Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Jahrbuch Mannheimer Kultur — 1.1913(1914)

DOI article:
Hildebrandt, Hans: Hedwig Pfizenmayer
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.68760#0352

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
278

Dr, Hans Hildebrandt

Dr. Hans Hildebrandt/Hedwig Pfizenmayer

Unsere Zeit, die den freien Wettbewerb wie keine frühere zum
Grundsatz erhob, hat die volle Freiheit natürlich in erster Linie der
Kunst geschenkt, da diese unter allen Betätigungen des Menschengeistes
sich von jeher am mindesten gern und leicht gemessenen Regeln und Ge-
setzen anbequemte. Die erste unmittelbare Folge: der Dilettantismus
nahm in erschreckendem Maße überhand. Wer immer sich schmeichelt,
ein „Künstler“ zu sein, oder auch
nur den Drang verspürt, ein
Künstlerleben zu führen, kann
ungehemmt jedwede Kunst, die
ihm beliebt, betreiben und darf
zum wenigstensich selbstKünstler
nennen, sofern er die Folgen einer
Berufswahl mit ungewissem Ver-
dienst dank seinen glücklichen
Vermögensverhältnissen tragen
kann oder freiwillig in Geduld
auf sich nehmen will. Das ist
eine bedauerliche Folge des un-
gehinderten Wettbewerbs und
der durch die Teilnahme so vieler
Unberufener herabgeminderten
allgemeinen Vorstellung von dem
Trust und von der inneren Ver-
antwortlichkeit des Künstler-
tums, Andererseits haben der
schrankenlose Wettbewerb und
die zumPrinzip erhobeneMeinung,
daß jeder, dem Talent eigen,
auch ein Recht auf Ausübung HedwiJ Pfizenmayer Porträt von Lily Hildebrandt
des Künstlerberufes habe, auch
ihre gute Seite: Es ist dem zum Künstlertum Geborenen, dem Werdenden,
sehr viel leichter gemacht, zum Bewußtsein seiner Begabung zu gelangen
und sich von früh an ihrer zweckmäßigen Ausbildung zu widmen, — Auch
dem Aufkommen neuer Betätigungsarten auf dem Gebiete der Kunst ist
eine traditionslose Epoche günstig. Wiederum zieht zunächst der Dilet-
tantismus Vorteile aus dieser Tatsache, wie die Brandmalerei, der Kerb-
schnitt, die Bildchen aus Briefmarken, die Aschenbecher aus Zigarren-
bändchen usw, beweisen. Aber zugleich ist dem wirklichen Künstler
der Weg zum Neuartigen erleichtert.
 
Annotationen