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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 6.1908

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Heft 6
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Lovis Corinth
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https://doi.org/10.11588/diglit.4705#0252

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wendigkeit erreicht, der die Kunstwerke so seltsam
symbolisch und tief erscheinen lässt. Und in Ver-
bindung damit steht die Erscheinung, dass Corinth,
weder im grossen noch im kleinen Format, jemals
monumental wirkt. Er mag das Äusserste an Furor
aufbieten: es ist nie die grosse Gewalt der Kom-
position vorhanden, weil der Zug des Schicksal-
haften fehlt. Es ist alles gut und selbst bewunderungs-
würdig; aber es könnte meistens auch anders sein.
Sodann zeigt es sich, dass Corinth sich viel mehr
um den Stoff, um das Was seiner Kunst kümmern
muss als ein Impressionist. Diesem ergiebt sich ja
das Motiv von selbt; wo er ergriffen ist, da ist auch
sein Stoff. Corinth muss wählen, halb nach äusseren
Erwägungen; und wie leicht kann man da nicht fehl-
greifen. Aber er beweist ein ganz ausserordent-
liches Talent gerade als Sujetrinder; er ist vielleicht
einer der phantasievollsten Stoffdenker unserer Tage.
Die ganze Fülle seines Temperamentes kommt bei
dieser Thätigkeit zum Vorschein. Er erweist sich

als ein geistreich kombinationsfähiger Poet und als
ein ausserordentlich vielseitig empfindender Geist.
In dieser Beziehung verknüpft ihn etwas mit Böcklin;
auch in der elementarischen Empfindungsweise.
Nur objektivierte Böcklin seine eigenen Gefühle,
während sie bei Corinth lyrisch offen zutage liegen.
Man begegnet dem frauenhaft Zarten und der Lust
an blutrünstiger Grausamkeit, der Drolerie, Boh-
homie und sogar dem Humor und daneben der
offenbaren Freude am Bestialischen, der Selbstper-
siflage, der Romantik, der stiernackigen Kraft und
der heiteren Grazie. Seine Lust an der Begriffs-
zuspitzung geht nicht selten bis zum Literarischen
und der Wunsch paradox zu wirken geht oft bis zum
Bluff. Corinth trägt es offen, sehr offen zur Schau,
dass er ein leidenschaftlicher Verehrer von Wein,
Weib und Gesang ist. Oder, um korrekt zu sein: nur
von Wein und Weib. Lind wenn das verehrte
Publikum sich entsetzt, freut er sich doppelt in seiner
ostpreussisch dicken Haut. Um sich die Freude zu

I.OVIS CORINTH, SCHLACHTERI.ADF.N

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