Das Ende des Impressionismus 223
Dr, G. F. Hartlaub/Das Ende des Impressionismus
Ein späterer Geschichtschreiber der Kunst des 19. Jahrhunderts
wird den Impressionismus als Kunstprinzip wahrscheinlich mehr nach
seinem verneinenden als nach seinem schöpferischen Verdienst bewerten.
Er wird dem Programm, das hier schulbildend gewirkt hat, sehr wohl eine
erzieherische, weniger aber eine vorbildliche Bedeutung zuerkennen.
Gerade diejenigen Werke der sog. Impressionisten, die sich am strengsten
an das Prinzipielle ihrer Lehre gebunden zeigen, werden einmal als
bloße Schulwerke von ziemlich gleicher Form betrachtet werden, Zeug-
nisse einer glänzenden Disziplin des Sehens und des Geschmacks, die
jedoch ein starkes, persönliches Gepräge vermissen lassen.
Bereits heute darf man sagen, daß die Rolle der einst so viel um-
strittenen Bewegung historisch geworden ist. Das zeigt sich schon an
Äußerlichkeiten. Unter dem Begriff des ,,Impressionismus“ können sich
gegenwärtig viele Leute kaum noch etwas vorstellen, jedenfalls nichts
Wesentliches. Denn gewisse äußere Eigenschaften des impressionistischen
Malens und Sehens sind heute so sehr Allgemeingut geworden, daß sie
kaum noch zum Bewußtsein kommen. Die innere seelische Einstellung
dagegen, die das Programm voraussetzte, scheint bereits veraltet. Sie
sagt einer Generation wenig mehr, deren radikaler Vortrupp sogar nicht
ohne das paradoxe Schlagwort ,,Expressionismus“ auskommen zu können
glaubt, um das ganz Veränderte seiner Absichten gebührend zu kenn-
zeichnen.
Gerade auf das „Impressionistische“ legen wir angesichts der voll-
kommensten Schöpfungen von Manet bis Cezanne am wenigsten Wert.
Renoirs „Lise“, Monets „Camille“ gegenüber scheint es einfach belanglos
und banal, auf die Schulrichtung ihrer Meister hinzuweisen. Was an ihnen
groß ist, teilen sie mit den Gipfeln der Malerei aller Zeiten und
Schulen, —
Mit dem Wort „Impressionismus“ wissen wir heute wenig mehr an-
zufangen. Aber es gab eine Generation, die mit dem noch unverbrauchten
Begriff lebhafte, ja leidenschaftliche Gefühle verband. Es wird nötig
sein, einigen Abstand von uns selbst zu nehmen, um solches Bewußtsein
in ganzer Frische auch in uns wieder aufzuwecken.
Was „wollte“ der Impressionismus?
Wenn wir es recht betrachten, waren seine Zwecke ganz elementar,
grundsätzlich, ja eigentlich selbstverständlich und vor allem bis zu einem
gewissen Grade rein pädagogischer Natur.
Im Grunde wollte er nichts anderes, als Künstler und Publikum
dazu erziehen, sich wieder eine richtige Vorstellung von dem zu machen,
was die Malerei leisten kann. Um gleich zu Anfang die häufigsten Fehler-
Dr, G. F. Hartlaub/Das Ende des Impressionismus
Ein späterer Geschichtschreiber der Kunst des 19. Jahrhunderts
wird den Impressionismus als Kunstprinzip wahrscheinlich mehr nach
seinem verneinenden als nach seinem schöpferischen Verdienst bewerten.
Er wird dem Programm, das hier schulbildend gewirkt hat, sehr wohl eine
erzieherische, weniger aber eine vorbildliche Bedeutung zuerkennen.
Gerade diejenigen Werke der sog. Impressionisten, die sich am strengsten
an das Prinzipielle ihrer Lehre gebunden zeigen, werden einmal als
bloße Schulwerke von ziemlich gleicher Form betrachtet werden, Zeug-
nisse einer glänzenden Disziplin des Sehens und des Geschmacks, die
jedoch ein starkes, persönliches Gepräge vermissen lassen.
Bereits heute darf man sagen, daß die Rolle der einst so viel um-
strittenen Bewegung historisch geworden ist. Das zeigt sich schon an
Äußerlichkeiten. Unter dem Begriff des ,,Impressionismus“ können sich
gegenwärtig viele Leute kaum noch etwas vorstellen, jedenfalls nichts
Wesentliches. Denn gewisse äußere Eigenschaften des impressionistischen
Malens und Sehens sind heute so sehr Allgemeingut geworden, daß sie
kaum noch zum Bewußtsein kommen. Die innere seelische Einstellung
dagegen, die das Programm voraussetzte, scheint bereits veraltet. Sie
sagt einer Generation wenig mehr, deren radikaler Vortrupp sogar nicht
ohne das paradoxe Schlagwort ,,Expressionismus“ auskommen zu können
glaubt, um das ganz Veränderte seiner Absichten gebührend zu kenn-
zeichnen.
Gerade auf das „Impressionistische“ legen wir angesichts der voll-
kommensten Schöpfungen von Manet bis Cezanne am wenigsten Wert.
Renoirs „Lise“, Monets „Camille“ gegenüber scheint es einfach belanglos
und banal, auf die Schulrichtung ihrer Meister hinzuweisen. Was an ihnen
groß ist, teilen sie mit den Gipfeln der Malerei aller Zeiten und
Schulen, —
Mit dem Wort „Impressionismus“ wissen wir heute wenig mehr an-
zufangen. Aber es gab eine Generation, die mit dem noch unverbrauchten
Begriff lebhafte, ja leidenschaftliche Gefühle verband. Es wird nötig
sein, einigen Abstand von uns selbst zu nehmen, um solches Bewußtsein
in ganzer Frische auch in uns wieder aufzuwecken.
Was „wollte“ der Impressionismus?
Wenn wir es recht betrachten, waren seine Zwecke ganz elementar,
grundsätzlich, ja eigentlich selbstverständlich und vor allem bis zu einem
gewissen Grade rein pädagogischer Natur.
Im Grunde wollte er nichts anderes, als Künstler und Publikum
dazu erziehen, sich wieder eine richtige Vorstellung von dem zu machen,
was die Malerei leisten kann. Um gleich zu Anfang die häufigsten Fehler-