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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 15.1904

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Vollmar, H.: Das Präsidial-Gebäude des deutschen Reichstages
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https://doi.org/10.11588/diglit.11377#0078

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INNEN-DEKORATION.

WALLOT, REICHSTAGS-PRÄSIDIAL-GEBÄUDE :

Hof, weisse Putzwände, naturfarbene Holz-Schnitzerei.

Marmor erhebt sich der Fenster-Wand gegenüber,
alle Möbel sind von Cedern-Holz, welches durch
graziöse Arabesken von Goldbronze belebt wird.
Auch der Flügel hat ein Gehäuse von der gleichen
edlen Holzart. Möbel-Bezüge und Vorhänge sind
von zart-rotem Seiden-Damast, welcher gut zu
der Täfelung stimmt. Das köstliche Cedern-Holz
ist durchweg trefflich gegliedert; die Profile der
Paneele sind ebenso gut geschnitzt wie die feinen
Ornamente, welche Flügel undJMöbel schmücken.
Unterhalb der Decke sind den'Wänden geschnitzte
Füllungen eingefügt, welche die Sinnbilder aller
menschlichen Kultur in wirkungsvollen Reliefs ver-
körpern. Bildhauer Giesecke schnitzte diese Skulp-
turen nach den Entwürfen Wallots, ihre leichte
goldene Tönung bringt angenehmen Wechsel in das
zarte Gelbrot der Holz-Bekleidung.

In dem'angrenzenden Empfangs-Saal hat Wallot
ganz neue überraschende Akkorde " angeschlagen;
dieser durch eingebaute Bogenstellungen in drei

Teile gegliederte Raum, welchen die
seitlichen Durchgänge und die Durch-
blicke über den Kaminen dennoch zu
einem Ganzen vereinen, ist einer der an-
mutigsten glänzendsten Festsäle, welche
moderne Architekten geschaffen haben.
Die Flügel-Türen von Palisander bilden
die einzigen dunklen Flächen in diesem
Nebeneinander von weissem und zart-
grünem Marmor, welcher die Paneele
und Tür-Gewände schmückt; die oberen
Wand-Flächen sind durch Spiegel
mit versilberten Bronze-Rahmen belebt,
zwischen denselben wird lichte Stuck-
Bekleidung sichtbar, von der sich
silberne Ornamente: Linien und Blüten-
Zweige wirkungsvoll abheben. Dies
Rankenwerk von Blättern und Blüten
des wilden Rosen-Strauches überspannt
nicht nur die Wände, sondern auch
die Voute der Decke; bei dieser
letzteren geht der Silberton der Deko-
ration in goldene Strahlen über. Über
den weissen Marmor-Kaminen wölbt
sich die silberschimmernde Dekoration
zu einer Rosenlaube, aus deren blühen-
dem Gezweig milchweisse Glühlichter
aufblitzen, während von oben herab die
Prismen der schönen Baccarat-Kron-
leuchter funkeln, deren Lichter-Spiel
sich in den Wand-Leuchtern von
gleichem Kristall wiederholt; lichtblaue
Seiden-Vorhänge umrahmen die Fenster,
Portieren von gleicher Farbe, mit dem
Reichsadler geschmückt, schliessen die seitlichen
Durchgänge. Möbel von grauem Ahorn mit versil-
berter Schnitzerei und Bezügen von lichtblauer Seide,
vervollständigen die Einrichtung. Dieser Saal wurde
zum erstenmal am Mittwoch, den 3. Februar 1904
von einer glänzenden Gesellschaft bevölkert — war
es doch der erste Besuch, den der Deutsche Kaiser
dem Reichstags-Präsidenten im neuen Heim ab-
stattete; die baukünstlerischen Leistungen hatten die
volle Zufriedenheit des hohen Gastes. Länger als
anfänglich beabsichtigt hielt sich der Monarch in
den geschmackvollen Festräumen auf; der nach
dem Mittagessen gehaltene Cercle fand im Musik-
Saal statt und dauerte fünfviertel Stunden, eine
Leistung, die besonders den älteren Herren angesichts
der ringsum lockenden bequemen Sitz-Gelegenheiten,
etwas bedeutete; dabei fand jedoch noch mancher der
Anwesenden Zeit, seinem Nachbar mitzuteilen, dass
er, obgleich ihm die Schlösser von Petersburg,
Wien und Dresden bekannt seien, selten etwas so
 
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