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Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes: Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes — 1930

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Sonntag, 20. Juli

Nr. 29

Sin offener Wort an die Beamten

Geschäftsstelle:
Heidelberg, Hauptstraße

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Zeitung für gesunde Wirtschaftsinteressen des gewerblichen
Mittelstandes, des Handwerks, Handels, HauS- und Grund-
besitzes, der Landwirtschaft, freien Berufe und aller sich zum
Mittelstand rechnenden Kopf- und Handarbeiter.
Jahrgang 19S0
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Seidelberger
Bürger-Zeitung
Mittelstands-Zeitung
NnUiWtts ftr Sic Jilcreise« »es dciis-ei NiNeliisiSes
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Bezugspreis monatlich 0,60 Reichsmark. Bei Postbezug
vierteljährlich 2,10 Reichsmark. Für ausgefallene Nummern
wird kein Ersatz geleistet. Der Jnsertionspreis ist 10 Reichs-
pfennig für die acktgcspaltene Millimeterzeile oder deren
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Die Beamlenbesoldunqserhöhun.q
1927 war, das sollte man doch gerade in
-en beamtenfreundlichen Kreisen zugeben,
Aehr als ein Fehler, sie war eine Torheit,
^in Fehler war sie, weil verantwortliche und
.verantwortungsbewußte Politiker sich klar
Darüber sein mußten, daß sie eine Summe von
chsiO Mill. Mark im Jahre erfordern und da-
M die Haushalte aller öffentlichen Stellen in
sieich, Ländern und Gemeinden einfach über
In Haufen rennen würden, daß sie dadurch
^teuererhöhungen, Produktionsbelastungen,
bonsumverzehr und alle die übrigen uner-
wünschten Folgen für die deutsche Volkswirt-
haft nach sich ziehen mußte, die wir erlebt
hben. Eine Torheit war sie, weil ihr Rück-
hngigmachen nicht nur verstimmend wirkt, die
hl'tische und von dieser Seite her die
Wirtschaftliche Krise verschärft, sondern, was
Af die Dauer gesehen, noch viel gefährlicher
Itz die absolut nicht länger aufzuschiebende
"erwaltungsreform aufhält bzw. verteuert.
He Beamten sind im deutschen Vaterlande der
Mzige Berufsstand, der. unabhängig von de:
^age der Wirtschaft, nicht nur eine gesicherte
Histenz hat (zuzugeben, bei der Mehrzahl der
Steren und mittleren Stufen eine sehr be-
hüte Existenz), sondern dem die Allgemein-
en auch ein ruhiges Alter, seinen Hinterblie-
^Nn eine lebenslängliche Rente garantier-.
, Keinem anderen Berufszweig, weder Ar-
Hitgedern noch Arbeitnehmern, steht eine
Weiche Sicherung zur Seite. Ist das wirklich
Me unbilligeForderung, daß dieser bevorzugte
^rufsstand der allgemeinen Krisenlage ein
ssvfer bringt? Daß er zum mindesten sich an
hr Aufbringung der Arbeitslosenversiche-
hdgsbeiiräge dauernd beteiligt? Vom Mora-
-i^chen einmal ganz abgesehen, das praktische
ihteresse der Beamten sollte es gebieten, sich
^fiem Erfordernis nicht zu entziehen. Denn
he. wenn die Wirtschaft unter den Lasten zu-
Whinenbrechend den öffentlichen Händen nicht
Hör genügend Steuerzahlungen zur Verfli-
eg stellt, um die Riesensummen für die Be-
Menüesoldungen auskehren zu können?
,, Tatsächlich sind natürlich nicht die einzel-
Gehälter zu hoch, sie erreichen wohl in
^Ner Gruppe den Friedensstand, aber die
dhsse der Beamten und die Einstufungen
Ursachen die Riesensummen und verhindern
hhurch fühlbare Entlastungen in den öffent-
Wen Haushalten.
Man lese beispielsweise das Gutachten des
ih'chssparkommissars über die Staatsverwal-
(hg Hessens (in den übrigen Ländern liegen
,,h. Verhältnisse ebenso, auch beim Reich!):
<u'e behauptete starke Vermehrung des Ve-
sjhhnkörpers liegt in der Tat vor. Seit 1914
die Stellen für planmäßige Beamte von
auf 12383 gestiegen!" „Beispielsweise
eine Oberköchin in einer Heilanstalt, die
tzh Küchenzettel ausstellt, die den Zucker, das
Efsi die Nudeln u., a. m., was von anderen
ben eingekauft ist, zum Kochen aus den
kj/ünden herausgibt usw. usw.gewiß
wichtigen Beruf haben: sie deshalb aber
Beamtin in dec Besoldungsgruppe 5 oder
tz,, 6 machen und mit einem Oberassisten-
der Versügungsentwürfe usw. anfertigen
wich, gleichzustellen, dürfte nicht angängig
dürfte nicht? Ist ein Skandal u. E.!
wäre deshalb nicht nur vom Stand-
er der Sparsamkeit, sondern auch aus
^»erstandenen beamtenpolitischen Inter-
sv richtig, wenn sich die Organisationen bei
d Mitgliedern dafür einsetzten, die Forde-

