«s^> ZUR JAHRHUNDERTFEIER DER MÜNCHNER AKADEMIE
wahre Kunst in seiner eminenten satirisch
zeichnerischen Begabung lag, daß er einer der
Stammväter der „Jugend"- und „Simplicissi-
mus"-Künstler ist. Eine glückliche Zeit aber
kann die Aera Kaulbach darum genannt wer-
den, weil sie, gerade im Gegensatz zu Kaul-
bach und zu seinem romantischen Monumen-
talismus, zu einer starken Individualisierung
der Münchner Kunst führte. Der Träger
dieser Opposition war Schwind, mit dem der
Kampf der intimen Malerei gegen den abge-
hausten Kartonstil begann. Daneben aber trat
noch ein Mann in die Erscheinung, in dessen
Hand fast alle Fäden der neueren Münchner
Kunstentwicklung zusammenlaufen: Karl von
Piloty, der seit 1856 an der Akademie als
Lehrer wirkte und im Jahre 1874, als Kaul-
bachs Nachfolger, deren Direktor wurde.
Der Klassizismus, die Romantik im monu-
mentalen und im intimen Sinne hatten nach-
einander die Akademie beherrscht: jetzt kam
mit Piloty der Realismus an die Reihe. Aller-
dings kein Realismus in unserem Sinne, son-
dern nur im Gegensatz zur Romantik so ge-
nannt, ein Realismus belgischer Observanz.
Dieser Realismus wurde besonders durch die
Schüler Pilotys zum Siege geführt, denn aus
seinem Atelier gingen einige ganz Große der
Kunst hervor: allen voran Leibi, dem in
gemessenem Abstand der wundervolle Char-
meurMakart folgt, sodann Lenbach, Defregger,
Gysis, Grützner, Max, Kurzbauer, Chase und
einige, die später entschieden von Piloty ab-
rückten, nämlich Habermann, Oberländer und
W. von Diez, der freilich nur sehr kurze Zeit
die Piloty-Lehre genoß.
Als Piloty 1886 starb, waren ihm seine
Schüler längst übers Haupt gewachsen. Eine
neue Zeit dämmerte herauf. Die Secessions-
bewegung warf ihre Schatten voraus. Sie trat
KARL EDERER KUH
Frühjahr-Ausstellung der Wiener Sccession
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wahre Kunst in seiner eminenten satirisch
zeichnerischen Begabung lag, daß er einer der
Stammväter der „Jugend"- und „Simplicissi-
mus"-Künstler ist. Eine glückliche Zeit aber
kann die Aera Kaulbach darum genannt wer-
den, weil sie, gerade im Gegensatz zu Kaul-
bach und zu seinem romantischen Monumen-
talismus, zu einer starken Individualisierung
der Münchner Kunst führte. Der Träger
dieser Opposition war Schwind, mit dem der
Kampf der intimen Malerei gegen den abge-
hausten Kartonstil begann. Daneben aber trat
noch ein Mann in die Erscheinung, in dessen
Hand fast alle Fäden der neueren Münchner
Kunstentwicklung zusammenlaufen: Karl von
Piloty, der seit 1856 an der Akademie als
Lehrer wirkte und im Jahre 1874, als Kaul-
bachs Nachfolger, deren Direktor wurde.
Der Klassizismus, die Romantik im monu-
mentalen und im intimen Sinne hatten nach-
einander die Akademie beherrscht: jetzt kam
mit Piloty der Realismus an die Reihe. Aller-
dings kein Realismus in unserem Sinne, son-
dern nur im Gegensatz zur Romantik so ge-
nannt, ein Realismus belgischer Observanz.
Dieser Realismus wurde besonders durch die
Schüler Pilotys zum Siege geführt, denn aus
seinem Atelier gingen einige ganz Große der
Kunst hervor: allen voran Leibi, dem in
gemessenem Abstand der wundervolle Char-
meurMakart folgt, sodann Lenbach, Defregger,
Gysis, Grützner, Max, Kurzbauer, Chase und
einige, die später entschieden von Piloty ab-
rückten, nämlich Habermann, Oberländer und
W. von Diez, der freilich nur sehr kurze Zeit
die Piloty-Lehre genoß.
Als Piloty 1886 starb, waren ihm seine
Schüler längst übers Haupt gewachsen. Eine
neue Zeit dämmerte herauf. Die Secessions-
bewegung warf ihre Schatten voraus. Sie trat
KARL EDERER KUH
Frühjahr-Ausstellung der Wiener Sccession
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