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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 15.1904

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Volbehr, Theodor: Eine neue Magdeburger Weinstube
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https://doi.org/10.11588/diglit.11377#0150

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i44

INNEN -DEKORATION.

ARCHITEKT ALBIN MULLER-MAGDEBURG.

Ansf. Koptoxyl-Fabrik B. Harrass—Böhlen i. Thür.

Butzenscheiben und künstlich alt gemachtem Decken-
gebälk. Conrad Raufer zog eine andere Konsequenz.
Er sagte sich: draussen, auf der Strasse, sei das
Haus ein Gesellschaftswesen, da füge es sich in den
Karakter der Umgebung, trage zu der wuchtig-
gehaltvollen Wirkung des Ganzen bei, aber im
Innern da sei das Haus ein ausgesprochen indi-
viduelles Wesen, da sei es ganz ein Kind der
eigenen Zeit.

So wohl ist es gekommen, dass Magdeburg
jetzt eine moderne Weinstube von ausgesprochener
Eigenart in einem Neubau zeigen kann, dessen
Fassade anscheinend einige Jahrhunderte früher ent-
standen ist. — Die von Albin Müller geschaffenen
Räume des Restaurants bestehen aus einem grossen
Entree und drei Weinstuben. Wie die Abbildungen
zeigen, ist die Formengebung überall von vornehmer
Schlichtheit; die Phantasie des Lesers aber muss
den karakteristischen Reiz der Farbe, den alle
Räume ausströmen, hinzufügen, um die Eigenart
der Wirkung nachzuempfinden. Die Entreetür, die
vom Treppenhaus in den Vorraum des Restaurants
hineinführt, wirkt gleich wie ein Präludium zu den
Künstler-Kompositionen in Form und Farbe, die
einen erwarten. Blaugebeiztes Eichenholz mit
Messing-Einlagen und grossen Messing-Griffen. Die
Verglasung ganz licht in anklingenden Tönen ge-

halten, fast nur wie
Variationen über
das Thema Weiss
nach den Seiten
des Blau und des
Gelb. Die Grund-
linien der Tür ein-
fach und gross-
zügig, streng kon-
struktiv und dem
Doppelzweck ent-
sprechend , den
Eindruck eines
festen Abschlusses
hervorzurufen und
doch viel Licht zu
geben. Die Herb-
heit des festen Ge-
füges aber gemil-
dert durch den
starken Glanz der
Messing-Intarsien,
durch dieRundung
der Kanten und
durch die leichte
Schnitzarbeit, die
von der Senk-
rechten des Türpfostens zur Bogenlinie des Tür-
abschlusses vermittelnd hinübergreift. Der Raum,
in den diese Tür hineinführt, entspricht in jeder
Beziehung dem, was diese Tür verheisst: er zeigt
die gleiche Farbenwahl, die gleiche Formen-
strenge, die gleiche Exaktheit in der Rücksicht
auf alle praktischen Bedürfnisse und die gleiche
Richtung des dekorativen Sinnes auf ein intimes
Schmücken und Mildern der konstruktiven Sachlich-
keit der Raum- und Flächen-Disposition. Zudem
hat der blaue Grundton dieses Entrees mit den
kecken Lichtern der Messing-Haken und Messing-
Einlagen etwas eigentümlich Frappierendes. Es ist
als wenn der Raum zu dem Eintretenden sage:
Aufgepasst, hier ist der Eingang zu anderen Reichen,
als die es sind, durch die du heute gewandert! Lass
die Tagessorgen, das Einerlei des Alltags für einige
Stunden hinter dir und geniesse in angeregter
Stimmung die wohltuende Unterbrechung. So klingt
aus diesem Eintrittsflur der Weckruf einer vor-
nehmen Reklame, eines Hinweises darauf, dass wir
nicht in dem Entree einer Wohnung uns befinden,
sondern eben auf der Diele eines Restaurants.
Darauf weisen denn auch die drei grossen Wand-
spiegel hin und die weiten Gelasse für die Kleider-
ablage, darauf die opulente Beleuchtungs-Anlage.
— Und in beiden Richtungen zeigt sich wieder-
 
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