rung auf ein möglichstes Kleinhalten des Be-
amtenkörpers zu erheben. Auch der Staat
kommt in eine schwierige Lage. Beamtenstel-
len sind leicht geschaffen, ihre Beseitigung ist
viel weniger leicht, usw. usw."
„Die Besoldung eines Ortspolizeibeamten
in L. betrug, solange er von der Stadt bezahlt
wurde, jährlich 1109 bis 1800 Mark. Nach
ihrer Verstaatlichung erhalten die Polizeibe-
amten ein Gehalt von 2184 bis 3516 M."
„Die einzelnen Besoldungsgruppen und
-stufen sind, in sich betrachtet, zwar nicht zu
hoch, aber die Beiträge dieser Besoldungs-
gruppen und -stufen werden in einer sehr gro-
ßen Zahl von Füllen für Fähigkeiten bezahlt,
die mit diesen Betrügen teils quantitativ, teils
qualitativ, teils quantitativ und qualitativ er-
heblich üoerbewerrer ftno.
Den Inhabern der Dienstposten werden Ge-
hälter höherer Besoldungsgruppen gezahlt als
ihrer Tätigkeit entspricht . . ."
Eine vernichtendere Kritik, als sie der
Reichssparkommissar an der deutschen Veamten-

Jn der Mitte des Monats Juni, d. h. in
der Zeit der'besten Veschüftigungsmöglichkeit,
betrügt die Zahl der verfügbaren Arbeits-
suchenden rund 2,7 Millionen: sie ist um rund
900 000 höher als in der entsprechenden Zeit
des Vorjahres. Die Zahl der unterstützten Ar-
beitslosen beläuft sich jetzt auf 1,86 Millionen
und die der Wohlfahrtsempfänger aus 350 000.
Dabei in dec Anfang einer erneuten Ver-
schlechterung schon jetzt (allein in den letzten
14 Tagen um rund 12 009) festzustellen. Diese
Zahlen legen die Ueberlegung nahe, ob nicht
durch Fehler des Systems die Zahl der Ar-
beitslohn unnötig und künstlich erhöht wird.
Der grundsätzliche Fehler der Arbeitslosen-
versicherung liegt darin, daß sie gemeinsam
mit einem zu starr und zu schematisch ange-
wandten Tarifvertrags- und Lohnsystem den
natürlichen Ausgleich des Arbeitsmarktes und
die Ermittlung des wirtschaftlich zulässigen
Lohnniveaus verhindert. So hart die Arbeits-
losigkeit für die davon Betroffenen ist. so
zwingt doch ihre Summierung in wirtschaft-
lich kritischen Zeiten zu einem billigeren An-
gebot anArbeitskräften, das seinerseits wieder
in Verbindung mit Verzicht auf Unternehmer-
gewinn, mit Zinssenkung usw. Preisherab-
setzungen und dadurch eine Wiederbelebung dec
Konjunktur ermöglicht. Wenn aber eine Ar-
beitslosenversicherung in Verbindung mit
straffster Eingliederung aller Arbeitskräfte in
ein zu starr gehandhabtes Tarifschema dieses
„Angebot unter Preis" verhindert, dann ist
jeder Preisabbau so gut wie unmöglich, da der
direkte und indirekte Lohnanteil Len stärksten
Selbstkostenaufwand ausmacht: dieser Zustand
muß sich natürlich noch verschärfen, wenn —
wie im jetzigen Deutschland — Erhöhungen
der steuerlichen und sozialen Aufwendungen
noch weitere Belastungen mit sich bringen. Es
ist zweifellos, daß durch diesen wirtschaftlich
ungesunden Zustand die Dauer der Arbeits-
losigkeit insgesamt und im Einzelfall verlän-
gert und daß durch ihn überflüssigerweise neue
Arbeitslosigkeit erzeugt wird. Dazu kommt
noch, daß die Krise niemals ihre jetzige
Schärfe erreicht hätte, wenn nicht die Löhne
der in Arbeit Befindlichen eine zu schnelle
Steigerung erfahren hätten, d. h. wenn nicht

