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Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes: Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes — 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.42441#0063
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Schachmatt!

„Du bist nichts als eine Figur im Schach,
die nach Belieben hin und her geschoben
wird." Vor diesem Gleichnis erstarrt der im
Wirtschaftsgetrisbe in nicht selbständiger Tä-
tigkeit arbeitende Mensch in seiner Wenigkeit
durchbohrendem Gefühle. Mit größtem Un-
recht. Es ist ganz anders. Eine Schachpartie,
in Welcher die Figuren „nach Belieben hin
und her" geschoben werden, geht rettungslos
verloren. Jede Figur hat ihre eigene, nur
ihr innewohnende Bedeutung, ihren „Wert",
der ohne Schaden für den Ausgang der Par-
tie nur aufgegeben werden darf im Auftausch
mit dem vollen Gegenwert, wobei freilich Po-
sitionsvorteile gegen materielle und umgekehrt
eingstauischt werden können. Das freie Belie-
ben ist in der Schachpartie ebenso wie im Le-
ben recht enge begrenzt. Nach wenigen Zü-
gen zeigen sich hier in der Eröffnung wie dort
schon in der Schulzeit Gesetze, die unverletzlich
sind, und ein Zwang, dem sich beugen zu ler-
nen erst den Weg vorwärts weist. Verlocken-
der freilich scheint das andere Bild: „Wirt-
schaftsdemokraMe". wo -die goldene Freiheit
an die Stelle dieses Zwanges treten soll.
Hierunter hat man sich offenbar ein Spiel
vorzustellen, wo nun nicht mehr ein jeder „nach
Belieben hin und her" geschoben wird, son-
dern in dem er sich selbst hin und! her schiebt,
versteht sich dahin, wo es ihm am besten paßt.
Würde an die Stelle der „durch nichts berech-
tigten Geldmacht" lediglich eine andere Macht,
treten, die das Hin- und Herschieben der
Schachfiguren zu besorgen hätte, iso würden
letztere vielleicht etwas besser oder schlechter
geführt werden, aber selber immer noch nichts
zu sagen haben. Dieser interessante Versuch
geht beispielsweise in Rußland vor sich, wo
eine scheinbar vom Gelbe'unabhängige, poli-

tische Macht das Schachspiel der Wirtschaft
meistern will. Es ist aber längst offenkundig,
daß dis russische Volkswirtschaft ohne die Hilfe
ausländischen Kapitals eben der vermaledei-
ten Gellmracht, längst schachmatt wäre. Wie
würde eine Schachpartie verlaufen, in der
nicht mehr einer die Führung in der Hand
hätte, sondern beispielsweise jeder Zug durch
einen aus den Figuren gebildeten Kriegsrat
beschlossen und genehmigt werden müßte.
„Der arme König", so würde man alsbald
ausrufen. In einer solchen Schachdemokratie
hättje -ein jeder -gleiches Stimmrechts ausge-
nommen der König, der selbstredend über-
haupt keine Stimme hätte. Die acht Bauern
hätten also bei aller Beschränktheit ihrer Be-
wegungsfähigkeit jeder ebenso- viel zu sagen
wie der wendige Springer, der weithin wir-
kende Turm oder die doppelt so starke Dame.
Damit hätten sie stets die Majorität: da sie
zugleich auch Soldaten des Königs sind, wür-
den sie durch ihren „Bauern- und Soldaten-
rat" beschließen, nicht etwa sich selbst, sondern
im Gegenteil zunächst die großen Figuren, die
„Offiziere", ins Treffen zu schicken und sich
selbst zu schonen. Gesetzt den Fall, daß auf
der anderen Seite die Führung die altmodische
Form straffen ZufamMLNwirkens unter ein-
heitlicher Führung beibehalten hätte, so würde
binnen kurzem die rote Armee, wie wir sie
einmal nennen wollen, ihrer Führer beraubt,
der König matt gesetzt und ihre Partei ver-
loren -sein. So paßt das Gleichnis auf die
Wirtschaftsdemokratie zweifellos besser. Es
wäre gut, die Lehren daraus zu ziehen und
entsprechend zu handeln, wenn nicht eines
Tages das Schlußwort zu dem Daseinskampf
unserer Wirtschaft in lapidarischer Kürze ge-
sprochen werden soll: Schachmatt!

