Hausbesitzer und Mieter.
Gemeinsame Plattform für gemeinsamen Kampf?
Aon Obcrvcrwaltungsgerichtsrat Dr. Ernst Jsay
(Berlin).
Grundbesitzer und M ieter werden ge-
meinhin als natürliche, sozusagen geborene Feinde
angesehen. Dies kann kein Wunder nehmen; denn
von Haus aus gilt der Grundbesitzer als der Kapi-
talist, der Reiche, dagegen der Mieter als der vom
Kapital Entblösste, der Arme. Ja, nicht nur das:
Mieter und Grundbesitzer stehen im Verhältnis
von Gläubiger und Schuldner; von jeher aber sind
Gläubiger -und Schuldner sich nicht hold gewesen.
Es kommt noch hinzu,, daß die Gesetzgebung alles
getan hat: das Gefühl der Gegensätzlichkeit zwi-
schen beiden zu vertiefen; sie hat Hemmnisse aller
Art errichtet, sie hat den Hauseigentümer sogar
als Steuererheber angestellt, der unentgeltlich
einen Teil der „Miete" einziehen und als Abgabe
an die öffentliche Kasse wieder abführen muß; es
gibt aber kaum ein wirksameres Mittel der Ent-
zweiung, als die Steuern eines Privatmannes
durch einen anderen Privatmann eintreiben zu las-
sen. Aus diesem Grunde sieht der Mieter in dem
Grundbesitzer den reichen Mann, der sich sein Kapi-
tal durch Krieg und Inflation erhalten hat, der
ihm aber in dem Mietzins gerade das wegnimmt,
was für ihn einen Ueberschuß bedeuten und ihn:
gewisse, jetzt verschlossene Glücksmöglichkeiten öff-
nen würde. Der Grundbesitzer betrachtet den Mie-
ter oft als den, der sich in seinem Besitztum sest-
geniftet hat, der aus diesem nur unter ganz be-
stimmten gesetzlichen Voraussetzungen vertrieben
werden kann, der ihm die Rente vorenthält, auf die
er als Eigentümer Anspruch zu haben glaubt, der
ihm das Haus in Unstand bringt und ihn dazu
mit allerlei Schikanen verfolgt. Darum stehen sich
auch in den politischen Körperschaften die Vertreter
der Mieter und der Hauseigentümer als Feinde
gegenüber; sie wirken stets gegen-, nie miteinander,
weil sic glauben, daß ihre Interessen in allein und
jedem entgegengesetzt seien. Es lohnt sich aber: ein-
mal nachzuprüfen, ob nicht auch eine gewisse In-
teressengemeinschaft zwischen diesen beiden Gruppen
besteht. Wäre dies der Fall, so würden sie gut
tun: bei aller Bekämpfung im übrigen doch in
Fragen, in denen ihr Interesse kein gegensätzliches,
sondern ein übereinstimmendes ist, zusammen-
zugehen.
Es ist heute nur mehr ganz bedingt richtig,
daß der Hauseigentümer der Reiche, der Mieter
dagegen der Arme sei. Der städtische Grundbesitz
wirft im Durchschnitt kaum einen Ertrag ab, dies
hat die amtliche Untersuchung in Düsseldorf ge-
zeigt, bei der — trotz Ausscheidung wichtiger Teile
der öffentlichen Abgaben aus der Berechnung —
eine Durchschnittsrente von nur 0,9 v. H. erwie-
sen worden ist; wohlgemerkt: eine Durchschnitts-
rente, was bedeutet, daß in vielen Fällen der
Grundbesitz eine ausgesprochene Passivwirtschaft
ist.' Ueberdies hat die Belastung des städtischen
Grundbesitzes und die. stets vorhandene Gefahr un-
bestimmter weiterer Belastungen die meisten Kapi-
talisten davon abgeschreckt: ihr Geld in Häusern
anzulegen. Der Hausbesitz ist — von gewis-
sen Fällen (Jnflationserwerb und dergleichen) ab-
gesehen— ein Stück verarmten Mittelstandes, der
sein mobiles Vermögen durch die Inflation ein-
gebüßt hat und dem das, was er an immobilem
Kapital erhalten hat, durch übermäßige und von
der besonderen Lage des Einzelfalles völlig ab-
sehend^ rohe und ungestäffelte Besteuerungen ab-
zogen ist mit der Begründung, daß die anderen ja
auch alles verloren hätten. In einer Vielzahl von
Fällen ist sogar nicht mehr der Hauseigentümer
der Reiche, der Mieter der Arme, sondern gerade
umgekehrt: der Hauseigentümer ist verarmt, der
Mieter aber ist ein reicher Mann, der sein Geld
in mobilen Werten angelegt hat'uüd sich die Vor-
teile sichert, die das Gesetz den Mietern einräumt.
