Hiermit kann man
aber kein Parteiprogramm ausfüllen,
^ckgz ähnlich steht es mit dem konservativen
^danken, nur ist er nicht erfüllt, sondern im
^enteil praktisch erledigt. Man kann die
"en Zustände nicht mehr konservieren, man
höchstens etwas Neues, im alten Sinne
kn r res, an ihre Stelle setzen. Das Wort
ckservativ ist daher im wesentlichen ersetzt
orden durch das Wort national, das sich kei-
bin?^b mit ihm deckt, aber in der Partei-
qiruing heute an seine Stelle getreten ist.
Uch dieser Begriff kann kein Parteiprogramm
usfiilleu, wie sich deutlich gezeigt hat. Die
auf nationalem Boden stehende Deutsch-
, o"siche Partei ist verschwunden: die Natio-
,/"sozialistische Partei, welche ein bestimmtes
Jcheres Programm vertritt,
kfschwung begriffen.
E Jene alten Parteien von 1848 und 1867
-küssen heute nicht mehr den Kern der politi-
Fragen, und hier liegt die letzte Ursache
jetzigen Krise. Das Jahr 1918 hab eben

doch so entscheidende Neuerungen gebracht, daß
sich das Parteiwesen notgedrungen einstellen
muß auf 1918! Zunächst brachte die neue Ein-
stellung der Sozialdemokratie zum jetzigen
Staat die selbstverständliche Folge einer Ab-
sonderung aller derjenigen, welche die ur-
sprünglichen Forderungen der Sozialdemokra-
tie beibehalten wollen: so entstand die Kom-
munistische Partei. Und als die Deutschnatio-
nalen auch begannen, sich staaterhaltend ein-
zustellen. als sie in die Regierung gingen und
sich dort einfügten, da entstand ebenso folge-
richtig eine noch weiter rechts stehende Partei,
die den heutigen Staatsgedanken ablehnt wie
die Kommunistische: die Nationalsozialistische
Partei. Aber auch im Lager der Mitte kamen
Neuerungen. Die Reichspartei des deutschen
Mittelstandes (Wirtschaftsparteij war keine
künstliche Gründung, sondern der überall von
sich selbst entstehende Ausdruck des Willens,
im neuen Staat dem bedrohten Mittelstand
eine eigene parlamentarische Vertretung zu
schaffen. Es ist damals trotz aller Bemühun-
gen nicht gelungen, die Dauern zu cinrr pa-
rallelen Aktion zu veranlassen, bis mit einem
Male die ChristlichnationaleVauernpartei auf
dem Plan erschien. Es sei gestattet, hier der
Ueberzeugung Ausdruck zu geben, daß diese
beiden Parteien ihren Höhepunkt noch längst
nicht erreicht haben und es in der kommenden
Zeit zu großer Stärke bringen werden. Und
der Grund dafür ist einfach darin zu suchen,
daß sie die Frage der Staatsform einstweilen
zurückstellen, daß sie nicht Fragen von 1848
und 1867 behandeln, sondernFragen von 1918.
Diese neue Parteigruppierung auf berufsstän-
discher Grundlage ist das eigentliche Problem
von heute. Im Denken des einzelnen wiegt
der Berufsstand schwerer als die jeweilige
Staatsform, daher wenden sich die Wähler
mehr und mehr ihren eignen berufsständischen
Vertretungen zu. Und diesen Prozeß kann
man nicht aufhalten mit Aenderungen des
Wahlrechts und auch nicht durch Schaffung
neuer Parteien. Es geht auch nicht an, hier
einen Unterschied zu machen zwischen soge-
nannten Weltanschaulichen Parteien und be-
rufsständischen. Jede wirkliche Partei muß
eine bestimmte Weltanschauung vertreten, sonst
kann sie sich nicht behaupten. Die Reichspartei
des deutschen Mittelstandes änderte den al-
ten — von den erstenStadtverordnetenwahlen
in Berlin stammenden — Namen „Wirt-
schaftspartei" um in „Reichspartei", sobald sie
in den Reichstag eingezogen war. Sie be-
kannte sich auf dem ersten Parteitag nach
ihrer Gründung sofort zur christlichen Partei-
anschauung, aber auf paritätischer Grundlage.
Ihre Zustimmung zum Konkordat war nur
eine selbstverständliche Folge dieserEinstellung,
wurde ihr aber gerade von den Parteien zum
Vorwurf gemacht, die sich als weltanschaulich
bezeichnen. Die Christlichnationale Bauern-
partei hat schon in ihrem Namen alles ge-
sagt. Es wird daher nicht möglich sein, allein
mit einem sogenannten weltanschaulichen Ge-
danken eine neue Partei ins Leben zu rufen.
Es wird weder gelingen, eine neue — wie ge-
plant — allein „christliche" Partei zu schaffen,
noch eine allein „liberale." Diese Gesichts-
punkte können einer Partei ihr kulturelles
Gepräge geben, aber kein Programm ausfül-
len.
Nun soll jetzt die geplante Neugründung
der Mitte ein sehr reales Programm erfüllen,
nämlich die Sanierung der Reichsfinanzen.
Das ist sehr begrüßenswert, aber es sei hier
ein offenes Wort gestatte. — Seit mehreren
Jahren hat die Reichspartei des deutschen
Mittelstandes — ich war meist selber der
Redner — im Reichstag darauf hingewiesen,
daß der Zustand unserer Reichsfinanzen un-
haltbar sei. Der Erfolg war lediglich der,
daß die Partei eben wegen dieser Stellung im

