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Jahrbuch Mannheimer Kultur — 1.1913(1914)

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Egel, H.W.: Musikalische Volkskultur
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https://doi.org/10.11588/diglit.68760#0084

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Dr, H. W, Egel

Dr, H, W, Egel/Musikalische Volkskultur
Mannheims Bürgerschaft setzt sich seit einem halben Jahrhundert
etwa, ganz naturgemäß seiner Entwicklung nach, in der größeren Haupt-
sache aus drei Standeskategorien zusammen: aus Großindustriellen, dem
mittleren Kaufmannstande und der Arbeiterschaft.
Da wirft sich ganz von selbst die Frage auf: Wie war und wie ist
das Musikbedürfnis unserer Gesamtbevölkerung? Auch hierin erlebten
wir mit dem mächtigen Wachsen der finanziellen Verhältnisse eine ebenso
starke Steigerung der Anteilnahme an der öffentlichen Musikpflege, Unsere
Akademiekonzerte des Hoftheaterorchesters haben bis jetzt nur stetig an
Besucherzahl zugenommen, obwohl die verhältnismäßig hohen Eintritts-
preise diese Konzertveranstaltungen mehr der erstgenannten Klasse zu-
weisen. Die Vorliebe der Mannheimer für ihr Theater ist ja oft genug
belobt und sogar getadelt worden, denn tatsächlich hat das Konzertwesen
an Güte nicht immer ganz gleichen Schritt und Tritt zu halten gewußt mit
den Operndarbietungen, ganz abgesehen davon, daß der Zuschuß der Stadt
sich bis jetzt fast ausschließlich auf das Theater beschränkt hat, eine
Tatsache, die als Milderungsgrund für den erwähnten Vorwurf gelten
könnte.
Die ersten dreizehn Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts haben
Mannheim zur großstädtischen Handelsmetropole heranwachsen sehen.
Die Stadt hat ihre Arme um die nahe- und fernerliegenden Ortschaften
geschlungen, das Weichbild der ursprünglichen Halbinselstadt hat sich
gewaltig verändert. Mit der Eingemeindungszeit kamen und kommen
namentlich die Elemente der Kaufleute und der Arbeiterschaft in immer
neu zusammenströmenden Massen hinzu. Mit dem Geist des Handels ist
der Geist der Kunst Hand in Hand gegangen. Unser heutiges Musik-
bedürfnis wurde gerade in allerjüngster Zeit durch zwei Tatsachen glän-
zend bewiesen,
Im Wagnerjubeljahr 1913, wo wir den dreißigsten Todestag und den
hundertsten Geburtstag des Baireuther Meisters feiern dürfen, den ja auch
unvergeßliche Bande an die ,,Stadt, wo Männer heimisch sind“, ver-
knüpften, hat die Stadt Mannheim als würdige Gedächtnisfeier eine Ge-
samtaufführung der Wagnerischen Werke veranstaltet in der Form eines
Volksvorstellungszyklus. In wenigen Tagen waren die zehn Abende voll-
ständig schon durch Vormerkungen ausverkauft und nahezu viertausend
Wagnerfreunde mußten sich auf eine andere Gelegenheit vertrösten. Diese
erwuchs bald in einer etwas anderen Gestalt, nämlich in der volkstümlichen
Richard Wagner-Feier, die die Rosengartenkommission im Nibelungensaale
veranstaltete und die von 3600 Zuhörern besucht war. Gewiß sind das
beredte Zahlen für das musikalische Bedürfnis unserer Bevölkerung, —
 
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