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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 54.1903-1904

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Schur, Ernst: Über die ethische Kraft des Konstruktiv-Notwendigen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7291#0062

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Über die ethische Kraft des Konstruktiv-Notwendigen.

\05. Maximilianskirche; Tiire im linken Seitenschiff.

wir in vergangenen Jahrhunderten als Renaissance
bewundern. Ernsthafte Leute lassen sich hier irre-
führen.

Nach den gegebenen Gesichtspunkten ergibt sich,
daß, wenn wir überhaupt von der Zukunft etwas
erhoffen, wir ganz am Anfang der Bewegung stehen.
So sehr am Anfang, daß alles Bisherige nur ein
Tasten und Buchen nach dem Eingang war — der
noch nicht gefunden wurde. Zn solchen Zeiten wird
dann viel produziert, vieles kommt hoch, was den
Stempel des Tages trägt. Es ist ein Versuch. Als
solcher geht er unter. War Ernst dahinter, so wird
der gute Wille weiter leben. Positives ist noch nicht
geleistet bei uns. Nicht einmal das Negative, die
Reinigung, ist vollzogen. Vielmehr alles wie zuvor
— ein Tohuwabohu —, ein wenig toller noch als
zuvor.

Es ist gerade das Große an jeder Bewegung,
daß sie sich nicht über Tag entscheidet. Erst jetzt —
nach all dem Wirrwarr soll der Ernst einsetzen.
Eine solche Bewegung kann viel Kräfte verschwenden
und kümmert sich nicht nur den einzelnen. Der

Künstler, der es hier ernst mit sich, seiner Kunst,
seiner Zeit nimmt, wird uni soziale Fragen nicht
herumkommen. And die Zeit braucht nur — solche
ernsten Künstler und Wenschen. Wan redet immer
von Form und Stil, sucht danach, als wäre es
etwas Auffindbares, gewissermaßen ein Kniff, den
es herauszubekommen gilt. Vielleicht ist Form weiter
nichts als „künstlerischer Ernst", der sich zum
Bein durchringt und solchergestalt sich erst behauptet.
Sittliches Wollen und Wüsten ebenso nötig als
künstlerisches Können. And dann erst in Zeit und
Ewigkeit festgerammt. Das Ausscheiden spielerischer
Formen — vielleicht liegt darin der Grundzug
unseres Werdens.

Ausgehend von diesen Gesichtspunkten, täte
eines not: daß sich einige, wenige Künstler zusammen-
tun, die dieses Geistes find. Die es ernst meinen,
mit sich, mit ihrer Kunst, mit ihrer Zeit. Die nicht
mit gar so großem Anspruch auftreten und nicht
hoffen, die Bensation zu fesseln. Die damit end-
lich einmal einen Anfang setzen. Vielleicht
nur ein loser Zusammenhang, das Bewußtsein
gleichen, stützenden Btrebens, ein Zentrum.

Und die Aufgabe dieser Wenschen wäre vorder-
hand nur die eine: den Wust, der sich überall
in den Formen breit macht, die uns um-
geben, zu entfernen. Überall mit Fleiß und
Gründlichkeit die Technik, das pandwerk studieren
und noch besser: es

lernen. Und Formen
geben, die weiter nichts,
aber auch weiter nichts
wollen, als dies: kon-
struktiv fiungemäß und
einfach — ehrlich zu fein
und also zu wirken.

Dieses Negative ist
jetzt die Hauptsache und
ist es für lange Zeit.

Denn viel Überfluß gilt
es zu entfernen und viel
Staub. Das Positive
wird die Zeit schaffen.

Denn das positive ist
eben da, in dem Wo-
inent, wo die Reini-
gungsarbeit vollzogen
ist, wo kein Ding
von Unwahrheit und
Talmi redet.

Dann wird es Zeit
sein, von dem zu reden, jo^. Maximilianskirche; Mpfer-

was jetzt schon leicht- stock, von R.Kirsch, München.

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