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Jahrbuch Mannheimer Kultur — 1.1913(1914)

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Frey, Alexander M.: Die Schauspielerin
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https://doi.org/10.11588/diglit.68760#0045

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A, M, Frey / Die Schauspielerin

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A. M, Frey / Die Schauspielerin
Das Theater war aus, Eine Menschenmenge, die mehr und mehr
wuchs, drängte und drückte sich am Ausgang für die Bühnenmitglieder hin
und her. Vor der offenen Türe hielt ein Wagen, Berge von Blumen dufteten
in ihm. Von Zeit zu Zeit kam jemand durch den hellerleuchteten Gang,
schritt die wenigen Stufen hinab ins Freie und brach sich Bahn: „Der
Heldenvater“ . , , „die komische Alte“ , . , ein paar Statisten , , ,
der Charakterspieler , , , Dann wurden die Wartenden unruhig, stießen
und schoben sich näher zusammen und reckten die Köpfe, Vereinzeltes
Händeklatschen, — ein paar wohlwollende Ausrufe, Und die Schutzleute
schimpften und hielten den Weg vom Wagen nach der Tür frei. Doch bald
beruhigte sich die Menge wieder, denn das Ziel ihrer Sehnsucht war immer
nicht unter den Gehenden,
Abseits stand ein junger Mensch, Er hatte lange schlanke Glieder
und eine schlechte Haltung, Er stand gebückt und schüchtern, aber ein
leidenschaftlicher Zug webte um die starken halbgeöffneten Lippen und
ein fiebernder Glanz lag in den kindlichen Augen, „Heut hast du sie zum
letztenmal gesehen“, war sein wiederkehrender Gedanke, Noch bebte in
ihm der Wohllaut ihrer vollen Stimme, — noch sah er die reife Schönheit
ihres Körpers in den Armen Mortimers, und die Glutworte dieses Liebe-
rasenden, die wie ein schwüler Atem durch den Raum fegten, hatten
seine Sinne aufgefacht, — Wahrlich, sie war eine Maria Stuart, schön und
unglücklich, stolz und heiß, unnahbar und verbuhlt; ein Weib, das in
tausend Farben schimmerte, eines reichen Lebens so voll, , daß es über-
strömte, wild aufglühend oder mild leuchtend, — einst frei durch ein helles
Dasein schreitend, jetzt beengt in dumpfer Luft dumpfe Tage durchmessend,
aber immer lebend, lebend, lebend , , ,
Was sie da als Maria bot — war sie das selbst oder war es nur
eine große Kunst, — ihre große Kunst? Die Frage quälte den Grübelnden,
Und eine Ahnung sagte dem Unerfahrenen, daß diese Frau schon viel erlebt
— viel gelebt haben mußte. Eine übermächtige Leidenschaft, unter der er
fast zusammenbrach, hatte den Achtzehnjährigen für die alternde Heroine
erfaßt. Mit blinden Augen ging er an den hübschen Backfischen der Stadt
vorbei, saß wie im Fieber auf seinem Theaterplatz, stand Ewigkeiten in
der Nähe ihrer Wohnung um die Zeit, wo sie zur Probe mußte oder aus-
zugehen pflegte.
Dabei kam er nie auf den Gedanken, ihr durch irgend eine List
näher zu treten. Er wartete nur auf sie an allen möglichen und unmöglichen
Orten, folgte ihr unauffällig — es wäre ihm entsetzlich gewesen, sie zu
belästigen — und ließ seine Blicke nach allem haschen, was er begehrens-
wert an ihr fand — und er fand alles begehrenswert. Wenn sie auf der

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