ministerielle Anordnung vorliegt, nach der
offenbar allerorts eine entsprechende Nachprü-
fung stattzufinden hat, wird man vermutlich
durch Interpellationen in den Stadtparlamen-
ten nicht vermeiden können, daß Einzelheiten
in den verschiedenen Gemeinden öffentlich de-
battiert werden. Die Entschließung hat recht,
wenn sie unsichere und zweideutige Rechtsver-
hältnisse der Kommunalbeamten nicht als
förderlich ansieht. Darum sollte möglichst
schnell und eindeutig Klarheit geschaffen wer-
den. Einer Rechtsverschlechterung der Kom-
munalbeamten gegenüber den Bestimmungen
des § 39 des Preußischen Besoldungsgesetzes
wird sicherlich niemand das Wort reden. Es
handelt sich einzig und allein um die Frage,
ob diese Mußvorschrift richtig angewandt
worden ist.
'*
Karstadt im Rmdfnuk.
Von Harry Fest-Thomas.
Die Einzelhandelsgemeinschaft Groß-Ber-
lin stellt uns den folgenden Artikel des Herrn
Fest-Thomas zur Verfügung:
Man ist an offizieller Begünstigung der
Warenhäuser schon allerlei gewöhnt. Man
denke nur an die aus letzter Zeit her bekannte
Tatsache, daß Karstadt beinahe Steuerfreiheit
für eine Sechs-Millionen-Auslandsanleihe er-
halten hätte, wenn nicht die bürgerlichen Par-
teien in den Parlamenten dagegen rechtzeitig
Sturm gelaufen hätten.

--
Kaum ist die Erregung über dieses bloße
Vorhaben notdürftig verklungen, da hat sich
schon wieder ein Fall ereignet, der geradezu
unglaublich ist.
Der von der Gesamtheit des Volkes aus
allen Schichten heraus finanzierte Rundfunk
hatte den Mut, durch den Deutschlandsender in
Königswusterhausen seinen Hörern am Diens-
tag, den 4. Februar, abends 20 Uhr, eine
„Warenhausreportage" vorzusetzen, die im
Grunde nichts weiter als eine unerhörte Re-
klame für das Berliner Karstadt-Warenhaus
darstellte. Wohl verstanden, diese Darbietung
geschah nicht etwa innerhalb der Werbenach-
richten „Für's Haus", sondern im offiziellen
Abendprogramm.
Ein Herr Dr. Sachse machte mit dem Mi-
krophon einen Rundgang -durch das Waren-
haus am Hermannplatz und erzählte, von der
Portierloge und -der Personalkontrolle aus-
gehend, über Kühlanlagen, „Japan im Keller"
und „Maskenkostümberatungsstelle" hinweg
bis zur Marek Weber-Kapelle allerlei Inti-
mitäten aus dem Warenhausbetriebe. Zwi-
schendurch wurden verschiedene Angestellte „in-
terviewt^, di-j allerlei Zahlen nannten,
welche die Leistungsfähigkeit der Firma Kar-
stadt infolge größter Mengenabschlüsse oder
teilweiser Eigenfabrikation als leuchtendes
Beispiel modernen Geschäftsgeistes priesen.
Man hat sich nicht geschämt, Zahlen über die
eigenen Umsätze mit denen anderer Firmen
in Vergleich zu stellen, obwohl sich die zum

