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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 54.1903-1904

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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Volkskunst, Volksbildung, Volks-Museen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7291#0070

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Volkskunst, Volksbildung, Volksmuseen.

U5, Marienbüste rou Henry Linder, Brooklyn.

ausgesprochenster Weise zu erkennen gibt, ab. Es
wird „aufgeräumt" damit, ja manchenorts hat eine
geradezu unsinnige Zerstörungswut in völlig blöd-
sinniger Weise gewirtschaftet, ohne daß hier ein
Machtwort: „Bis hierher und nicht weiter", sich hätte
vernehmen lassen. Man läßt da und dort das Beste,
was der Vergangenheit des Landes angehört, fahren,
und wenn vom „Konservieren" die Rede ist, so muß
das Gbjekt schon von sich reden machen, bevor für
dessen Sicherstellung etwas geschieht. Aber wer be-
kümmert sich um die charakteristischen Zeugen einer
Kunst, die aus dem Volk hervorgegangen ist, wer
frägt nach den alten schönen Bauernhäusern, die spur-
los vom Erdboden verschwinden, wo rührt sich die
vermögende pand, um diese Dinge wenigstens zu
reiten, wenn sie auch nicht stehen bleiben können!
Da und dort findet sich in einem Museum ein ge-

schnitzter Balken, eine Konsole, ein anderes
Detail mit dem notdürftigen Vermerk: „Vom
N. N. Pause in 3t. 12- Z." Soll unsere Zeit
den Vorwurf wissentlich auf sich laden, nicht
das Nötige veranlaßt zu haben, um auf dem
Gebiete der Volkskunst zu retten, was noch
zu retten ist? Ist für Deutschland, ist speziell
für Bayern noch kein pazelius geboren, der
mit eisernein Willen und klarem Verstände
das durchzusetzen vermag, was die Zeugen
einer einst blühenden Volkskunst verdienen!
Eine gesunde, auf der Kenntnis des eigenen
Wesens basierende Volkserziehung verlangt
dies gebieterisch. Ein solches Unternehmen
träte in keiner Weise als Konkurrenz zum
Kgl. Nationalmuseum auf, wohl aber würde
es Zeugnis dafür ablegen, daß der Patriotis-
mus nicht bloß bei festlichen Gelegenheiten
durchbricht, sondern daß er sich auch in
ruhiger Arbeit fort und fort betätigt, un-
gestört von allen Parteifragen, die da ver-
stummen, wo ernste Ziele die Besten des
ganzen Volkes zusammenführen müßten!
Vielleicht bietet sich demnächst Gelegenheit,
der Sache mit einem eigentlichen Programm
näher zu treten. Was das Ganze für
München bedeuten könnte, braucht hier des
Näheren nicht erörtert zu werden. Dies nur
beiläufig.

Mau hat in norddeutschen Museen, so
z. B. im Provinzialmuseum von Altona, teil-
weise wenigstens das Prinzip der skandina-
vischen Freilicht-Museen einzuhalten versucht,
iusoferne als man typische Interieurs zu-
sammenstellte, die einen abgerundeten Begriff
von der Volkskunst früherer Zeit geben. Nm-
soust aber sucht man, das Germanische Museum in
Nürnberg ausgenommen, in den großen süddeutschen
und österreichischen Museen nach den Erscheinungen,
wie sie der Schwarzwald, Schwaben, das Allgäu,
Dberbayern, Tirol usw. in ihren ländlichen Bauten
bieten! Es wäre der Mühe wohl wert, hier energisch
paud anzulegen, und man darf wohl hoffen, daß
eine Verbindung von Männern zustande zu bringen
ist, die hier das Nötige veranlassen. Es wäre die
schönste Aufgabe des zu rascher Blüte gelangten
„Vereines für Volkskunst in München"!

(Schluß folgt.)
 
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