Dazu kommt aber noch folgendes, das sich, wie
wir glauben, die Mieter bisher nicht genügend
überlegt hahen, auf das zu achten sic aber gut tä-
ten, wenn nicht auch ihnen das Fell über die Ohren
gezogen werden soll: Haben sich die Mieter schon
eminal klar gemacht, daß;
seit Iähjchst 'ein großer Teil.aller Neube- -;K
iastungen des städtischen Grundbesitzes gar
nicht mehr den Hauseigentümer, sondern in
Wahrheit den Mieter trifft?
Ern großer Teil aller Abgaben des Hauseigen-
tümers ist in der gesetzlichen Miete enthalten
(Hauszinssteucr, Gebühren aller Art) oder wirb
außerdem auf den Mieter abgewälzt, und jede Er-
höhung der Abgaben ist durch eine Erhöhung der
gesetzlichen Miete auf den Mieter umgelegt worden.
Dies äst nicht etwa aus Rücksicht auf den Grund-
besitz geschehen, den man gewiß nicht schonen wollte,
sondern einfach aus. der Erwägung heraus, daß der
Grundbesitz die Erhöhungen von sich aus gar nicht
mehr aufbringen kann, daß, wo nichts ist, auch der
Steuerqläubiger sein Recht verloren hat und daß
daher die Erhöhungen, wenn man sie nicht auf Len
Mieter abwälzt, überhaupt nicht mehr eingebracht
werden-können. Wir haben dies noch im Frühjahr
1930 erlebt, als die preußische Grundsteuer erhöht
und Hand in Hand hiermit die gesetzlichen Mieten
gesteigert wurden. Dieser -Blitz ist an den Grund-
eigentümern vorübergegangen und hat mit voller
Wucht-die Mieter getroffen, denen er das Ein-
kommen -zu einem wesentlichen .Teil verkürzt hat.
Auch in- Zukunft wird — dies kann man mit
Sicherheit Voraussagen — jede Steigerung der
Grundbelastung nicht den Grundbesitzer
allein, sondern besonders den Mi eher tref-
fen. Bei einem großen Teil der gegenwärtigen und
bet allen zukünftigen Belastungen dieser Art han-
delt es sich also der Sache nach gar nicht mehr um
Grundsteuern, Realsteuern oder. wie sonst ihr
Rains- lauten mag, sondern eigentlich um.„Mieter-
Martha Voß-Zietz, Vorsitzende der Reichsvereinigung Deutscher Hausfrauen E. V.
in der „Fleischer-Verbandszeitung".
Unser deutsches Volk ist der Tummelplatz sur-
alle möglichen volkswirtschaftlichen Experimente
geworden, denn unser Parlamentarisches System
gestattet jedem volkswirtschaftlich noch so ungebil-
deten Stimmzettelabgeber ein gewisses Mitbcstim-
mungsrecht. Das heißt ost nichts anderes als ein
Recht, unsere deutsche Wirtschaft in Grund und
Boden zu verwirtschaften.