«mten gleicher Vorbildung und gleicher Qua-
lifikation auf das Interesse hingewiesen daß
gerade die Beamten der deutschen Gemeinden
an einer restlosen Klärung dieser Frage haben
Müßten. Wir wiesen darauf hin, daß schließ-
lich auch ein sozialdemokratischer Innenmini-
ster nicht daran vorbekommen werde, eine ge-
nerelle Nachprüfung der ganzen Sachlage an-
Zuordnen. Wie recht wir mit dieser Auffas-
sung hatten, beweist die Tatsache, daß nun-
mehr wirklich der preußische Minister des In-
nern entsprechende Erlasse an die unterstell-
ten Behörden hat ergehen lassen, in denen
eine Nachprüfung der kommunalen Besol-
dungsordnungen-verlangt wird, in denen aber
darüber hinaus den Gemeinden die Möglich-
keit gegeben werden soll, die Besoldung ihrer
Beamten jederzeit auch ohne vorherige Aen-
derung der Staatsbesoldungsordnung zu än-
dern!!!
Der Gösamtvorstand des Verbandes der
Kommunalbeamten und Angestellten Preußens
s.Kombas hat nunmehr in einer Sitzung am
16. Februar zu Berlin gegen diese Erlasse
Stellung genommen und der Auffassung Aus-
druck verliehen
„daß die von den Ministern ungeord-
nete Nachprüfung der kommunalen Besol-
dungsordnungen in der Zeit der Finanz-
not die Kommunalbeamten der Mfahr
schwerer Benachteiligung aussetzt. Für die
Eingruppierung darf allein der Amtsin-
halt, dis Selbständigkeit und Verantwor-
tung des Amtes fein. Die zum Zweck der
Beeinträchtigung wohlerworbener Rechte
unternommenen Maßnahmen der Regie-
rung entbehren der rechtlichen Grundlage
und trugen Unsicherheit und Zweideutig-
keit in die ohnehin ungünstigen Rechtsver-
hältnisse der Kommunalbeamten hinein.
Darum fordert der Gesamtvorstand unbe-
dingt die Aufhebung der Erlasse oder eine
eindeutige Formulierung, die -den 8Z 39
und 43 des Preußischen Besoldungsgesetzes
entspricht."
Ein entsprechender Appell an Lcxndtag und
Beamtenausschuß des Landtages verlangt den
Schutz gegen eine drohende Benachteiligung.
Diese Entschließung steht ganz recht, daß
der aus der unleugbar ernsten und lebens-
drohenden Finanznot entstehende Druck nicht
unbedeutend ist. Er wird auch nicht geringer
werden, sondern aller Voraussicht nach sich
potenzieren. Und darum wird es kaum ge-
lingen, auf dem Wege des Protestes allein
den Erlaß des Innenministers rückgängig zu
machen oder innerlich auszuhöhlen. Dafür ist
der Druck der Oeffentlichkeit und Wirtschaft
wohl schon zu intensiv. Man wird daher gut
tun, mit weniger Reserve als bisher zu der
Frage der Einstufungen, die in der Haupt-
sache der Quell aller Vorwürfe darstellt, in
klaren Einzelbeispielen Stellung zu nehmen,
zu begründen und sachlich zu stützen, weshalb
dieses oder jenes Amt eine differenzierte Ein-
stufung gegenüber den übrigen Staatsbeam-
ten verlangt. Wenn es in dem Komba-Be-
schluß heißt, daß entscheidend für die Eingrup-
pierung „der Amtsinhalt" die Selbständigkeit
und Verantwortung des Amtes fein müsse",
so wird der Kritiker zu der Argumentierung
neigen, daß naturgemäß derselbe Maßstab auch
für die Beamtenkollegen des Reiches und der
Länder gelten müsse. Die Kommunalbeamten
betonten ja selbst immer, daß sie keinerlei
Sonderrechte für sich beansprucht haben, daß
abgesehen von vielleicht Verschwindenden Ein-
Zelfälken keinerlei Bevorzugungen gehaltlicher
Art feststellbar seien. Jetzt, nachdem eine

Vergleich herangezogenen Firmen nrit Kar-
stadt gar nicht vergleichen ließen.
Besondere Aufklärung verdient noch die
Behauptung eines Herrn am Mikrophon, der
erzähltse, daß die enorme Preiswllrdigkeit
Karstadts gegenüber der Konkurrenz nicht nur
durch Tätigung größter Abschlüsse, sondern
auch durch» Fortfall der Umsatzsteuer ermög-
licht sei. Wir möchten wissen, ob dies tat-
sächlich auf Tatsachen beruht, -denn die eigenen
Karstadtfabriken produzieren doch wohl nur
einen Teil des Karstadt-Absatzes. Woher und
woraus resultiert also der Fortfall der Um-
satzsteuer? Es wird eine dankenswerte Auf-
gabe für die Einzelhandelsverbände und die
Abgeordneten der bürgerlichen Parteien be-
deuten, diese Behauptung und die ihr zu-
grunde liegenden Momente genauestens zu
klären.
Den Abschluß 'der „Reportage" bildete
dann ein musikbegleiteter Bericht über den
fabelhaften Restaurations- und Gartenbetrieb,
der einem modernen Kaffee in keiner Weise
nachstände. Diese Behauptung ist, linde ge-
sagt, wiederum eine Frechheit, da innerhalb
der Reichshauptstadt genügend Lokalitäten be-
stehen, um die Bedürfnisse des Publikums zu
befriedigen, und somit eine Veranlassung der
Erteilung der Schankkonzession an Karstadt
überhaupt nicht vorgelegen hatte.
Tie ganze Sache an sich stellt mit den
stärksten Mißbrauch des Rundfunks dar, den
wir überhaupt erleben durften. Es ist eine
Zumutung ohnegleichen, dem Rundfunkhörer
etwas Derartiges zu bieten und ihm einsei-
tig das Warenhaus als ideale Einkaufsauelle
für alle Schichten des Volkes hinzustellen, und
ds noch dazu im offiziellen Programm
Da auch wir Handel- und Gewerbetreiben-
den den Rundfunk mit unseren Beiträgen
finanzieren, so dürfen wir wohl nunmehr eine
Serie von „Reportagen" über das Spezial-
geschäft erwarten, in der alle Branchen zu
Worte kommen und in der nicht minder deut-
lich die Ueberlegenheit des Spezialgeschäftes
über das Warenhaus dargetan wird.
Das wäre dann die selbstverständliche Wie-
dergutmachung für eine nun nicht mehr un-
geschehen zu machende Angelegenheit. Daß
eine Wiederholung derart skandalöser Berichte
unterbleibt, wird, wie gesagt. Aufgabe der
Einzelhandels-Verbände und der Parlaments-
vertreter des Handels und Handwerks blei-
ben. Der Rundfunk ist schließlich kein Waren-
hausinstrument, sondern eine Angelegenheit
des gesamten deutschen Volkes.
(Aus „Vertrauliche Mitteilungen" Nr. 7
des Verbandes des Beleuchtungs- und Elektro-
handels DeutschlandZ


