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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 54.1903-1904

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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Volkskunst, Volksbildung, Volks-Museen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7291#0078

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Volkskunst, Volksbildung, Volksmuseen.

Staaten zählen z. Z. 8000 öffentliche Bibliotheken mit
50 Millionen Bänden, darunter 60 mit je über
s 00 000, vier mit über 500 000 Bänden. Diesen
Bibliotheken sollen überall Volksmuseen angegliedert
werden. Bis jetzt gibt es außerdem in den Ver-
einigten Staaten 350 öffentlichen Museen, darunter
250 naturwissentschastliche. (Deutschland hat zirka
500, s50 davon naturwissenschaftlichen Inhaltes,
Frankreich zirka 500 der letzteren Gattung, Eng-
land 250.) Unter den 250 naturwissenschaftlichen
Museen der Vereinigten Staaten kommen auf den
Staat New Hork mit 2 Millionen Einwohnern
3 s solche Institute, auf Pennsylvania mit 6 Mill.
ist, Massachusettes mit 3 Mill. \7, Illinois mit
5 Mill. \5, Mhio mit ^ Mill. 'Kalifornien
mit \,5 Mill. j0 usw. Über die Geschichte dieser
Anstalten, über ihre enge Fühlung mit der Schule,
über die zu Gebote stehenden Mittel und die damit
verfolgten Zwecke geben deren Jahresberichte vor-
züglichen Aufschluß. Schon als Agassiz, der be-
kannte Schweizer Gelehrte, das Vergleichende Zoolo-
gische Museum zu New Eambridge, Massachusetts,
f860 einrichtete, entwickelte er in klarster Meise den
Grundsatz, das Schaumuseum, d. h. der der All-
gemeinheit dienende, Lehrzwecken gewidmete Teil
müsse klar geschieden werden vom wissenschaftlich
arbeitenden. Diese Art der (Organisation, welche
der Entwicklung beider Sektionen die eingehendste
Sorgfalt zuwendet, ist grundlegend geworden für
alle später entstandenen Neuanlagen. Diese haben
somit vor Europa schon den ungeheueren Vorsprung,
einheitlich ihre Zwecke zu verfolgen und so eine
allgenieine Basis zu schaffen, die sonst nirgends in
gleicher Weise vorhanden ist. Das Nationalmuseum
zu Washington nahm an erster Stelle den Grund-
satz an, „keinen Sammlungsgegenstand auszustellen,
der nicht einen besonderen erziehlichen Wert habe,
nicht einen großen Teil der Museumsbesucher fesseln
und belehren könne". Auch dies Prinzip wurde
allgemein akzeptiert. Jedes endlose Anhäufen gleich-
artiger, nur für den wissenschaftlich arbeitenden
Menschen nützlicher Reihen, die anderen Menschen
Schrecken einflößen, ist dort vermieden. Man sucht
durch möglichst gute charakteristische Einzelerschei-
uungen zu belehren, alles überflüssige Beiwerk zu ver-
meiden. Dabei wird Rücksicht auf jene Erschei-
nungen genommen, die in Verbindung mit gewissen
Jahreszeiten stehen. Im naturgeschichtlichen Museum
in New Pork sind stets der Jahreszeit entsprechend
die Zugvögel, die zum Laichen wandernden Fische,
die Insekten usw. ausgestellt, und zwar in biolo-
gischer Anordnung, so daß die Anregung zur Natur-
beobachtung, aus welcher immer die gesunde künst-

lerische Entwicklung sich ableiten muß, so nahe ge-
rückt wie nur möglich erscheint. In erster Linie
sucht man, und das verbürgt die beste Verheißung
für die Zukunft, durch die Museen aus die Jugend
zu wirken, ihr all das nahe zu rückeu, was an-
regend, zum selbständigen Beobachten und Unter-
suchen hinleitet. Nicht langweilige, trockene, beschrei-
bende Belehrung bildet die Basis dieser Bestrebungen,
sondern die einzig und allein zweckentsprechende
Demonstratio ad oculos. Es gibt nun in den Ver-
einigten Staaten nicht ein Museum ohne Rinder-
abteilungff samt dazu gehöriger Bibliothek. Die
stoffliche Anordnung ist durchaus dem kindlichen
Fassungsvermögen angepaßt. Gleichzeitig aber finden
Vorträge für Lehrer und Lehrerinnen statt, welche
diese unter Vorführung des paffenden Materials in
zweckmäßiger Weise für den Unterricht vorbereiten,
sie mithin befähigen, die Rinder in den Sammlungen
selbst zu unterrichten. »Tbe Children8 Museum Bulle-
tin«, das z. B. vom Museum für Rünste und Wissen-
schaften zu Brooklyn herausgegeben wird, ist ebenfalls
ganz für den kindlichen Ideenkreis berechnet, ebenso
die Bezettelung, die bekanntermaßen einen wichtigen
Faktor bildet. Wie die Benutzung dieser Abteilungen
sich anläßt, mag eine Ziffer zeigen: Im Jahre sst02
wurde das eben genannte Museum von 8flOOO
Rindern besucht. Ein wesentliches Förderungsmittel
bilden bei diesen Museen die Preisausschreiben
für ältere Schulkinder. Aus dem Stoffe der
Museen werden Themata gegeben. So z. B. \902 im
Tarnegie-Museum zu Pittsburg die drei Themata:
j. Vogelleben, wie es das Museum darstellt. 2. Mine-
ralien und Edelsteine des Museums. 3. Warum
liebe ich das Larnegie-Mufeum. Für die Zeit der
Bearbeitung des Aufsatzes waren vier Wochen ge-
geben. Rein Aufsatz durfte mehr als j200 Worte
enthalten. 0(7 Preise im Betrage von 20—200 Mk.
kamen unter 8s5 Ronkurrenten zur Verteilung, außer-
dem wurden die Lehrer der preisgekrönten aus-
gezeichnet. Ein Dreizehn- und ein Siebzehnjähriger
waren die Pauptpreisträger. Daß dieses Vorgehen
auch anderwärts von Erfolg ist, bewies ein in
Dresden gemachter und vollkommen zufriedenstellend
ausgefallener Versuch. Natürlich ist bei all diesen
Museen reichliche Gelegenheit, um zeichnerische Studien
zu machen, wie denn überhaupt das Zeichnen nach
Tiermodellen, lebenden wie konservierten, außerordent-
lich stark kultiviert wird. Das geradezu abstumpfende

') Wer sich dafür interessiert, in welcher großartigen aber
gleichzeitig eniinent praktischen Weise für anregende Beschäf-
tigung der Jugend drüben gesorgt wird, blättere Jahresberichte
des »Hartley House«, des »University Settlement«, des »Hudson
Guild«, alle in New ^ork, usw. durch.

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