Das neueste Schlagwort heißt: Preisab-
bau! Wo liegen die Ursachen für die Notwendig-
keit eines Preisabbaues? Um die ungeheuren Geld-
summen, die unsere Verwaltung in Reich, Ländern
und Gemeinden jetzt in der Nachkriegszeit ver-
braucht und die sich gegenüber der Zeit vor 1918
von rund 7 auf rund 20 Milliarden Mark erhöht
haben, aufzubringen, mußten Sparmaßnahmen ini
Reichshaushalt ergriffen werden. Diese Sparmaß-
nahmen erstreckten sich nicht etwa auf eine grund-
sätzliche Abänderung der heutigen Wirtschaftsfüh-
rung, um sich der früheren sparsamen anzugleichen,
sondern es wurden erst einmal Beamtengehälter
um bestimmte Prozentsätze abgebaut. Um nun die
Lebenshaltung der Beamten möglichst der jetzigen
gleichzuhalten, entstand der Wunsch zu einem
„Preisabbau", das heißt, man wollte, nachdem man
durch eine falsche Politik die Landwirtschaft an die
Grenze des Unterganges gebracht hat, nun auch
den kaufmännischen und gewerbliche» Mittelstand
zum Weißbluten bringen.
Begründet wird dieser „Preisabbau" mit der
Motivicrung, daß die Preisspanne zwischen Erzeu-
ger und Endverteiler gegenüber der Vorkriegszeit
bedeutend gestiegen sei. Wie ist nun in der Haupt-
sache diese Preisspanne entstanden? Vor allen Din-
gen durch die ganze Gesetzgebung und alles, was
mit ihr zusammenhängt: achtstündige Arbeitszeit
bei erhöhten Tariflöhnen für die Angestellten, we-
sentlich erhöhte Beiträge, für die sozialen Versiche-
rungen, Erhöhung der Preise für Gas, Wasser und
Elektrizität, und nicht zum letzten die Vielgestaltig-
keit der neuen Steuern und die Erhöhung der
alten. Daß alle diese Maßnahmen naturnotweudig
die Ware im Zwischenhandel verteuern mußten,'ist
selbstverständlich. Will mau also dein Verbraucher-
billige Waren zuführen, w muß man dafür sorgen,
daß diese Verteuermngsmöglichkeiteift der Preis-
spanne verschwinden.
Es ist ein unbilliges Verlangen der Haus-
frauen, daß der gewerbliche Mittelstand ihnen bilst-
ger liefern soll, oder mit anderen Worten, daß
dieser Stand die Unkosten, die der Staat ihm
zwangsläufig auferlegt, nicht abwülzen darf. Die
natürliche. Folge würde die sein, daß nun - unser"
gewerbe- und handeltreibender MitlrHstand in der-
selben Weise ruiniert würde wie' unsere deutsche'
Landwirtschaft, und die klugen Hausfrauen, die sich
jetzt mit aller Gewalt für einen „Preisabbau"
einsetzcn, würden das, was sie pfennigweise sparen,
markweisc an erhöhten Steuern wieder zu zahlen
haben, denn ein ruiniertes Gewerbe kann keine
Steuern mehr zahlen, kann also in den großen
Staatssäckel nichts mehr hineintun, und da im
Nachrevolutionsdeutschland anscheinend die Ausga-
ben im Staatshaushalt nicht beschränkt werden
können, so würden sich, wenn nun neben der Land-
wirtschaft auch noch Handel und Gewerbe als
hauptsächliche Steuerzahler ausfallen, die Summen
für den wesentlich verkleinerten Kreis der Steuer-
zahler automatisch erhöhen.
Hier kann nur Wandel geschaffen werden, das
heißt, wir können nur wieder niedrige Preise be-
kommen, wenn wir grundlegende Aenderungen in
unserem Wirtschaftsleben vornehmen. Neben allem
anderen bedeutet aber eine solche gewaltsamePreis-
regulicrung schließlich nichts anderes als den ersten
Schritt auf dem Wege zu einer erneuten Zwangs-
wirtschaft. Gott behüte unser deutsches Vaterland
und unfern deutschen Familienhaushalt vor einer
solchen Zukunft! Alle die, die die Zwangswirtschaft
des Krieges und der Nachrevolutionszeit. miterlebt
haben, werden nur mit Grauen au den Wirrwarr
auf dem Wirtschaftsgebiet denken, der durch dieses
gewaltsame Eingreifen damals entstanden war. Die
Ware verschwindet vom Markt und der alte
Schleichhandel beginnt wieder. Wer heute unfern
bedrängten Hausfrauen Besserung in ihrer Wirt-
schaftslage bringen will, der muß weitsichtige Wirt-
schaftspolitik treiben der darf nicht, um einer-
augenblicklichen Not zu wehren, etwas mir herauf-
beschwören helfen, was maßloses Unglück über
weite Kreise unserer Bevölkerung bringen würde.
