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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 15.1904

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Vollmar, H.: Das Präsidial-Gebäude des deutschen Reichstages
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https://doi.org/10.11588/diglit.11377#0079

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INNEN-DEKORATION.

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malerisch Fesselndes gesehen habe wie diesen silber-
strahlenden, modernen Saal von Wallot.

Der sich anschliessende Speise-Saal hat durch-
weg hohe Eichenholz-Paneele und darüber einen
lustigen bunten Applikations-Fries von Gussmann
—Dresden. Die Türen sind von farbig behandelten
Holz-Kartuschen gekrönt, eine Holz-Balkendecke
mit Ornamenten, in der Art des Peter Flötner
farbig bemalt, schliesst den Raum nach oben hin
harmonisch ab. Die eine Schmalwand nimmt das
eingebaute, von korinthischen Säulen umrahmte,
Büffet in Anspruch, auf welches die kräftig model-
lierten Köpfe aller essbaren Vierfüssler gedanken-
voll herabschauen. Ess-Tisch und Stühle sind von
Eichen-Holz und zeigen schlichte bequeme Formen.

Eine kleine Blumen-Halle mit weissem Marmor-
Fussboden, auf dem graue Korbmöbel stehen, schliesst
sich dem Speise-Saal an, grosse Glastüren führen von
ihr treppab in den Garten an der Spree. Der plastische
Schmuck des Raumes sind die graziösen Marmor-
Figuren der »Eitelkeit« und »Anmut« von Felderhoff
und Klinisch. Den Schluss all dieser Repräsentations-
Gemächer, deren Möbel von den bedeutendsten Ber-
liner, Stuttgarter, Dresdener und Frankfurter Firmen
— meist nach Zeichnungen Wallots — mustergiltig
ausgeführt sind, bildet der Haupt-Festsaal. Dieser
Saal war im ersten Bauplan nicht vorgesehen, erst
als das benachbarte Loewesche Haus eine unschöne
Begrenzung des Präsidial-Gebäudes ergab, fügte
Wallot, um jene Brand-Mauer zu decken, den in
Rede stehenden Raum hinzu. Mit seinem mächtigen
Tonnen-Gewölbe, seiner Länge von 22 und seiner
Breite von 1 o Metern wirkt er imposant. Wallot hat
diesen Raum
als einen Ge-
sellschafts- oder
Festsaal für Ge-
legenheiten, die
über die ge-
wöhnlichen Ver-
hältnisse hinaus-
gehen, kompo-
niert. Er dachte
sich diesen Saal
als einen Mah-
ner an die große
Zeit des alten
Kaisers Wil-
helm und seiner
Leute, seiner
Paladine. Die
Decke soll einst
ein auf die
grosse Zeit be-

zügliches dekoratives Gemälde erhalten. Ringsum
ziehen sich hohe geschnitzte Paneele, deren Um-
rahmungen aus Eichen-Holz, deren Füllungen
aus ungarischer Esche sind. Über dem Paneel
belebt vergoldete Stuck-Architektur die Wände;
die seitlichen Friese der Decke zeigen, von Korn-
Blumen und Lorbeer umkränzt, goldene Lettern,
die in ihrer Gesamtheit den bedeutsamen Ausspruch
des sterbenden Helden-Kaisers »Ich habe keine Zeit
müde zu sein« ergeben. Dieses Spruchband wird
einst den Rahmen des erwähnten allegorischen
Decken-Gemäldes bilden. Die östliche Schmalwand
des Saales zeigt bis jetzt nur das schlichte Holz-
Paneel, später wird dies durch einen altarartigen
Aufsatz unterbrochen werden, auf dem ein archi-
tektonisch ausgebildeter, mit ornamentalen und
figürlichen Skulpturen reich gezierter Rahmen das
lebensgrosse Bildnis Kaiser Wilhelms I. im Krönungs-
Ornat umschliesst. Unsere Abbildung zeigt Wallots
Entwurf für diese Wand; Bildhauer August Vogel
hat denselben schon plastisch ausgeführt, zur Zeit
werden die Säulen und Putten des Rahmens von
Holz-Bildhauern geschnitzt. Die gegenüberliegende
westliche Schmalwand ist durch die Redner- oder
Musik-Loge mit einem reich geschnitzten Treppen-
Aufgang würdig gegliedert. Die stilechten Be-
leuchtungs-Körper fügen sich aufs harmonischste
in den feierlichen Ernst dieses Festsaales ein.

Das zweite Geschoss des Hauses enthält die
eigentliche Wohnung des Präsidenten; alle Räume
zeichnen sich durch behagliche Eleganz, sehr gut
verteilte Lichtquellen und bequeme Anordnung
vorteilhaft aus. — Dass die Kastellans-Wohnung,

Wagenremise,
Stallung, die

Küchen-An-
lagen, die Heiz-

Vorrichtung
mit der wunder-
baren Sorgfalt,

welche für
Wallot karak-
teristisch ist, bis
in alle Einzel-
heiten durch-
gebildet sind,
muss auch bei
diesem Bau-
werk hervorge-
hoben werden.
Wallot stand als
Helfer zur Seite
Geh. Oberbau-
rat Hückels aus

WALLOTT, K.EICHSTAGS-PRÄSIDIAL-GEBÄUDE : Speise-Zimmer in der Wohnung des

Reichstags - Bureaudirektors. Dunkelrot lasierte Kiefern-Täfelung. Wände weiss.
 
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