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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Proelß, Johannes: Modelle: Novellenkranz, [6.4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0243

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Modelle, riovellenkranz. von Johannes Proelß

185

Eifer, Proselyten zu machen, oder wirklich das Interesse,
welches das letzte Bild Munks dem Baron eingeflößt
hatte, jedenfalls wurde ein Besuch, welchen dieser unter
letzterem Vorwand dem Maler machte, die direkte
Veranlassung, Munk in einen gläubigen Spiritisten zu
wandeln.
Massenbach erkannte im
Gespräch mit Munk bald, daß
er in ihm ein sehr empfäng-
liches Medium vor sich habe.
Es machte ihm, nachdem er
das Gespräch auf das nächste
Bild gebracht, das dem Maler
im Sinne lag, und diesen über
die Einzelheiten desselben ge-
nügend ausgefragt hatte, Spaß,
seine virtuos entwickelten mes-
meristischen Kräfte und Kunst-
griffe in Anwendung zu bringen
und Munk in Hochschlaf zu
versetzen. Es gelang ihm nur
zu gut. Seine Gewalt und
die nur halb entschleierten
Gesetze der Natur mißbrauchend,
gab er dann dem hypnotisierten
Künstler eine trockene Palette
und einen ebensolchen Pinsel
in die Hand und kommandierte
ihm als Medium, diese oder
jene Einzelheit des vorher ge-
schilderten Bildes zu malen.
Munk folgte den Weisungen
mit mechanischer Pünktlichkeit
und pinselte, als habe er eine
wirkliche Leinwand vor sich,
gläsernen Blickes ins Leere
starrend, in der Luft herum.
„Jetzt das Haar!" — rief
der Magnetiseur und Munk
fuhr mit dem Pinsel auf die
Palette nieder, tupfte wählerisch
da und dort auf dieselbe und
setzte die Arbeit des Malens
dann an einer höheren Stelle
als. vorher fort. „Nun die
Augen I Den prophetischen Blick
ins Weite!" Es handelte sich
um die „Kassandra". Munk
folgte wieder der Weisung.
So trieb der Baron sein
Spiel mit dem Künstler,
bis er sein „Wach! wach!"
hervorstieß und unter heftigen Streichbewegungen der
ansgereckten Finger vor dem Gesichte des unfreiwilligen
Mediums dieses aus seinem unwürdigen Zustand befreite
und wieder ins Bewußtsein zurückrief.
Die Wirkung des Erlebnisses auf den Erwachten
war eine ganz seltsame, die den kecken Eindringling in
den geistigen Frieden des Malers aufs angenehmste
überraschte. Er hatte Vorwürfe erwartet und mit einer
gewissen Verlegenheit den Zusammenhang aufgeklärt;
kaum aber hatte er angefangen, so begriff auch Munk
die Situation und mit einem fieberhaften Glanz im

Auge und dem Baron mit nervöser Hast die Rechte
drückend, dankte er ihm für die erwiesene — Wohlthat.
In seinem Zustand habe er das Bild, das seiner
Phantasie als neue Aufgabe Vorschwebe, mit einer Deut-
lichkeit bis ins einzelne gesehen wie noch nie. Jetzt
habe er ein Mittel gefunden, die Schaukraft seiner

Phantasie zu steigern, und der Baron könne kaum ahnen,
wie sehr er ein solches ersehnt. Nun dürfe er ihn nicht
in Stich lassen; er verspreche sich wunderbare Hilfs-
kräfte aus seiner Empfänglichkeit für die Hypnose und,
wenn es der Baron erlaube, so werde er ihn wahrschein-
lich noch oft in Anspruch nehmen, um in dieselbe zu
gelangen. Natürlich sagte der auf seine Künste gar eitle
Baron Massenbach nicht Nein und, während er erfreut
zustimmte, plante er im Stillen, wie er dies Verhältnis
zu dem berühmten Maler ausnutzen könne, damit sein
Ruhm auch seinen Seancen zum Vorteil gereiche. Ein


Jetzt. Van Eduard Grützner
Mit Genehmigung der sshotograxhischen Gesellschaft in Berlin
 
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