In Gewerbe und Handel gilt cs vor allen Dingen
die Regel zu beachten, daß Angebot und Nachfrage
den Preis bestimmen, und mau sollte sich hüten,
als Laie im kaufmännischen Leben weltfremde Vor-
schriften machen zu wollen.
Die deutschen Hausfrauen müssen sich auge-
wöhncn, bei der Abgabe ihres Stimmzettels zur
Pcichstagswcchl ebenso wie bei der Landtagslvahl
volkswirlschastliche Gesichtspunkte mit in Erwä-
gung zu ziehen. Wenn die ungefähr 12 Millionen
deutschen Hausfrauen nur noch solche Parteien
wählen würden, die für eine energische Bekämpfung
des jetzigen Systems eintreten, dann, aber auch
n nrda n n können wir wieder ein gesundes Wirt-
schaftsleben mit erträglichen Preisen haben. Wir
können aber unter keinen Umständen verlangen,
daß ein ganzer Stand sich jetzt opfert, um die.
Wahlduminhciten deS deutschen Volkes wieder gut-
zuniachen.
steuern". Es ist darum mehr noch als der Grund-
besitzer der Mieter an der Vermeidung von Neu-
belastungen dieser Art interessiert. Daß dies bis-
her von den Vertretern organisierter Mieter nicht
oder nicht genügend erkannt worden ist, daß sie
daraus wenigstens, -nicht die notwendigen Folge?
rungeu gezogen haben, bericht außer auf der her-
kömmlichen Feindschaft zwischen Mietern und,
Hauseigentümern Wohl in erster Linie auf deut
Namen, den man den Belastungen gegeben hat, und
ans der juristischen Ausgestaltung, die man ihnen
hat angedeihen lassen. Nach ihrem Titel und nach
ihrer juristischen Konstruktion sind es eben. Grund-
steuern, nicht Mietersteuern. Gegen eine Erhöhung
der Grundsteuern sträubt sich instinktiv der Grund-
eigentümer, der Mieter aber findet sich mit ihnen
leicht Üb, da er annimmt, daß sie, wie ihr Name
besagt, nicht ihm, sondern nur dem Grundeigen-
tümer fühlbar werden, Durch ein eigentlich sehr
primitives und darum geradezu geniales Mittel
hat es also der Gesetzgeber erreicht, daß er einen
großen — den größeren --- Teil der Bevölkerung
bei Durchführung seiner Steuerpläne auf seiner
Seite sieht, und zwar, so merkwürdig dies ist, ge-
rade den Teil, der die Steuern aus seiner eigenen
TaW, zuFcheKchbm..-Kahsi während der Teil,-«-,-der
durch- sich z. T. nicht bÄastet wird, gegen dickm-eue
Belastung Front macht,
Man kann mancherlei 'S t e n e'r ik erhebet!, und
es werden gewiß die seltsamsten Steuepn erhoben.
Es gibt in einigen Ländern sogenannten Fenster-
steuern, die nach Zahl und Größe der in einen:
Haus angebrachten Fenster erhoben werden. Es
gibt auch Kopfsteilern, die — wenigstens grundsätz-
lich — jeden Bürger ohne Rücksicht auf seine Lei-
stungsfähigkeit treffen. Für alle diese Stenern las-
sen sich, wenn auch keine Begründungen, so doch
Gründe anführen. Dagegen bleibt es vollkommen
unerfindlich, wie man'Wohl eine Mietersteuer be-
gründen sollte. Es'wird' jemand besteuert, weil er
zur Miete wohnt. Das heißt: er soll Steuern zah-
len, weil er kein Grundeigentum besitzt und sich
daher eine Wohnung-auf fremdem Grund und Bo-
den hat verschaffen müssen. Ist dies ein Vorteil,
der die'Belastung mit einer Abgabe rechtfertigt?