wirtschaft und ihrer Besoldungspraxis übt, ist
kaum vorstellbar, zumal sie die objektive Sach-
lichkeit widerspiegelt. Praktischen Wert kann
sie aber nur erhalten, wenn schleunigst die
Konsequenzen aus ihr gezogen werden. Vater-
ländische Pflicht der Beamten und ihrer Or-
ganisationen wäre es, nicht gegen die Heran-
ziehung zur Arbeitslosenversicherung zu de-
monstrieren und zu protestieren, sondern mit-
zuarbeiten an einer Reform in Reich, Län-
dern und Gemeinden, die zum Teil über einen
weitgehenden Abbau von Aufgaben, durch ra-
tionelle Verteilung der verbleibenden unbe-
dingt notwendigen Aufgaben eine Beschrän-
kung der Beamtenzahl, Rückführung von un-
zweckmüßigerweise ernannten Beamten in das
Angestelltenverhültnis. Rückstufungen in nied-
rigere Besoldungsgruppen zum Ziele haben
muß. Solange der Erwerbslose keinen Zwang
aus Arbeit, der Unternehmer keinen Zwanrz
auf Rente und Schutz vor dem Konkurse aus-
üben kann, darf auch der Beamte sich nicht als
eine unantastbare „zwangsläufige Größe" be-

die Selbstkosten schneller gestiegen wären als
die Aufnahmefähigkeit des Marktes. Diese
Entwicklung war aber nur möglich, weil die
Gewerkschaftsführer schon seit Jahren der Ver-
antwortung, die sie früher zu tragen hatten,
enthoben sind. Jahre hindurch ist jeder ihrer
Ansprüche durch' den Staat gestützt worden:
im Falle eines Arbeitskampfes sprang die
öffentliche Unterstützung ein: .Arbeitslosigkeit
infolge Ueberspannung gewerkschaftlicher For-
derungen brauchte nicht wie früher durch die
eigene gewerkschaftliche Klasse gelindert wer-
den: an ihre Stelle trat vielmehr die öffent-
liche Unterstützung bzw. die der Sozialversiche-
rung. Auf diese Weise wurde das Risiko, das
früher mit Lohn- und sonstigen Forderungen
verbunden war, ausgeschaltet: die Forderun-
gen brauchten deshalb auf die wirtschaftliche
Tragbarkeit keine Rücksicht zu nehmen. Außer
den bereits erwähnten Folgen trat auf diese
Weise auch noch die ein, daß die Bewilligung
sozialpolitischer Forderungen (in der Regel
vermittels stattlichen Zwanges) zu überstürz-
ten Rationalisterungsmaßnahmen zwang, die
— bevor sie sich in Preissenkungen auswirken
konnten — vorerst einmal Arbeitskräfte frei-
setzten und dadurch zwischenzeitliche Arbeits-
losigkeit erzeugten. Schließlich sei auch noch er-
wähnt, daß durch die Art der Handhabung der
deutschen Sozialversicherung der früher als
selbstverständlich empfundene Zustand, daß erst
die Familie helfend einzuspringen hat, abge-
ändert wurde in die jetzige Gewohnheit, sofort
öffentliche und staatliche Unterstützung in An-
spruch zu nehmen. Es ist aber klar, daß der
frühere Zustand schon deshalb überflüssige
Inanspruchnahme verhinderte, weil derEinzel-
fall viel besser durchschaut wird.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß die hier
kurz skizzierte Entwicklung in ihrer Gesamtheit
die Ziffer der Arbeitslosigkeit nicht unwesent-
lich erhöht hat. Weiter ist kein Zweifel, daß
mit den bisherigen Methoden der fortgesetz-
ten öffentlichen Finanzzuschüsse das Arbeits-
losigkeitsproblem nicht zu beseitigen ist. Dazu
gehört vielmehr eine Aenderung des Systems,
die auch die hier kurz geschilderten Fälle einer
irrigen Methodik zu berücksichtigen hat.

