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Jahrbuch Mannheimer Kultur — 1.1913(1914)

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Wichert, Fritz: Die Wiederkehr des Gleichen in der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.68760#0374

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296

Dr. Fritz Wichert

Dr,Fritz Wichert/Die Wiederkehr des Gleichen in
der Kunst
Ein Beitrag zum Nachweis der Verwertung antiker Vorbilder im
Zeitalter des Barock.
Es ist immer etwas Verfängliches, Gesetze für den Verlauf von
Entwicklungen aufstellen zu wollen. Dennoch zeigen sich dem forschenden
Auge, das über die Ereignisse im Lebensgang der Menschheit hinstreift
von Zeit zu Zeit merkwürdige Wiederholungen, es offenbart sich ein ganz
bestimmter Rhythmus, bei dessen Zustandekommen der Zufall beinahe
ausgeschlossen erscheint. Dies läßt sich ganz besonders in der bildenden
Kunst mit Beispielen belegen, die ja für fast alle Epochen der mensch-
lichen Kultur wohlgeformte Zeugen hinterlassen hat. Während sich das
Wesen einer Kultur soweit es im Geistigen liegt und höchstens durch
literarische Überlieferung auf uns gekommen ist, vielleicht mit viel ge-
ringerer Objektivität fassen läßt, sind die Kunstwerke wegen ihrer An-
schaulichkeit und „Meßbarkeit1’ ganz besonders geeignet, Parallelstellungen
verschiedener Kulturepochen zu beleuchten.
Schon darin liegt so etwas wie Gesetzmäßigkeit, daß jede Epoche,
die wir als einen ruhigen Reifezustand betrachten können, eine Frühzeit,
die des Heranreifens, und eine Spätzeit, die der Überreife mit sich ver-
bindet, und daß das Verhältnis dieser drei Zustände zueinander in Ent-
wicklungskreisen, die zeitlich sehr weit auseinanderliegen, dasselbe ist.
So hat die klassische Antike eine Vorstufe, welche in ihrer herben Strenge
und Monumentalität, nicht minder in ihrer Freude an der Entdeckung
neuer Ausdrucksmöglichkeiten der italienischen Frührenaissance ver-
wandt ist, und ebenso hat die Antike ihre barocke Überreife mit ganz den-
selben Erscheinungen wilder Bewegungssucht und eines übertriebenen
Naturalismus, wie sie von der Spätrenaissance und dem frühen Barock ge-
zeitigt wurden. Selbst eine Vorwegnahme des Rokoko läßt sich für eine
Periode der Kunst des Altertums nachweisen. Liegt schon in dieser
Feststellung gewiß des Wunderbaren genug, so steigert sich unser Er-
staunen, wenn wir plötzlich entdecken, daß verschiedene Kunstepochen
in der Tat oft sogar für das einzelne Kunstwerk sich derselben Gestaltung
bedient haben. Die Gründe für das Zustandekommen derartiger Wieder-
holungen — wir können es fast so nennen — treten erst hervor, wenn
wir das Verhältnis der Parallelepochen zueinander — etwa der Renais-
sance zur Antike näher ins Auge fassen.
Sprach man früher von der Renaissance, als von dem Wieder-
erwachen des Altertums, so wurde der geschichtliche Vorgang naiver
Weise so dargestellt, als hätten die aus Konstantinopel infolge seiner Ein-
 
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