Öder worauf, sonst will man eine solche Abgabe
stützen? Besteuert wird ja hier nicht der Besitz,
sondern das Fehlen eines Besitzes. Eine Mieter-
steuer könnte vielleicht als Steuer auf beststmute
Wohnungen begründbär sein, so etwa als Miet?
luxussteuer auf den Besitz besonders großer Woh-
nungen, wobei dahingestellt bleiben mag, ob sie
Zweckmäßig. sein, insbesondere einen Ertrag brin-
gen würde. Aber eine Steuer auf jede, noch so be-
scheidene Mietwohnung ist ein Unding. Sonst
könnte man schließlich ja auch den besteuern,, der
aus. Mangel an Mitteln wie Diogenes mit einer
Tonne Vorlieb nehmen inuß.
Man wird vielleicht dagegen einwcnden: Die
„Mieten" würden durch ihre - Erhöhung nur dem
allgemeinen. Preisstand angepaßt, dieser erhöhte
„MieK'zins dürfe aber nicht dem Eigentümer ver-
bieibs-n, sondern müsse von diesem an den Staat
iwgeftihrl werden. Ein solcher Einwand wäre aber
vmsehlt; er stände in Widerspruch mit einer allen
ofsenknüdigen Wirklichkeit. Bisher ist es stets so
gewesen,, daß der Staat die Stcuererhvhungcn nicht
etwa vorgenommen hat; nm die „Mieten" dein all¬
gemeinen 'Preisstand anzupassen, chndern eben
da,tun, weil er Geld brauchte, dieses aber, wie er
fürchtete, von den: überlasteten Grundbesitz nicht
mehr, erhalten konnte, weshalb er dem Mieter die
Zahlung auserlegte (wenigstens im Ergebnisse).
tzNichl der niedrige Stand der „Mieten" also war
ider Ausgangspunkt, sondern die. Schaffung neuer
staatlicher Einnahmen. Dem Mieter wurde die
Wohnung verteuert, nicht weil die „Mieren" zu
niedrig schienen, sondern weil die Staatskassen leer¬
waren. Im übrigen kann man die Frage, ob die
„Mieten" zu niedrig sind, nur auf Grund einer
sehr eingehenden und sorgsamen Prüfung des Ver¬
hältnisses zwischen Angebot und Nachfrage beant¬
worten. Heute schon steht ein großer Teil der Alt--
Großwohnungen nnd Neubauwohnungen leer, ganz
allein darum, weil sich niemand findet; der sie be¬
zahlen kann. In naher Zukunft wird sich die Zahl
dieser Fälle erheblich vermehren. Es ist däher
weder sachlich gerechtfertigt noch auch vor ällem
volkswirtschaftlich oder politisch wünschenswert oder
unbedenklich: die.gesetzlichen Mieten durch' Gesetz
dem jetzigen Inder der Lebenshaltungskosten an¬
zupassen.; dies verbietet sich schon darum, weil,
wenn nicht alles' trügt, der Index die Neigung zum
Sinken hat. Es. ist gar nicht ausgemacht, daß-"er
nicht, wenn sich die Weltpreise weiter erniedrigens
unter den. jetzigen, Stand der gesetzlichen Mieten
heruntergehen wird. Im übrigen wird binnen
nicht sehr länger Zeit der Wohnungsbedarf, auch
der für Kleinwohnungen, gedeckt sein. Die gesetz¬
liche Festsetzung kann dann in der Richtung einer
Verteuerung der Wohnungen über ihren wirklichen
— d. h'. durch Angebot nnd Nachfrage bestimmten
— Wert sich auswirken. Die gegenwärtige Höhe
der Neubaupreise ändert daran nichts. Denn es ist
kein Zweifel, daß sie übersetzt sind und ohne allzu¬
große Schwierigkeit hinabgedrückt .werden. können.
