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Jahrbuch Mannheimer Kultur — 1.1913(1914)

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Kaufmann, Eugenie: Mannheim und die Mode
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https://doi.org/10.11588/diglit.68760#0131

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E u g e n i e Kaufmann/xMannheim und die Mode

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Eugenie Kaufmann/Mannheim und die Mode
Eine Plauderei aus der Oststadt.
Draußen in der Oststadt, in einer jener vornehmen Villen, wo
modisches Raffinement sich mit ererbten Wohlstand zu traulicher
Lebensharmonie vereint, saß am Teetisch im Bücherraum des Hausherrn
ein kleiner befreundeter Kreis, Man war übereingekommen, die lieben
Mitmenschen aus dem Gespräch auszuschalten, und so erzählte man
Märchen, was hätte man sonst tun sollen; denn flüstern war auch nicht
gestattet.
Jung Werner hatte das Wort. Noch einmal prüfte er den Raum,
schaute die schwarzgrundige, goldflimmernde Bespannung, die Reflexe
der leuchtenden Bucheinbände, die violenfarbenen Schleier der Lampen,
sah die anmutige Hausfrau mit ihren schönen Freundinnen in gleißenden,
eng anschmiegenden Gewändern und ein süßtrauriges Wohlsein umfing
ihn, sodaß er mit leiser Stimme anfing zu erzählen.
Also die Mode war gestorben! Endgültig tot und begraben! . . . .
Philister, Grundsätzler, Tugendapostel hatten sie eingefangen und die
Königin mit dem Lächeln ewiger Jugend vor das Tribunal geschleppt.
Rasch kamen Zeugen von allen Seiten, Dem einen hatte sie sein Weib
verhext, dem anderen den Sohn verführt; hier hatte sie Unfrieden in
Heim und Wirtschaft gebracht, dort war ein Freund an einer modischen
Operation gestorben; stets war es die Mode, die Wohlstand und Zu-
friedenheit hemmte. Sie stand vor den Richtern mit jenem milden, ver-
stehenden Lächeln, das Künstler und Gottbegnadete entwaffnet, das aber
die Philister nicht sehen. So wurde sie zum Hexentod verurteilt. An
einem köstlichen sonnenwarmen Maientag trug man die leichte Gestalt
auf den Scheiterhaufen, Die süßen Seidengewänder hatte man ihr ge-
lassen, damit das Volk sie in ihrer Verderbtheit schauen könne; dann
hatte man die Flammen entfacht. Mit einer schönen zierlichen Bewegung
verhüllte sie ihr Antlitz, sodaß kein Schmerz, kein Krampfausdruck sicht-
bar wurde. Langsam umschlängelten sie die Flammen, knisterten an
ihrem Leib empor und saugten sich an ihren Gliedern fest. Plötzlich
bauschte sich die ganze Gestalt zu riesiger Höhe, wie eine schillernde
Seifenblase in allen Farben des Regenbogens leuchtend, um dann zischend
in sich selber zusammenzufallen — ein kleiner verglommener Aschen-
haufen — und nur ein zierlicher buntfarbiger Vogel schraubte sich in
weiten Kreisen trillernd und jubilierend in den blauen Äther empor.
Also die Mode war gestorben — endgültig tot — und die Philister
und Tugendapostel hatten endlich Frieden. Aber der sonnenblaue Maien-
 
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