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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 54.1903-1904

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Schur, Ernst: Über die ethische Kraft des Konstruktiv-Notwendigen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7291#0059

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Über die ethische Kraft des Konstruktiv-Notweudigeu.

Das Resultat dieses Strebens ist schon
jetzt abzusehen. Ls ist eine Reinigung.

Ein Beseitigen des Zufälligen, des Über-
flüssigen, das uns nichts mehr sagt, des
Schuttes und Moders der Zeit, des Un-
organischen. Und weiter: ein Zurückgehen
aus das Notwendige, aus bleibende
Grundformen, ein strenger, auswählender
Ernst, der ohne Rücksicht beseitigt und be-
schneidet, was spielerisch und unehrlich, weil
unorganisch ist. Das Betonen dieses Orga-
nisch-Notwendigen, — hierin wird der
Wert für die Zukunft liegen.

Es ist dariit zugleich ein anderes be-
schlossen: ein Erkennen sittlich-notwendiger
Gesetze — ein Warten auf spätere Zeiten,
ein Vorbereiten künftiger Entwicklungen, ein
Dienen im Geist des Ganzen und der Zukunft.

Es liegt die Mahnung darin: erst die Auf-
gabe treu erfüllen, die uns zufiel: reinigen,

Weg freimachen, Weg freihalten. Denkt man
sich dies in allen Gebieten, die hier zuerst
naheliegend in Frage kommen, konsequent
durchgeführt, es wäre vielleicht für viele Be-
strebungen, die heute Geltung und Anerken-
nung genießen, das Ende. Aber es läge
eine hohe, sittliche Bedeutung in der An-
erkennung dieses Geistes. Es bedeutete ein
endgültiges Fortwerfen der Lüge, ein endliches
Bekennen des Wahren. Neben dem künst-
lerischen ein ethischer Wert. Vielleicht haben
wir den als Grund des Schaffens recht nötig,
eher nötig. Fraglos würde und müßte diese
Einfachheit, Solidität und ehrlichster Ernst
wie tüchtigste Arbeit nicht ohne Einwirkung
bleiben auf den Geist und die Sittlichkeit
derer, die in dieser Umgebung wohnen werden.

Und all dieses: konstruktives Erkennen, solide
Arbeit, solides Material — appelliert an den
Verstand, ist zu lernen. Was dann noch
von all der Fülle der Formen bleibt, das wird
ein zuverlässiger Grund sein für künftige Zeiten,
die nun daran denken können, dieses „Muß" weiter
nach ihrem Sinne auszugestalten. Aber nur dieses
ehrliche Festhalten an dem Erkaitnteil hat vorder-
hand Wert. Es führt zu den: Mittelpunkt dieser
Bestrebungen direkt hin. Damit bleibt allerdings
von dem schillernden Ruhm der Talente, die sich
jetzt hier tummeln, wenig übrig. Sie werdet: vor
diesen: Ernst sich bekreuzigen. Wo bleibt ihre
Fantasie? Es ist, als dringe das Helle Licht des
Tages tu einen tollen Nachtspuck hinein. Die Macht
der Tatsachen wird auch hier reden. Und vielleicht

96. Maximiliauskirche; St. Ludwigsaltar. Entwurf von
lqch. v. Schmidt; Ausführung von Gg. wrba, München.

ist es gar nicht so einfach und so leicht — das
Erfüllen dieser Forderungen, wie sie meinen!? Es
setzt vielleicht all das voraus, was sie nicht haben,
was aber augenblicklich not tut. Vielleicht ist dies
alles doch nicht nur Sache des Verstandes und schnell
erlernbar sondern zu einem guten Teil -: ethische
Kraft — in Kunst und Arbeit übergeleitet. So
daß — von diesem Standpunkte aus — die in diesen:
Geiste verfertigten Dii:ge doch eine beredte Sprache
führten und eine Art Bekenntnis dokumentierten — wie
ja eine liederlich, spielerisch und unwahren Geistes
angefertigte Sache auch ein Bekenntnis darstellt I

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