NUIelNSnttler!

Kaukt nur bei cken kamen, ckie
in unserer Leitung inserieren,
ckenn (liess dellen mit, cken
Ksmpk tür Lure bebensinteres-
sen siegreick ckurcbrutübren.

Lange hatte er vor der Tür des Privat-
kontors gestanden und sich überlegt, wie er
seine Worte fassen wollte. Zweimal schon war
er wieder umgekehrt und hatte Kündigung
auf eine spätere Stunde verschoben. Bis er
endlich zunr dritten Male vor der Tür stand
und gewissermaßen zur Probe murmelte:
„Her Elsner, Sie werden verstehen — hm —
>daß — tz-m — hm."
Wenn nicht zufällig Herr Elsner eben aus
dem Privatkontor herausgekommen rväre und
in feiner gemütlichen Art ihn gefragt hätte:
„Na, Wolters, wollen Sie was von mir?"
Wer weiß, ob Friedrich Mollers nicht noch
einmal umgekehrt wäre. Aber so mußte er
schon mit hereinkommen. Herr Elsner schien
bester Laune zu sein, bot seinem Angestellten
Platz im bequemen Klubsessel an und reichte
ihm sogar die Zigarrettenschachtel hin. Fing
bann an zu plaudern, über das Geschäft zu-
erst, dann über dies und das, was in der
Stadt passiert war.
„Wenn er es darauf anlegen wollte, es
Mir recht schwer zu machen," dachte Wolters,
der in seiner Befangenheit nur mit Mühe
der Unterhaltung in feiner Unruhe folgen
konnte, „er könnte es nicht besser machen!"
Endlich machte Herr Elsner eine Pause
Und sah seinen Angestellten fragend an.
„Ja, so, was hatten Sie denn auf dein
Herzen? Mit unserem Gerede Hütten wir ja
bie Hauptsache bald vergessen! Man merkt,
Man wird alt und geschwätzig!"
Es war Wolters bitter schwer angekom-
Men, gerade jetzt ganz unvermutet und- ohne
bte geringste äußere Veranlassung Herrn Els-
ter dis Kündigung auszufprechen.
Er hatte sich aber doch getäuscht, wenn er
geglaubt hatte, Herr Elsner würde sich dar¬

über besonders erregen. Sein Chef war viel-
mehr innerlich nicht unzufrieden, Wolters,
der nicht zu seinen besten Angestellten zählte,
loszuwerden. Und daß er im Warenhaus
Schotten antreten wollte, entlockte ihm nur
die Bemerkung: „Das weiß ich schon längst —
inl Warenhaus nehmen Sie als Personal
jeden, der da kommt!"
Die besondere Rolle, die seinem bisheri-
gen Verkäufer zugedacht war, als Spitzel und
als Lockvogel zu dienen, kam Herrn Elsner
nicht zum Bewußtsein. Damals unterschätzte
er das Warenhaus noch. Die Augen sind
ihm und dein -anderen Geschäftsleuten von
Friedberg erst später aufgegangen! —
Herr Wolters hatte in seiner neuen Stel-
lung einen sonderbaren Auftrag. Er fla-
nierte häufig am Nachmittag, wenn eigentlich
das beste Geschäft war und alles Personal im
Wärenhause gebraucht wurde, auf den paar
Hauptstraßen der Stadt, saß in einem der bei-
den Kaffeehäuser und sein Mensch konnte sich
«enträtseln, was das bedeuten «sollte!. Denn
daß er vom Warenhaus Schotten sein Gehalt
nicht dafür bezog, spazieren zu gehen und
Kaffee und ab und zu einen Cognac zu trin-
ken, das war ja eigentlich klar.
Aber er wußte schon, was er zu tun hatte,
und das Warenhaus Schotten wußte, aus welch
gutem Grunde er feinen Angestellten Wolters
spazieren schickte. Denn um die Zeit war
zwar im Geschäft besonderer Betrieb, aber
auch auf der Straße das regste Leben. Die
Damen von Friedberg, die, welche sich zur
wirklichen Damenwelt der Stadt rechneten
und» rechnen durften, gingen um diese Zeit
ihre Einkäufe besorgen und es war für Herrn
Wolters nach feiner jahrelangen Tätigkeit im
Hanse Elsner ein leichtes, von dessen Kund-