Wahlkampf aufs schwerste angegriffen wurde
von denselben Parteien, die heute mit einem
Male dieselbe Forderung in den Vordergrund
stellen. Man wird daher kaum annehmen
können, daß dieses Programm heute noch
große Werbekraft hat bei den Wählern, die
bisher immer hörten, unsere Reichsfinanzen
seien in guten Händen.
Eine Ausnahmestellung nimmt in dem
Ganzen das Zentrum ein. Die Geschichte die-
ser Partei ist deswegen so interessant, weil sie
zeigt, daß eine Parteibildung auch nach an-
deren Gesichtspunkten als denen der Staats-
form vor sich gehen kann. Das Zentrum
wollte bei seiner Gründung einen Schutz der
katholischen Kirche und stellte die Gegensätze
konservativ und liberal bewußt zurück, ebenso
die Frage der Staatsform — genau wie heute
die berufsständischen Parteien.
Aus allen diesen Gründen ist kaum anzu-
nehmen, daß eine neue staatspolitische Partei
große Zukunft haben wird. Die Volkskonser-
vative Vereinigung ist eine Gründung der
Not, die nur »diejenigen umfaßt, die HerrHu-
genberg aus der Partei herausdrängt: ob
Wähler hinter ihnen stehen, muß sich erst zei-
gen. Das Programm des Jungdeutschen Or-
dens ist n.nch kaum klar erkennbar, Es bleibt
daher nur ein gewißer Zusammenschluß und
Ausbau der bisherigen Parteien. Herr Din-
geldey hat mit erfreulicher Offenheit gesagt,
daß ein Zusammenschluß im wesentlichen den
Anschluß an die Deutsche Volkspartei bedeuten
solle. Diese Ansicht scheint durchaus richtig.
Es wird sehr wohl möglich sein, dis Deutsche
Volkspartei nach rechts und links zu erwei-
tern durch Anschluß anderer Parteien und

Parteigruppen. Das ist aber keine Reform
des Parteiwesens! Wir wollen der Deutschen
Volkspartei alles Gute wünschen, aber wir
wollen ihrem Bestreben nur die Bedeutung
zumessen, die ihr innerparteilich zukommt und
darin keine grundsätzliche Neuerung auf dem'
Gebiet des Parteiwesens erblicken.
Im ganzen bleibt nur übrig, der Ueber-
zeugung Ausdruck zu geben, daß die Neugrün-
dung einer staatspolitischen Partei im wesent-
lichen diejenigen als Anhänger bekommen
wird, die parteipolitisch ohnehin zu ihr gehö-
ren. Es sei auch gestattet, die Warnung hin-
zuzufllgen, daß erfahrungsgemäß der Zusam-
menschluß mehrerer Parteien — auch soge-
nannter Einheitslisten bei Wahlen — regel-
mäßig nicht so viele Stimmen bringt wie die
früher selbständigen Gruppen zusammen. Daß
aus den neuen Parteien seit 1918, nämlich
der Reichspartei des deutschen Mittelstandes,
der Christlichnationalen Bauernpartei, der
Nationalsozialistischen Partei, Wähler in nen-
nenswerter Zahl zu einer neuen Partei der
Mitte übergehen, ist nicht anzunehmen. Es
bleibt aber dennoch begrüßenswert, wenn sich
eine starke neue Mittelpartei zusammenfindet
mit dem Programm einer Sanierung der
Reichsfinanzen. Eins solche Partei wird im
Reichstag viel' Sympathie uad viel Mrtarbs't
finden. Wir brauchen tatsächlich eine parlamen-
tarische Stärkung des bürgerlichen Gedankens,
im Staat, in der Wirtschaft, in der Kirche und
in der Schule! Wenn wir daher auch selbst
dem Gedanken dieser Gründung fernstehen,
wollen wir doch dem geplanten Zusammen-
schluß. der geplanten Neugründung, das Beste
auf den Weg wünschen!

Die Warenhaussteuer.

