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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 6.1908

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Heft 6
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Lovis Corinth
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https://doi.org/10.11588/diglit.4705#0250

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Eroberer, sondern ein Geniesser, nicht eine richtungs-
bewusst vordringende Einseitigkeit, sondern eine breit
auseinanderrliessende Vielseitigkeit. Ein Künstler wie
Liebermann hat sein Talent zum Organ des Willens
gemacht. Spricht man von ihm, so meint man
immer die gesamte Willensidee, die er als Persön-
lichkeit verkörpert. Spricht man von Corinth, so
meint man nichts als eine Begabung, die durch ihr
Dasein allein imponiert. Liebermann hat aus seinem

Man verfolge diesen Unterschied in aller
Konsequenz und man erblickt zwei verschiedene
Typen. Künstler wie Liebermann fühlen vor dem
Motiv einen inneren Ruck; ihnen wird jedes Bild,
und sei es eine Skizze, zum Erlebnis; sie kämpfen
jedesmal wieder mit sich, mit der Natur und mit
der Materie. Ihr Scharren ist schicksalhaft und ganz
ernst. Corinth dagegen betrachtet die Dinge mit
dem stillen Bewusstsein des Könners und denkt

LOVIS CORINTH, FAMILIE HALBE



Talent ein Instrument gemacht; Corinth ist ganz
ein Geschöpf seiner vielfältigen starken Anlagen.
Wo fener zielsicher will, da lässt Dieser sich von
den sinnlichen Wallungen seiner Kunstnatur treiben.
Gleichviel wohin. Wenn sein Talent sich nur regen
und bethätigen kann. Wo Liebermann seinem
Talent ein Geber, Erzieher und Wohlthäter gewesen
ist, da empfängt Corinth schlechterdings alles von
dem seinen; wo Jener seine Gaben von je beherrscht
und regiert hat, da hat Dieser sie genossen.

gelassen: „Das könnte man malen". Sein Arbeiten
ist heiterer und mehr ein Wollen als ein Müssen;
es ist ein Geniessen. Liebermann will etwas mit
seinem Handwerk — etwas Abstraktes letzten Endes;
Corinth will das Handwerk selbst im ganzen Um-
fange, sonst aber nichts. Mutete jemand dem Führer
der Sezession das Kunststück zu, ohne Besinnen
einen Abraham oder eine Susanne zu malen, so
liesse er sich darauf gar nicht ein, weil er nur
innerlich Erlebtes malt; Corinth würde skrupellos

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