Dwx Begründung der Steuererhöhung also: einer¬
seits .seien die gesetzlichen Mieten zu niedrig, an-
dererseits dürfe ihre Steigerung dem Hausbesitzer
nicht zugutekommen, ist von sehr zweifelhafter
Richtigkeit und dient nur dazu: die Steuer mit
einem Schein, von Steuergerechtigkeit zu um¬
kleiden.
An einer Vermeidung neuer „Miet"belastungen
des Grundeigentums ist also zwar auch der Haus¬
eigentümer interessiert (schon weil er die Erhö- „ . .__
hung eintreiben, und. abführen muß), mehr noch ^mstM der erwarteten Ankurbelung der Wirtschaft
aber der Mieter, da jede solche Erhöhung eine zu einer immer größeren Arbeitslosigkeit gefüht
Mietersteuer sein muß. Der Steuergesetzgeber ist haben, also durch die praktische Erfahrung wider -
für den Mieter-riuch ein wert gefährlicherer G.eg- Legt- wprden sind, haben die freien Gewerkschaften
SoziolpolM oder
MtschMpvM?
Von Dr. Paul Ruprecht, Dresden.
Die Frage,, ob..von den Gewerkschaften de»
Sozial- oder der Wirtschaftspolitik der Vorrang
einznräumen ist, hat nie., solche Bedeutung gehabt
wie heute, wo das deutsche Volk vor die Notwendig-
keit gestellt ist, seine Lebenshaltung cinzusch.rünken,
um aus seiner wirtschaftlichen Noj herauszukom-
nien. An sich sollte man nieinen, .daß darüber kein
Zweifel bestehen könnte, da-soziale. Vorteile, für
die.Dauer nur auf der Griin'dlagx.girier Mündens.
Wirtschaft zu erzielen sind. '' 'sss, M "
Wenn die Gewerkschaften .. jedoch,.- trotzdem
-(Sozialpolitik ohne Rücksicht ans jene treiben-. dann
ist 'das darauf zurückzuführen, . daß - die. sozicnisti-'
scheu, also die Mehrheit der Gewerkschaften, der-
heutigen Wirtschaft als zielbewußte Klassenkämpfer'
gegenüberstchen und sie als solche weniger. nach
wirtschaftlichen, als nach parteipolitischen Gesichts-
punkten behandeln.« Zu dieser Haltung sind sie
nicht nur durch Rücksicht aus ihre Mitglieder, son-
dern auch auf ihre - linksradikalen Wettbewerber
bestimmt worden. Unter diesem Druck ist ihr Be-
streben bisher darauf gerichtet gewesen, den Ar-
beitnehmern-einen möglichst-großen Anteil.an den
Ertragnissen der Erzeugung- M sichern. - Die Wirt-
schäft'macht ihnen-nun den Vorwurf, daß sie dahei
keinerlei Rücksicht auf ihre Belange genommen
und sie nicht so pfleglich behandelt hätten, wie es
auch das Interesse der Arbeiter gebietet.