Die Frage der Warenhaussteuer gewinnt
in neuerer Zeit an Interesse, wo die Beseiti-
gung oder zum mindesten ein starker Abbau
der durch ihre Höhe untragbar gewordenen
Gewerbesteuer im Vordergründe der Erörte-
rung der Steuerreform steht. Wer an die
Warenhaussteuer herantritt, muß sich darüber
klar sein, daß er heißes Eisen anfaßt. Denn
die große Presse, deren Anzeigenteil in er-
heblichem Maße von der Reklame der Waren-
häuser und warenhausähnlicher Gebilde ge-
speist wird, dürfte jeglichem steuerlichen Zu-
griff auf die Kreise ihrer besten Annoncen-
lieferanten wenig hold sein. Steht für sie
doch zu befürchten, daß die Warenhaussteuer
die Lust am Inserieren beeinträchtigen könnte,
und daß wenigstens in der Uebergangszeit die
Warenhaussteuer dem Jnseratenkonto belastet
werden würde. Von solchen Erwägungen ist
dann nur ein kurzer Schritt bis zu Ausfüh-
rungen im redaktionellen Teile, daß die
Warenhäuser eine fortschrittlichere Art des
Kleinverkaufes bedeuteten, daß der Grundsatz
der Erzielung großer Umsätze bei kleiner Ge-
winnmarge eine im Interesse der Konsumen-
tenschaft zu begrüßende Niedrighaltung des
Preisniveaus zur Folge habe, daß das Publi-
kum den Einkauf im Warenhause aus Grün-
den der Zeitersparnis bevorzuge, wobei man
sich nicht ganz mit Unrecht auf die oft gerügte
Gewohnheit vieler Frauen des Mittelstandes,
in Warenhäusern ihre Einkäufe vorzunehmen,
berufen kann, und wie alle die Gemeinplätze
sonst noch heißen mögen. Ja, man wird dar-
auf Hinweisen, daß in einem Zeitpunkte, wo
die Gewerbesteuer allseits als ungerechte und
volkswirtschaftlich nicht vertretbare Sonderbe-
lastung dös Gewerbes erkannt ist, und wo ihre
Beseitigung erstrebt wird, es sinnwidrig sei,
die Warenhäuser, die doch auch ein Gewerbe
betreiben, mit einer Sondersteuer zu belasten.
Es ist ein alter steuerpolitischer Grundsatz,
daß Steuern nur an solchen Stellen auferlegt
werden sollen, wo eine besondere Leistungs¬

fähigkeit besteht. Daher wird der entbehrliche
Konsum (Alkohol, Tabak uswZ mit Recht in
erster Linie zur Deckung des Finanzbedarfes
der Allgemeinheit in Anspruch genommen.
Auch die stärkere Heranziehung großer Ein-
kommen und Vermögen zur Steuer ist von die-
sem Gesichtspunkte aus gerechtfertigt. Leider
ist es nicht möglich, besonders in dem durch
die Kriegsfolgen und die ungesunde Entwick-
lung zum Fürsorgestaat übermäßig belasteten
Deutschland sich auf die besonders leistungs-
fähigen Steuerträger zu beschränken unter
Freilassung der weniger leistungsfähigen.
Vielmehr muß leider bei uns auch auf die
kleineren Existenzen zurückgegriffen werden,
um die ungeheuren Beträge aufzubringen, die
das System erfordert. Wenn auch zugegeben
werden soll, daß eine Besserung eintreten muß
und wird, so gibt man sich Illusionen hin,
wenn man die Wiederkehr erträglicher Steuer-
belastung von heute auf morgen erwartet. Die
Erfahrungen mit der Reichsfinanzreform
reden eine allzudeutliche Sprache. Das Suchen
nach neuen Steuern, die eine besondere Lei-
stungsfähigkeit berücksichtigen, bleibt daher er-
forderlich, schon lediglich um die Möglichkeit
der Beseitigung oder auch nur derErmäßigung
besonders drückender Steuern zu schaffen.
Der Anforderung, besondere Leistungs-
fähigkeit steuerlich zu belasten, entspricht die
Gewerbesteuer in keiner Weise. Ihre volks-
wirtschaftlichen Schäden find so bekannt, daß
ein Eingehen darauf sich an dieser Stelle er-
übrigt. Nur die Lohnsummensteuer könnte
man vielleicht unter gewissen Voraussetzungen
noch gelten lassen. Die Ansichten darüber
gehen auseinander. Es muß aber grundsätz-
lich von einer allgemeinen Sonderbelastung
der Gewerbe abgesehen werden. Das schließt
aber nicht aus, daß auch bei dem Gewerbe in
einzelnen Fällen besondere Leistungsfähigkeit
vorlieqen mag. die eine gesonderte steuerlich«
Behandlung rechtfertigt. Bei den Warenhäu-
sern und warenhausähnlichen Gebilden liegt
 
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