schaft Frau Pahn, Frau Kramer, Frau Sani-
tätsrat Busch und alle die Damen zu treffen,
welche er so oft in seiner alten Stellung be-
dient hatte.
Keine ging an ihm vorüber, ohne nicht ein
paar Worte mit ihm zu wechseln, wenn er
grüßte. Denn Wolters hatte Manieren und
war mit seinen einigen 30 Jahren eine reprä-
sentablc Erscheinung. Und zwischen der Kund-
schaft und den Verkäufern eines Konfektions-
geschäftes bildet sich im Laufe der Zeit ein ge-
wisses vertrauliches Verhältnis heraus.
Das liegt in der Natur der Sache. Die
Damen müssen alle ihre Wünsche erzählen,
müssen Geständnisse machen über ihre finan-
ziellen Fähigkeiten bezw. über die ihres Gat-
ten, müssen sich Rat erbitten. Und der Ver-
käufer hört sich mit zuvorkommendem Lächeln,
das so garnichts persönliches und nichts auf-
dringliches hat, alles an und rät und hat klug
bescheidene Vorschläge und kennt den Ge-
schmack und die besonderen Wünsche oder jeder
einzelnen Kundin, weiß, was ihr zu Gesicht
stehen, was sie vor allem anderen gut kleiden
würde. Muß also manches sagen, was alle
Damen nur gar zu gern hören. Denn auf
ein bischen Galanterie muß sich jeder Verkäu-
fer verstehen'
Und so sah man den Herrn Wolters hier
und da niit Damen in kurzem Gespräch stehen
und bei der Vertraulichkeit, die nun eben
zwischen Kundin und Verkäufer besteht, war
es nicht zu verwundern, wenn viele dieser
Damen, man möchte wohl sagen, die Mehr-
zahl, Herrn Wolters in seinem neuen Wir-
kungskreis einmal aussuchten — am besten in
den Vormittagsstunden, weil er sich da, wie
-er sagte, jeder einzelnen besser widmen
könnte. Sie ließen sich zeigen, was das Wa¬

renhaus Schotten an Neuem, Schönem, Ori-
ginellem aufzuweisen hatte.
Daß es nicht beim Ansehen und beim An-
probieren blieb, daß auch fleißig gekauft
wurde, das braucht nicht erzählt zu werden.
Denn das wissen wir alle, wenn Frauen ein-
mal soweit sind, dann kaufen sie auch. Und
weil Herr Wolters vermittelte, daß, wie er
immer versicherte, „nur für Sie. gnädige
Frau" besonders vorteilhafte Bedingungen,
auch» kleine Preisabschläge gewährt wurden,
so gewöhnte sich manchs der Damen daran, bei
Bedarf das Warenhaus Schotten aufzusuchen.
Daß sie früher Jahre, jahrzehntelang bei der
Firma Johann George Elsner gekauft hatten
und stets zur Zufriedenheit bedient worden
waren, daran dachte kaum eine.
„Man muß doch immer dorthin gehen,"
-sagte die Frau Sanitätsrat Busch zu Frau
Stadtmusikdirektor, „wo man besser kommt.
Die anderen schenken uns auch nichts!"
Und Frau Stadtmusikdirektor hatte zu-
stimmend genickt.
Hat eine Frau sich einmal an ein Geschäft
gewöhnt, dann kauft sie, falls andere Artikel
zu haben sind, auch diese, wenn der Bedarf
eintritt. So blieb es nicht dabei, daß die Da-
men, welche auf diese Weise das Warenhaus
Schotten kennengelernt hatten, nur Konfek-
tion und Kleiderstoffe von dort bezogen, son-
dern alles, was das Warenhaus nur irgend
bot. Herr Wolters war auch von besonderer
Zuvorkommenheit, empfahl »den Damen dies
und das, ging sogar mit hinüber ins Lager
und führte die verehrte gnädige Frau auch
dort zu besonders zuvorkommender Bedienung
ein. Herr Wolters machte sich bezahlt!
(Fortsetzung folgtf.
 
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