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Jahrbuch Mannheimer Kultur — 1.1913(1914)

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Sinsheimer, Hermann: Schauspiel in Mannheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.68760#0032

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Hermann Sinsheimer

Hermann Sinsheimer/Schauspiel in Mannheim
Fürstengunst gründete das Mannheimer Theater, Volksgunst ent-
wickelte es. Es wuchs nicht aus einer Großstadt hervor — eine Gründung,
sondern es wuchs mit der Stadt — eine Pflanze, Es galt Zeit seines
Bestehens als der wesentlichste Exponent der städtischen Kultur, Es
hatte nie nötig, ein Kunstmarkt zu sein und möglichst schillernde, lockende
Ware anzubieten. Hier war ein stets lebendiges Theaterinteresse und hier
war ein (ein einziges) Theater — beide aufeinander angewiesen und
beide genötigt, sich zu finden, sich aneinander zu entwickeln, sich immer
wieder neu zu schaffen und von neuem zu wandeln.
Ist das nicht der Idealfall eines künstlerisch zu führenden und daher
künstlerisch führenden Theaters? Die Stadtverwaltung gab unentwegt Geld
und schuf nicht nur dadurch, sondern auch durch die häufige und allseitige
Betonung der ideellen Pflichten der Stadt gegen das Theater diesem von
vornherein ein ungewöhnliches Piedestal, Der Leiter brauchte nicht ängst-
lich nach den Kasserapporten zu schielen und nicht nervös auf Redaktionen
zu laufen, daß man sein Theater und seine Künstler auch wichtig genug
nehme.
Man nahm sie immer nur zu wichtig. Und das kam so; Zwischen
der Mannheimer Gesellschaft und dem Theater gab und gibt es ein enges
Band, das sich niemals noch gelockert hat: Das Abonnement, Es fügte
den größten und wertvollsten Teil der Mannheimer Bürgerschaft sichtbar
dem Getriebe des Theaters ein. Es war in Mannheim stets nicht nur so,
daß das Publikum, wie überall, im Theater mitspielt; das Publikum der
Abonnements lebte geradezu sein ganzes oder wenigstens sein wich-
tigstes geistiges Leben im Theater, Das Kind wird in die Kindervorstellung
geführt, Knaben und Mädchen in die Schülervorstellung geschickt, der
Pennäler und Kaufmannseleve oder die höhere Tochter und der Backfisch
schwärmen in Oper und Schauspiel ihre ersten kleinen und großen Leiden-
schaften aus, bis sie endlich als Väter und Mütter die Vorstellungen ihrer
Abonnements mit sorglicher Regelmäßigkeit besuchen und ihre Knaben
und Mädchen in Kinder-, Schüler- und andere Vorstellungen schicken. Ein
Kreislauf bürgerlicher Kunsterziehung! Wie das Theater mit der Stadt
wuchs, so wuchsen die Generationen mit dem Theater auf. Das Theater
wurde ein Teil der Bürgerschaft, An ihm Kritik üben hieße letzten Endes
Selbstkritik üben. Und Selbstkritik schreckt, wenn sie auch noch so
geschäftig ist, stets vor den letzten unerbittlichen Konsequenzen zurück.
Man nahm in Mannheim das eigene Theater etwas zu wichtig und hatte es
 
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