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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 6.1908

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Heft 9
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Walser, Robert: Dilettanten
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https://doi.org/10.11588/diglit.4705#0368

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D I L E T T A N T E N

VON

RO B ERT WA L S E R

Während der wah-
re Künstler es
liebt, seine Stoffe von
der einfachsten und rohe-
sten Seite aus anzupacken,
'ß arbeitet der Dilettant
meist unter aufreizender
Zuhilfenahme von Tönen,
^^a^. Ein betrunkener Dilettant
"IsüyjßSS'kann ausnahmsweise ein
Kunstwerk schaffen. Die
inhaltloseste Musik wird
am raschesten verstanden, denn sie macht Stimmung,
und Stimmung macht den Dilettanten; daher sind
Konzerthörer meist Dilettanten. Nirgends giebt es
eine solche stockwerkhohe Ansammlung von dilet-
tantischem Können wie unter den mitwirkenden

Kräften der Oper. Hier, unter den lieblichen Strahlen
der Musik, sind echte künstlerische Naturen am
seltensten. Man muss Selbstbiographien von be-
rühmten Sängern und Schauspielern lesen, um sich
ein Bild von der Schuldlosigkeit zu machen, mit
welcher diese Art Leute ihren Beruf auffassen. Ge-
rade die alleranerkanntesten Genies sind oft den
verkannten Genies am ähnlichsten. Beide unter-
scheiden sich nur durch das Glück; aber weder der
Erfolg noch auch der hartnäckigste Misserfolg macht
den Künstler. Seltsam ist es mit der sogenannten
Naturtalent-Anlage. Manchmal ist gerade die hold-
selige Natur-Eigentümlichkeit zum ewigen Dilet-
tantismus bestimmt, während die scheinbare Un-
originalität es durch den festen Fleiss und die Lei-
denschaft des Geistes zu hohem Künstlerstand zu
bringen vermag. Aber es giebt auch verschiedenerlei

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