Josef Oswald / Rheinlandschaft und Naturgefühl
Es gab eine Zeit, da der Rhein unter den europäischen Landschaften
obenan stand, da seine Glanzpunkte zu den berühmtesten Naturschönheiten
gezählt wurden und poetische Weltreisende wie weltreisende Poeten kaum
weniger in Lobeshymnen sich ergingen als die rheinische Dichterschaft,
Begeisterung für das Großartigste, was dieser Planet seinem Weltmeer
gesellt, Freude am Hochgebirge ist ein modernes Gefühl, vollends der Drang,
so oft als möglich seiner Wunder teilhaft zu werden, Im Mittelalter und
Altertum pflegte es dem Wanderer weit mehr Grauen als Entzücken zu
bereiten, es konnte daher, als die Natur allgemein zum Gegenstände
ästhetischer Genüsse ward, nicht sogleich die bevorzugte Rolle von heute
spielen. Denn irgendwie mußte die neue Auffassung noch im Zusammen-
hänge stehen mit der früheren, wonach gemeiniglich solche Gegenden als
die reizvollsten galten, denen die eindrucksvollsten Spuren menschlicher
Gesittung eigen waren.
Der Übergang vom antiken zum modernen Naturgefühl vollzog sich
durch das romantische, das aus dem entsprechenden Geiste in Kunst und
Literatur fließend, auf lange hinaus sein Landschaftsideal geltend machte.
Dazu gehörte allerdings schon das Weltverlorene der Örtlichkeit, das Wilde
und Abenteuerliche in ihrer Gestaltung, doch hauptsächlich im Gegensätze
zu lieblichen und sonnigen Bildern, während jene Entfernung von den
Plagen des gewohnten Daseins noch keineswegs eine Flucht in eine kultur-
fremde Natur bedeutete, Vielmehr ergab sich aus der ästhetisch-altertüm-
lichen Grundstimmung der Romantik auch für die Landschaft das Erforder-
nis, daß sie irgendwelche Beziehungen zu einer als poetischer empfundenen
Kultur als die zeitgenössische aufwies, vor allem mittelalterliche Bau-
werke, die in ihrem malerischen Verfall eine Welt von ritterlichen, phan-
tastischen und ähnlichen Vorstellungen weckten. Fand dergleichen sich am
häufigsten in früh bevölkerten Flußtälern, so bot sich geradezu als Muster-
bild dafür die Rheinlandschaft dar.
Die romantische Anschauungsweise ist inzwischen der realistischen
gewichen und hat eine Veränderung des Naturgefühls, die es dem antiken
völlig entgegensetzt, zur Folge gehabt. Fußend auf einer durch Erfindungen
fabelhaft bereicherten Zivilisation, sucht der moderne Mensch in der Natur
vornehmlich die Natur, Dabei wie vor hundert Jahren in Erinnerungen an
künstlerischere Erpochen zu schwelgen, kann ihm um so weniger einfallen,
Es gab eine Zeit, da der Rhein unter den europäischen Landschaften
obenan stand, da seine Glanzpunkte zu den berühmtesten Naturschönheiten
gezählt wurden und poetische Weltreisende wie weltreisende Poeten kaum
weniger in Lobeshymnen sich ergingen als die rheinische Dichterschaft,
Begeisterung für das Großartigste, was dieser Planet seinem Weltmeer
gesellt, Freude am Hochgebirge ist ein modernes Gefühl, vollends der Drang,
so oft als möglich seiner Wunder teilhaft zu werden, Im Mittelalter und
Altertum pflegte es dem Wanderer weit mehr Grauen als Entzücken zu
bereiten, es konnte daher, als die Natur allgemein zum Gegenstände
ästhetischer Genüsse ward, nicht sogleich die bevorzugte Rolle von heute
spielen. Denn irgendwie mußte die neue Auffassung noch im Zusammen-
hänge stehen mit der früheren, wonach gemeiniglich solche Gegenden als
die reizvollsten galten, denen die eindrucksvollsten Spuren menschlicher
Gesittung eigen waren.
Der Übergang vom antiken zum modernen Naturgefühl vollzog sich
durch das romantische, das aus dem entsprechenden Geiste in Kunst und
Literatur fließend, auf lange hinaus sein Landschaftsideal geltend machte.
Dazu gehörte allerdings schon das Weltverlorene der Örtlichkeit, das Wilde
und Abenteuerliche in ihrer Gestaltung, doch hauptsächlich im Gegensätze
zu lieblichen und sonnigen Bildern, während jene Entfernung von den
Plagen des gewohnten Daseins noch keineswegs eine Flucht in eine kultur-
fremde Natur bedeutete, Vielmehr ergab sich aus der ästhetisch-altertüm-
lichen Grundstimmung der Romantik auch für die Landschaft das Erforder-
nis, daß sie irgendwelche Beziehungen zu einer als poetischer empfundenen
Kultur als die zeitgenössische aufwies, vor allem mittelalterliche Bau-
werke, die in ihrem malerischen Verfall eine Welt von ritterlichen, phan-
tastischen und ähnlichen Vorstellungen weckten. Fand dergleichen sich am
häufigsten in früh bevölkerten Flußtälern, so bot sich geradezu als Muster-
bild dafür die Rheinlandschaft dar.
Die romantische Anschauungsweise ist inzwischen der realistischen
gewichen und hat eine Veränderung des Naturgefühls, die es dem antiken
völlig entgegensetzt, zur Folge gehabt. Fußend auf einer durch Erfindungen
fabelhaft bereicherten Zivilisation, sucht der moderne Mensch in der Natur
vornehmlich die Natur, Dabei wie vor hundert Jahren in Erinnerungen an
künstlerischere Erpochen zu schwelgen, kann ihm um so weniger einfallen,