. Diese- Behauptung ist richtig und auch wiedcr
nicht richtig- Richtig ist, daß die einseitige 'Betrach-
tung wirtschaftlicher Fragen durch die freien Ge-
werkschaften der Wirtschaft außerordentlichen Scha
den zugesügt hat, man kann jedoch nicht- beweisen,
daß dies die Absicht der Gewerkschaften gewesen
Wäre, denn ihre der Wirtschaft so schädliche Hal-
tung ist nicht aus Feindseligkeit gegen sie, sondern
auf verfehlte wirtschaftliche Theorien, insbesondere
über den Lohn und damit zusammenhängende Fra-
gen wie Kaufkraft, Rationalisierung und dergl-
zurückzuführen. Obwohl aber alle diese Theorien
ner, als es selbst der profitgierigste Hauseig"",
tümer wäre. Denn diesem sind durch das Eft"
von Angebot uud Nachfrage Grenzen gesetzt. M
Staat und die Gemeinden aber sind in iM
Steueranforderungen unbeschränkt, und die ErM
rung zeigt, daß sie, durch Geldnot getrieben,
über das Erträgliche weit hinausgehen. Die IM'
essen der Hauseigentümer und Mieter sind mitM
was die Belastung betrifft, gar keine entgegcM
setzten, sondern gleichlaufende. Es muß daher
Plattform gefunden werden, auf der sich HM
eigeutümer und Mieter zur Bekämpfung der ih»st
gemeinsam drohenden Gefahr zusammenfinden M
neu. Diese ist in folgendem zu sehen: Der HM'
eigeutümer muß darauf verzichten: auf eine M
Höhung der gesetzlichen Miete hinzuwirken. D>
Ertraglosigkeit der Grundstücke beruht nicht aus
zu geringen „Miete", sondern auf den zu hoM
Abgaben, zu denen der „Miet"zins verwenoct
'den muß. Gelingt es: diese Abgaben zu stnM
so wird damit von selbst der Ertrag des
steigen. Hierauf allein kommt es aber für d"'
Grundbesitzer an. Wenn ihm eine gewisse ReiR
gesichert ist, so muß er unter den heutigen Ven
hältnissen zufrieden sein. Andererseits liegt es ab"
keineswegs im Interesse der Mieter, daß dft
Eigentümer eine möglichst geringe Rente bezieh--
Die Mieter sollten sich darüber klar sein, daß'
wenn sie aus dem Gefühl der Gegensätzlichkeit g"
gen den Hausbesitz heraus auf eine neue Belastu»§
drängen, sie selbst es sind, die die Kosten der Ei'
füllung ihrer Wünsche zu tragen haben' tverde»
Den Mietern sollte es also nicht darauf ankon"
men, wem die „Miete" zufließt — der öffentliche"
Hand oder dem Grundbesitzer —, sondern nur dal'
auf, daß die gesetzliche Miete zum mindesten räch'
erhöht wird: Auch für den Mieter ist es bestell
daß sowohl er als auch der Hauseigentümer eM
lastet, als daß beide durch übermäßige Steuer"
erdrückt werden. Der Staat aber sollte bedenkcft
daß bereits durch die bisherige Gesetzgebung ei»
wichtiger Teil des Nationalvermögens, nämlich de>'
Grundbesitz, nicht etwa der Gesamtheit zugeführb
sondern einfach vernichtet ist, daß aber die Grund'
lagen der staatlichen Existenz untergraben werde»,
wenn der Staat dazu übergeht: auch die Mietet
schäft dem Untergange preiszugeben. Die Scheu vw
der Einführung neuer allgemeiner Steuern und da?'
Bestreben: sie durch Sondersteuern zu ersetze»,
mag bei der Höhe der allgemeinen Steuern ve»'
stündlich sein. Wenn der Staat aber, wie dies jetzt
der Fall ist, außerordentliche Steuern sowohl del»
Grundbesitz als auch den Mietern auferlegt, so ist
diese. Besteuerung in ihrer Ganzheit gar keine
Sonderbesteuerung mehr, sondern eben eine allge'
meine Besteuerung. Eine allgemeine Steuer wirkt
aber nur noch verbitternder, wenn sie, ohne daß
dies den Besteuerten verborgen bleibt, die juri-
stische Konstruktion einer Sondersteuer erhält. E?
hat Richt viel Zweck: der Katze einen Sack umzw
hängen, weuu die Katze unter dem Sacke sichtbar
wird!
Milderung oder Beseitigung der Sonderabga-
ben auf das Haben oder Bewohnen von Wohn-
häusern, Ersah dieser Abgaben durch allgemeine
und vor allem abgestuste Steue-n, keine weitere
Steigerung der gesetzlichen Mieten dies sind die
Ziele, die Hauseigentümer und Mucker gemeinsam
erstreben müssen.