trachten, für die die Allgemeinheit aus Steu-
ern zu sorgen verpflichtet ist. Beamter sein
zu dürfen, muß eine Ehre sein, die zum Dienst
an der Allgemeinheit verpflichtet, mit Opfern,
wenn es die Lage wie heute erfordert.
Anmerkung der Schrift Ieitung:
Vorstehende Ausführungen, die wir der
Textil-Zeitung entnehmen, sind in jeder Hin-
sicht zu begrüßen. Wir können uns mit dem
Inhalt voll und ganz einverstanden erklären.
Die Beamten sind vornehmlich die Repräsen-
tanten des Staates und mit dessen Gedeih und
Verderben aufs innigste verbunden. Niemand
dürfte bestreiten, daß es dem gesamten Staats-
wesen, dem Reiche, den Ländern und Gemein-
den zurzeit hundsgemein schlecht geht. Nichts
ist daher natürlicher, als daß auch die Beamten
sich mit bescheideneren Bezügen zufrieden
geben, soll der Staat Bestand haben. Um so
unerklärlicher ist es, daß die Spitzenorganisa-
tionen der Beamtenschaft in ihren Entschlie-
ßungen auch nicht das mindeste Verständnis
für die Not ihres Brotherrn, den Vater Staat,
zeigen, von wohl erworbenen Rechten reden,
die man sich nicht beschneiden lassen dürfe und
sich in jeder Hinsicht wegen dieser „unglaub-
lichen" Zumutung gekränkt fühlt. Dabei wird
völlig verkannt, daß der Bürger, der Mittel-
ständler, sei er nun Handwerker, Einzelhänd-
ler oder Angehöriger der freien Berufe, der
den Staat durch seine Steuern in der Haupt-
sache geldlich sicherstellt, ausgepowert ist, viel-
fach von der Substanz lebt bzw. sich mit
einem Einkommen zufrieden geben muß, das
weit unter dem der Vorkriegszeit liegt. Es
wicd die höchste Zeit, daß durchgreifende Reme-
dur geschaffen wird, und zwar gerade im In-
teresse der Beamten selbst. Es wird die höchste,
allerhöchste Zeit! Gr.
*
LlMVohnungen
des Finanzamtes.
In der Berliner Straße, Ecke Thielallee,
baut das Landesfinanzamt Berlin, in einer
Zeit, wo in Berlin der Wohnungsbau in
weitgehendem Maße wegen Mangel an Mitteln
eingeschränkt wird, einen großen Häuserblock
mit Luxuswohnungen. Die Wohnungen,
Einfamilienhäuser, mit mindestens 8 Zimmern,
oder auch 2- und 3-Familienhäuser werden
in so pompöser Weise hergestellt, daß der
Mietpreis, wie Fachleute behaupten, pro Zim-
mer mindestens 800 AM. betragen müßte.
Es wird aber behauptet, daß den Finanz-
beamten nur 120 AN. pro Zintmer in
Anrechnung gebracht wird.
In einer kleinen Anfrage im Preußischen
Landtag heißt es:
Ist dem Staatsministerium bekannt, daß
die notwendigen Kleinwohnungen aus Mangel
an Mitteln nicht hergestellt werden können,
daß aber hier öffentliche Gelder in große
Luxuswohnungen hineingesteckt werden, an
denen ein Mangel in Berlin gar nicht besteht?
Ist es richtig, was vielfach behauptet wird,
ohne daß wir es nachprüfen können, daß diese
Wohnungen aus Steuerstrafgeldern erbaut
werden? Was gedenkt das Staatsministerium
zu tun, um die für den Wohnungsbau freien
Mittel in die Wohnungen hineinzustecken, die
wirklich notwendig sind, und nicht in solche
Luxuswohnungen?
 
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